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Städte als Wachstumstreiber im Tourismus

Schweizer Städte weisen seit langem überdurchschnittliche Wachstumsraten auf. Im Bild das Löwendenkmal in Luzern. Keystone

Dank schwachem Franken und starker Konjunktur geht es dem Tourismusland Schweiz seit einiger Zeit wieder besser. Doch innerhalb des Landes variiert das Wachstum stark.

So hält sich in den traditionellen Bereichen Wintersport und Berge das Wachstum in Grenzen. Fast doppelt so stark fällt die Zunahme in den Städten aus.

Die Schweiz gilt als “reife” Tourismusdestination, denn sie wird bereits seit über 150 Jahren von ausländischen Gästen bereist.

Doch der traditionelle Wintersport, der in den 80er-Jahren seinen Höhepunkt erlebte, stagniert. Zusammen mit dem Bergsommer-Tourismus stellt er eine wichtige Einkommensquelle für die Bergregionen dar.

Die Probleme der alpinen Kurorte stehen deshalb im Brennpunkt medialer Wahrnehmung. Demgegenüber trieben die Städte ihren Tourismus im letzten Jahrzehnt fast unbemerkt voran.

Ein Vergleich der Beherbergungs-Zahlen Stadt – Land zwischen 1996 und 2006 zeigt: Im Landesdurchschnitt wuchsen die Logiernächte um 12%. In den Städten jedoch stiegen sie um 10 Prozentpunkte mehr, nämlich um 22%.

Höchster Anteil an Auslandtouristen

Auch liegt der Anteil der Einnahmen von ausländischen Touristen in den Bergregionen weniger hoch als in den Städten, wo drei Viertel aller Übernachtungen auf Ausländer entfallen.

Der Stadttourismus mit seinem hohen Anteil an Geschäftsreisenden ist stärker vom internationalen Wirtschaftsverlauf abhängig. “Geht es der Wirtschaft gut, profitieren die Städte auch stark von den Meetings, Kongressen und Seminaren”, sagt Barbra Albrecht, Kongresstourismus-Verantwortliche bei Schweiz Tourismus.

Dass sich die Städte touristisch gut positionieren konnten, hat verschiedene Gründe: Verkehrsmässige Erschliessung, systematische Promotion, veränderte Reisegewohnheiten und Kongresstourismus.

Bevorzugte Positionierung der Städte

“Die Verbesserung der Bahn-Infrastrukturen hat den Städten mehr Gäste beschert”, sagt Richard Schobinger, Internationaler Personenverkehr, SBB. “Zugfahren ist nicht nur schneller und kürzer, sondern auch komfortabler geworden. Der Komfort besteht in der Direktverbindung.”

Auch von der Einführung der Bahn 2000 mit ihrer Knotenpolitik hätten die Städte allgemein stark und die Regionen nur ungleich profitiert. In Kombination mit dem veränderten Reiseverhalten – mehrere Kurz- statt ein Langurlaub – seien Städte wie geschaffen.

Bei aller Kritik an den technischen Launen des Cisalpino habe dieser Hochgeschwindigkeitszug die Norditaliener erstmals von der Strasse weg und auf dem Schienenweg in Schweizer Städte gebracht. Was die Deutschen betreffe, sei “das gute Zusammenspiel von Schweiz Tourismus in Deutschland, RailAway Incoming und der Vermarktungsgesellschaft Rheinalp ausschlaggebend für das markante Ansteigen der Zahlen”, so Schobinger.

Unsicherer Umgang mit Klimaveränderung

“Zur Stagnation des Winter- und Bergtourismus mögen weniger die Schnee- und Klimaveränderung geführt haben als der unsichere Umgang der Kurorte damit”, vermutet Schobinger. Schwer umgehen könnten die Bergregionen auch mit der veränderten touristischen Wertschöpfung:

“Das grosse Geld wird heute eher für Erlebnisse wie Bungy Jumping oder ein teures ‘Adventure’ ausgegeben, und dafür schläft man dann im Sechser-Schlag.” Diese neuen Präferenzen bereiteten der Ferienhotellerie in Kurorten viel Mühe.

Die Stadthotellerie hat sich tendenziell solchen Verhaltens-Änderungen der Gäste eher angepasst als die Ferienhotellerie. Auch im Promotions- und Werbebereich funktioniert das Zusammenspiel der Städte besser als jenes der Kurorte.

“Mit der Vereinigung ‘Swiss Cities’, dessen Sekretariat Schweiz Tourismus führt, treten 26 Städte kompakt auf, während in den Berggebieten oft noch endlose Destinationsmarketing-Diskussionen laufen”, sagt Beat Anneler, Direktor von Thun Tourismus.

Kongresstourismus bevorteilt Städte



Auch vom hochrentablen Kongress-Tourismus können die Bergregionen weniger profitieren als die Städte. So befinden sich mit Ausnahme von Resorts wie Montreux, Davos oder Interlaken die wirklich grossen Kongress-Kapazitäten primär in den Städten.

Barbra Albrecht verweist auch auf die internationalen Hotelketten, die sich in den letzten Jahren vor allem in den Städten niederliessen und die alle auch ihr eigenes, zusätzliches Gästevolumen mitgebracht haben.

swissinfo, Alexander Künzle

Ein Vergleich der Entwicklung der Beherbergungszahlen zeigt, um wieviel stärker der Tourismus in den Städten gegenüber dem Landesdurchschnitt zunahm.

Wachstumsraten bei den Logiernächten (Nächtigungen) in den Städten (in Klammern die Raten Schweiz landesweit)

Für die Dekade 1996 – 2006:

Gäste In- und Ausland: 21,7% (12,4%)
Gäste Schweiz: 28,3% (13,6%)
Gäste Ausland: 19,2% (11,5%)


Für die Jahre 2005 – 2006

Gäste In- und Ausland: 8,9% (5,8%)
Gäste Schweiz: 7,6% (4,0%)
Gäste Ausland: 9,4% (7,2%)

(Quelle: BFS)

Schweizer Städte offerieren sowohl in ihrem Kongress- und Meeting-Angebot als auch in ihrer allgemeinen Infrastruktur hohe Umwelt-Standards.

Dazu kommen der hohe Anteil an öffentlichem Verkehr und ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein der Bevölkerung.

Diese Standards übertreffen laut Branchenkennern auch jene vieler Nachbarländer.

Viele internationale Firmen verpflichten sich ihrer Kundschaft gegenüber ebenfalls auf hohe Nachhaltigkeits-Standards.

Diese Firmen machen einen wichtigen Teil der Kundschaft im Kongress- und Meeting-Bereich der Städte aus.

Ihre Anlässe im nachhaltigen Umfeld, wie sie Schweizer Städten bieten, auszutragen, wäre somit naheliegend.

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