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Versicherungen: Winterthur in französischen Händen

Nach dem Turnaround in französischen Händen: Winterhur. Keystone

Die Schweizer Grossbank Credit Suisse verkauft ihre Versicherungstochter Winterthur an die französische AXA, die europäische Nummer zwei.

AXA zahlt für die Übernahme insgesamt 13,4 Mrd. Franken. Die Auswirkungen des Verkaufs auf die rund 19’000 Beschäftigten sind noch ungewiss.

Neben den Übernahmekosten in der Höhe von 12,3 Mrd. bezahlt AXA auch ausstehende hybride Finanzierungen zwischen der Credit Suisse Group und Winterthur. Diese betragen rund 1,1 Mrd. Franken.

Die Transaktion der in 17 Ländern aktiven Winterthur soll gegen Ende Jahr abgeschlossen sein. Die AXA hofft, durch den Kauf ihre führende Position auf dem europäischen Kernmarkt zu festigen und die Präsenz insbesondere in Osteuropa und in Asien auszubauen, wie AXA-Konzernchef Henri de Castries in einem Communiqué zitiert wird.

Zu einem möglichen Stellenabbau machte der Konzern vorerst keine Angaben. Diesbezüglich lägen noch keine Pläne vor, sagte Axa-Sprecherin Clara Rodrigo am Mittwoch.

Sie zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Integration ohne grosse Einschnitte erfolgen kann. Axa habe grosse Erfahrung mit Übernahmen und sei in den vergangenen Jahren dank Firmenzukäufen stark gewachsen.

“Es liegt allerdings auf der Hand, dass beispielsweise der administrative Bereich gestrafft werden wird”, sagte hingegen Winterthur-Sprecher Markus Seitz gegenüber swissinfo.

Fokussierung auf das Bankgeschäft

Die Credit Suisse erwartet einen Gewinn aus dem Verkauf, der effektive Verkaufserlös hänge vom Buchwert der Versicherungstochter bei Transaktionsabschluss ab. Per Ende März wurde die Winterthur mit einem Wert von 9,4 Mrd. Franken in den Büchern geführt, also 2,9 Mrd. Franken unter dem vereinbarten Kaufpreis.

Credit Suisse-Verwaltungsratspräsident Walter Kielholz erklärte, der Erlös solle in die Weiterentwicklung des Bankgeschäfts fliessen, grosse Übernahmen seien aber nicht geplant.

Die Mittel helfen, im Bankgeschäft zusätzliche Erträge zu generieren, um die wegfallenden Gewinne aus dem Versicherungsgeschäft zu ersetzen. An der Prognose für den Reingewinn von 8,2 Mrd. Franken im Jahr 2007 hält Kielholz fest.

Turnaround vollzogen

Auch die Aktionäre können sich freuen: Überschüssiges Kapital, das nicht direkt in das Wachstum des Geschäfts investiert werden kann, “werden wir an unsere Aktionäre zurückführen”, kündigte der Verwaltungsratspräsident an.

Kielholz erklärte weiter, Winterthur habe während der vergangenen drei Jahre einen beeindruckenden Turnaround erzielt. Nach dem Verkauf könne sich die Credit Suisse Group auf die Kerngeschäfte der Bank konzentrieren.

Die Trennung von der Winterthur – ein Überbleibsel aus der Zeit der Allfinanz-Strategie der Credit Suisse Group – wurde seit längerem vorbereitet. Kielholz hatte an der Generalversammlung der Grossbank von Ende April durchblicken lassen, dass die Loslösung in Kürze zu erwarten sei.

Im Vordergrund stand zuerst jedoch ein Börsengang. In den letzten Tagen verdichteten sich aber die Hinweise darauf, dass die Credit Suisse die Winterthur an die AXA verkaufen wolle.

Allianz-Träume geplatzt

Zuvor war die Winterthur wieder auf eine solide Basis gestellt worden. Vergangenes Jahr glänzte sie mit einem Gewinn von 1,1 Mrd. Franken. Bei der Präsentation des Abschlusses hatte Credit-Suisse-Chef Oswald Grübel den Wert des Versicherers mit 9,7 Mrd. Franken beziffert.

Die Credit Suisse hatte die Winterthur 1997 für rund 14 Mrd. Fr. übernommen. Der Versicherer war wegen eines befürchteten Übernahmeversuchs des Financiers Martin Ebner in die Arme der Grossbank geflüchtet.

Eine wichtige Rolle spielten auch Allfinanz-Konzepte, die damals in Mode waren: Bank- und Versicherungsprodukte sollten aus einer Hand angeboten werden. Banken und Versicherer sollten ihre Produkte gegenseitig verkaufen und so die Erträge stabilisieren und erhöhen.

Die Idee setzte sich aber nicht durch. Inzwischen wurden die kostspieligen Allfinanz-Träume wieder begraben – nicht nur bei der Credit Suisse, sondern beispielsweise auch bei der Zurich Financial Services.

swissinfo und Agenturen

Der Verkauf der Winterthur ist das Resultat eines strategischen Entscheides der Credit Suisse aus dem Jahr 2004.

Die Grossbank hatte damals beschlossen, sich auf eine Wachstumsstrategie als weltweit operierende Bank zu konzentrieren.

Darauf basierend setzte Credit Suisse auf zwei Szenarien: Börsengang oder Verkauf. Gemäss dem VR-Präsidenten der Bank wird das nach dem Verkauf überschüssige Geld an die Aktionäre weitergegeben.

Nach der Ankündigung des Verkaufs legte der Aktienkurs bei Eröffnung der Börse um 2,6% zu. Die AXA-Aktien hingegen verloren 2,4%.

Winterthur verwaltet ein Gesamtvermögen von 153 Mrd. Fr.

Durch die Übernahme wird AXA weltweit zum fünftgrössten Versicherungskonzern.

Winterthur beschäftigt weltweit rund 19’000 Personen, davon rund 6000 in der Schweiz.

Noch ist unklar, ob die Marke “Winterthur” bestehen bleibt.

1875: Gründung der ” Schweizerischen Unfallversicherungs-Aktiengesellschaft” in Winterthur.

1923: Gründung der Lebensversicherungsgesellschaft Vita.

1962: Übernahme der Versicherungsgesellschaft “La Féderale”.

1988: Übernahme der Versicherungsgesellschaft ” La Neuchâteloise”.

1996: Beginn der Zusammenarbeit mit der Credit Suisse Group.

2000: Winterthur wird in Credit Suisse Financial Service integriert.

2006: Winterthur wird an die französische AXA verkauft.

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