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Virtuelle Vorlesungen im Aufwind

Die neuen Technologien verändern auch die Hochschullandschaft. swissinfo.ch

Ganz nach seinem eigenen Rhythmus zu Hause oder an einem Ort mit Internet-Anschluss lernen: Der Swiss Virtual Campus (SVC) macht es möglich.

E-Learning ist jedoch kein vollwertiger Ersatz für das Lernen in der Gemeinschaft – und dafür ist der SVC ja auch nicht vorgesehen.

Das Internet ist das wichtigste globale aber auch regionale Kommunikationsmittel von Wissenschaft und Forschung. Und so scheint es nur logisch, wenn das Netz der Netze auch bei der Ausbildung von Wissenschaftern eine immer grössere Bedeutung erhält.

Das Projekt Swiss Virtual Campus (SVC) fördert an Schweizer Hochschulen das Lernen via Internet und anderen neuen Kommunikations-Technologien. Mit der angebotenen virtuellen Mobilität sollen die Studierenden an Lernprozessen teilnehmen können, ohne im Hörsaal anwesend sein zu müssen.

Breites Angebot

Angebote gibt es inzwischen für die meisten Studienfächer. So werden Streifzüge durch die Kunstgeschichte angeboten, eine lateinische Grammatik, aber auch chemisches Grundwissen oder Informationen, wie ein Grippevirus funktioniert.

Andere können auf dem SVC anschaulich lernen, wie atomare Reibung funktioniert oder sich in die Geheimnisse des erfolgreichen Sportmanagements einweihen lassen.

Kein Uni-Ersatz

Der Virtuelle Campus ist nicht konzipiert, um das Studium statt an einer Universität oder Fachhochschule zu Hause am Computer zu absolvieren, und somit elegant die häufig überfüllten Hörsäle zu meiden.

Für Daniel Perrin, Linguistik-Professor an der Zürcher Hochschule Winterthur, ist klar, dass E-Learning nur eine Ergänzung des traditionellen Universitätsbetriebes sein kann: “Das Internet ist lediglich ein neues Medium im ganzen Lehrmittelkonzert”, sagt er gegenüber swissinfo.

Niemand komme heute darum herum, Papier zu verwenden oder Videos ins Studium einzubeziehen. Er spricht deshalb von einem Medienverbund.

Grösserer Aufwand?

Attraktivität und Nutzen erlangt der SVC jedoch erst mit Chats und Foren. Perrin und seine Studierenden müssen sich austauschen können.

Wird mit der grossen Präsenz in den Foren der Aufwand für den Professor damit nicht viel grösser? Perrin verneint. Er führt Diskussionen mit den Studierenden grundsätzlich nur noch in den digitalen Foren. “Dies hat den Vorteil, dass die Fragen und die Antworten für alle einsehbar sind. So haben alle denselben Informationsstand.”

So müsse er nicht 25 bis 250 Mal dieselbe Frage beantworten. “Ich brauche ungefähr gleich viel Zeit, in den Foren präsent zu sein, wie früher die Vor- und Nach-Gespräche in Anspruch nahmen”, so Perrin.

Auf die Welt vorbereiten

Die Bildungsinstitute wollen ihre Studierenden auf die Welt von heute und morgen vorbereiten. “Deshalb müssen die verwendeten Medien auch zu unserer Welt passen”, erklärt Perrin.

Die digitalen Lernangebote des Professors sollen seine Studenten auch fit fürs Berufsleben machen. “Forschende kommunizieren heute global via Internet.”

Und wenn er ein Lehrangebot kreiert, möchte er, “dass sich die Studentinnen und Studenten möglichst schnell im internationalen Diskurs befinden, und dass sie nur ein Mausklick von anderen Studien- und Forschungsangeboten trennt”.

Medien-Verbund

Perrins Internet-Angebote befinden sich in einem Medien-Verbund. Zu den Vorlesungen im Internet gibt es ein Buch sowie eine CD-ROM.

“Die CD-ROM gibt es nur, weil die Internet-Technik noch nicht schnell genug ist, weil das Internet noch zu wenig schnell ist”, sagt er. Sie werde irgendwann mal überflüssig – im Gegensatz zum Buch, das als handlicher Träger langer Texte seine Bedeutung behalten werde.

Im Buch steht nur der rote Faden, die beständigen Grundlagen, von denen man weiss, dass sie auch in fünf Jahren noch aktuell sein werden. Alles andere, Ergänzungen, Übungen werden im Internet publiziert.

Keine Internet-“Tollheit”

Der Schaffung von Internet-tauglichen Lerneinheiten ist anspruchsvoll. In den vergangenen vier Jahren mussten erst einmal Standards- und Qualitäts-Kriterien erarbeitet werden.

“Man musste erst mal herausfinden, was diese Art von Lernen denn überhaupt auslöst.” Dabei hätten sich gewisse Vermutungen nicht bestätigt. Als Beispiel dafür nennt Perrin die Sprachlabors, die vor über 20 Jahren individuelle Sprachlehrprogramme mit Audiokassetten anboten.

“Und nachdem viele Schulen solche Labors angeschafft hatten, sah man, dass das Sprachenlernen nicht so funktionierte, wie man es sich theoretisch einseitig ausgemalt hatte”, so Perrin.

Deshalb brauche es viel Zeit, bis man den wirklichen Nutzen eruiert habe, und beim E-Learning sei das genau so.

Multilingual

Die Online-Kurse werden, wenn immer möglich, in mehreren Sprachen angeboten.

Damit soll erstens der Mehrsprachigkeit der Schweiz Rechnung getragen werden, und zweitens hofft man, auch Kurse ins Ausland exportieren zu können

swissinfo, Etienne Strebel

Es existieren Fachgebiete für folgende SVC-Projekte:

Erziehungs-Wissenschaften, Geistes-Wissenschaften, Informatik, Management und Administration, Mathematik, Medizin, Natur-Wissenschaften, Physik, Rechts-Wissenschaften, Technologie, Wirtschafts-Wissenschaften.

Jedes Projekt wird durch mindestens drei Hochschulen getragen.

Mindestens 50% der Projektkosten müssen die beteiligten Universitäten, ETH und Fachhochschulen selbst beisteuern.

Der Swiss Virtual Campus startete mit einem Impulsprogramm. Von 2000 bis 2003 wurde Sachkenntnis in der Entwicklung von internetbasierten, interaktiven Online-Lerneinheiten aufgebaut.

Dafür standen insgesamt 41 Mio. Franken Bundesmittel für die Universitäten, ETHs und Fachhochschulen zur Verfügung.

Von 2004 bis 2007 läuft das Konsolidierungs-Programm. Finanziert wird es durch projektgebundene Beiträge nach dem Universitäts-Förderungsgesetz. ETH und die Fachhochschulen nehmen am Programm mit eigenen Mitteln teil.

An jeder Hochschule wurden Kompetenz-, Dienstleistungs- und Produktionszentren eingerichtet. Dort werden die entwickelten Projekte genutzt und unterhalten und neue Kurse entwickelt.

Ab 2008 gibt es keine Bundesbeiträge mehr. Die Hochschulen sollen dann genügend Kompetenz haben, dass sie alleine oder im Verbund weitere SVC-Projekte angehen können.

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