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Flüchtlingsströme: Neuer Plan zur Eindämmung

Ein Boot mit Dutzenden von Migranten, aufgebracht vor Gran Canaria. Keystone

Die neuen internationalen Richtlinien einer Konferenz in Marokko über die illegale Immigation aus Afrika sind laut Walter Fust "ein wichtiger erster Schritt".

Der Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit wünscht sich eine vermehrte Kooperation der betroffenen Länder, um die Ursachen der Migration sinnvoll anzugehen.

Als Repräsentant der Schweiz traf Walter Fust, Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), in der marokkanischen Hauptstadt Rabat mit Ministern und Staatssekretären aus fast 60 europäischen und afrikanischen Ländern zusammen, um über Migration und Entwicklung zu sprechen.

Die Teilnehmer der Konferenz, die am Dienstag zu Ende ging, beschlossen einen Aktionsplan, der aus 62 Empfehlungen besteht. Sie betreffen Themen wie die Überwachung der Grenzen, den Kampf gegen Schlepperbanden und die Effizienz der Entwicklungs-Zusammenarbeit.

“Alle sind sich bewusst, dass die Zeit ausläuft und dass die illegale Einwanderung nicht einfach mit Geld bekämpft werden kann, sondern dass es Gesetze, politischen Willen, gegenseitiges Verständnis und Perspektiven für die Jungen braucht”, so Fust.

Spanien und Marokko luden ein

Die Konferenz war von Spanien und Marokko einberufen worden, nachdem im vergangenen Herbst Armutsflüchtlinge aus Sahel-Ländern in Massen die Grenzanlagen der beiden spanischen Enklaven im Norden Marokkos gestürmt hatten. 14 Menschen waren dabei ums Leben gekommen.

Im laufenden Jahr sind die Migrantenströme in die Region der zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln ausgewichen, die von der Südseite Marokkos erreichbar sind.

10’000 afrikanische Immigranten sind bisher auf den Inseln gelandet – mehr als doppelt so viele wie während des ganzen vergangenen Jahres, sagt die in Genf ansässige International Organization for Migration.

40% der Flüchtlinge bezahlen mit dem Leben

Laut EU-Behörden sterben rund 40% der Flüchtlinge, die versuchen, das Mittelmeer auf dem Weg nach Europa zu überqueren.

Die Schweiz habe die Staaten in Rabat aufgefordert, “Entwicklungshilfe viel stärker als bisher an die Schaffung von Arbeitsplätzen zu koppeln”, sagte Fust. Auch sollen die Menschenrechte der Flüchtlinge besser respektiert werden.

Es bestehen, so der DEZA-Chef, weiterhin Differenzen auf beiden Seiten des Mittelmeers über die Art der Rahmenbedingungen, die afrikanischen Einwanderern legales Arbeiten in Europa ermöglichen könnten.

Flüchtlinge bald auch aus dem Osten Afrikas

Fust wies auch darauf hin, dass das Flüchtlings-Problem nicht nur Westafrika betreffe. Afrika müsse als ganzer Kontinent das Problem wahrnehmen und Antworten darauf finden.

“Die Debatte muss im Herzen der Afrikanischen Union gehört werden, denn die Flüchtlingsströme werden bald auch den Osten des Kontinents heimsuchen.”

Am Montag gab die EU bekannt, dass 3,9 Mio. Franken für Grenzpatrouillen in Mauretanien und für die Wiederheimführung von Flüchtlingen gesprochen worden seien.

Die EU hat Senegal und Mali als jene Länder bezeichnet, aus denen die meisten Armutsflüchtlinge stammen. Diese sollen demnach die Küsten-Nachbarländer Mauretanien und Marokko als Zwischenstation benutzen, um Europa zu erreichen.

Gegenüber swissinfo schätzte Fust die Wahrscheinlichkeit, dass die Schweiz weiteres Geld locker macht, als unwahrscheinlich ein. Das Entwicklungs-Budget für Afrika stehe für dieses Jahr schon fest. Eine Erhöhung der Gelder für das Flüchtlingsproblem hätte höchstens Einschnitte in anderen Entwicklungs-Bereichen zur Folge.

Der Konferenz in Rabat soll noch im laufenden Jahr eine zweite folgen, wiederum mit den Ländern der Europäischen und der Afrikanischen Union. Sie dürfte sich dann auf weiter östlich gelegene Flüchtlings-Routen beziehen.

swissinfo, Adam Beaumont und Agenturen
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Laut der globalen Kommission für internationale Migration hat die Anzahl Flüchtlinge bedeutend zugenommen.
Allein in Europa leben 56 Mio. Immigranten, wovon nur 5% politisch Verfolgte sind.
Vor 25 Jahren waren weltweit 82 Mio. Personen als Immigranten eingestuft worden. Heute sind es ungefähr 200 Millionen.
Allein in der Schweiz halten sich laut Bundesamt für Migration 130’000 Illegale auf.

Das Konferenz-Dokument von Rabat schlägt mehr Zusammenarbeit vor bei den Patrouillen an Küsten und Grenzen, ein Euro-Afrikanisches Beobachtungs-Zentrum von Flüchtlingsströmen und Massnahmen, um das Bewusstsein der Gefahren beim illegalen Migrieren zu erhöhen. Dies vor allem bei der Jugend der ärmsten Länder Afrikas.

Die Länder sind aufgerufen, ihre Rückführungs-Prozeduren anzugleichen und die Regeln zu klären, nach denen die Flüchtlinge zu behandeln sind, damit deren Menschenwürde nicht leidet.

Der Plan soll auch die positiven Seiten der Migration würdigen, indem beispielsweise mehr Afrikaner in Europa Studien nachgehen können, oder indem ein Euro-Afrikanisches Business Forum eröffnet wird.

Ausgewanderten soll die Möglichkeit geboten werden, in ihrer Heimat eine Existenz aufzubauen.

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