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Fondue: Wenig historische Tradition, viel Konsum

Geschmolzener Käse bringe Geselligkeit und gute Laune, so die Werbung. Schweiz Tourismus

Fondue ist ein Symbol des Zusammenseins, beinahe eine Metapher für die Schweiz und ihre Institutionen: Es ist eine delikate Mischung diverser Zutaten, und die Rituale der Zubereitung müssen präzis eingehalten werden.

Heftig wird über das Originalrezept diskutiert. Die Geschichte des Fondues birgt aber manche Überraschung.

Das Fondue scheint als helvetische Nationalspeise prädestiniert. Inhalt und die Art und Weise des Essens erinnern an die legendäre “Kappeler Milchsuppe”: 1529, nach der Schlacht von Kappel bei Baar, versammelten sich die Katholiken und ihre reformierten Gegner um eine grosse Pfanne, in der eine cremige Milchsuppe köchelte. Die Suppe der Katholiken wurde dann mit dem Brot der protestantischen Zürcher ausgelöffelt.

Verdienst der Konsumgesellschaft

Die Kappeler Milchsuppe als Ur-Fondue zu bezeichnen, wäre aber weder historisch noch kulturell gerechtfertigt. Die Verbreitung des Fondues ist auf die Konsumgesellschaft zurückzuführen, auf die industrielle Nahrungsmittel-Herstellung und den Käseberg. Die Käsebarone wollten den Schweizer Käse im Ausland bekannt machen und besser verkaufen.

Aus der Region Greyerz stammt die Gewohnheit, fetten Käse durch Erhitzen zu schmelzen und mit dem, was den Alphirten oder Viehzüchtern gerade so zur Verfügung stand, anzureichern. Diese Sitte breitete sich sehr wahrscheinlich vom 18. Jahrhundert an ins Flachland aus.

Originale in Frankreich und Italien

Der berühmte französische Richter und Schriftsteller Brillat-Savarin (1755-1826) bestreitet, dass die gastronomische Idee des Schmelzen etwas speziell Schweizerisches wäre. Nach dem Rezept im Werk “Physiologie du goût” (1825) spricht er aber doch von einem Gericht mit geschlagenen Eiern, Greyerzerkäse und Butter, gekocht zu einer cremigen Masse.

In der 1891 erschienenen “Scienza in cucina”, schreibt der italienische Literat Pelleggrino Artusi (1820-1911), dass er dem Käsefondue nicht sonderlich zugetan sei, ausser der Turiner Variante, “Cacimperio” genannt. Sie wurde mit Fontina-Käse und Milch zubereitet.

Damals sprach übrigens noch niemand von der heute charakteristischen Esssitte mit den Brotstückchen, die in die köchelnde Masse getunkt werden.

Die Romandie passt sich dem Fondue an

Die aktuellen Rezepte, die vorschreiben, den Käse mit Weisswein zu mischen, tauchten erst am Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Damit begann auch der Wettbewerb der verschiedenen Regionen der Romandie um die Vorherrschaft des “richtigen” Fondues auf der Basis der regionalen Käsemischungen.

Die Werbung für Fondue als helvetische Spezialität kam in den 1930er Jahren auf, um den Absatz des Schweizer Hartkäses zu fördern.

Seinen internationalen Ruf bekam das Fondue bei der Präsentation an der Weltausstellung 1940 in New York. Die Verbreitung in der ganzen Schweiz wurde ab den 60er Jahren gefördert, vor allem durch den verstärkten Absatz von industriell vorgefertigten Lebensmitteln, die sofort zum Verzehr bereit sein mussten.

Wenig originelles Geschenk

Die Konsumgesellschaft erleichterte den Fondue-Boom mit dem Verkauf des Zubehörs erheblich. Rechaud, Ton-Caquelon und spezielle Gabeln sind ein beliebtes, wenn auch nicht unbedingt originelles Hochzeitsgeschenk für Verwandte und Freunde.

Wie die Pizza kann auch das Fondue in unendlichen Variationen zubereitet werden. Da werden verschiedenste Käsesorten mit diversen Weinen gemischt, oder andere Flüssigkeiten wie Öl, Bouillon oder Schokolade köcheln mitten auf dem Esstisch.

Und in dieser heissen Masse wird mit Brot, Kartoffeln, Fleisch, Fisch, Gemüse oder Früchten gerührt.

Für die Silvesterfeier gibt es die Variante “chinoise”, das wahre Leibgericht von Herrn und Frau Schweizer.

swissinfo, Marco Marcacci,
(Übertragung aus dem Italienischen: Etienne Strebel)

Der Begriff Fondue ist abgeleitet vom französischen “fondre”, das schmelzen, zergehen lassen heisst.

Es gilt – duftend und leise vor sich hinbrodelnd – als ein urtümliches Schweizer Nationalgericht. Das Fondue fügt sich in die alte Schweizer Tradition des “Miteinanderessen aus einem Topf” ein.

Aus der Region Greyerz stammt die Sitte, fetten Käse durch Erhitzen zu schmelzen und mit anderen Dingen anzureichern. Schriftsteller in Frankreich und Italien bestritten, dass die gastronomische Idee des Schmelzens etwas speziell Schweizerisches wäre.

Die Verbreitung des Fondues ist allerdings weniger geschichtsträchtig als vielmehr geschäftsträchtig: Die Käsebarone wollten den Käseberg abbauen und das Schweizer Produkt im Ausland bekannt machen und besser verkaufen.

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