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Genf gibt Mutterschafts-Urlaub

Genferinnen brauchen nicht mehr für Mutterschafts-Urlaub zu demonstrieren, das neue Gesetz ist ab 1. Juli in Kraft. Keystone

Während auf Bundesebene im dritten Anlauf um eine Mutterschafts-Versicherung gerungen wird, setzt sie Genf am Sonntag (01.07) als erster Kanton der Schweiz in die Tat um. Andere Kantone wollen dem Beispiel folgen.

“Ein kleiner Schritt für die Schweiz, aber ein grosser Sieg für meinen Kanton”, freute sich Christiane Brunner, nachdem das Genfer Parlament im letzten Dezember die Mutterschafts-Versicherung angenommen hatte. Dies, nachdem die Mutterschafts-Versicherung in der eidgenössischen Abstimmung im Juni 1999 abgelehnt worden war – zum dritten Mal nach 1984 und 1987.

Einstimmig dafür

Genf hatte 1999 der eidgenössischen Vorlage mit einem 75-prozentigen Ja-Stimmenanteil zugestimmt. Exakt 18 Monate später verabschiedete der Genfer Grosse Rat einstimmig eine kantonale Vorlage. Aufgestaute Ungeduld und das im Kanton anstehende Wahljahr 2001 beflügelten den Gesetzgebungs-Prozess.

Und nun ist es soweit: Am 1. Juli, exakt zum fünfjährigen Jubiläum des Bundesgesetzes über die Gleichstellung von Frau und Mann, führt Genf als erster Kanton der Schweiz die Mutterschafts-Versicherung ein. Die obligatorische Versicherung, mit je 0,2 Lohnprozenten von den Sozialpartnern finanziert, gewährt allen im Kanton erwerbstätigen Frauen einen 16-wöchigen, zu 80 Prozent bezahlten Mutterschafts-Urlaub.

Arbeitgeber befürchten Chaos

Den Arbeitgebern war das Tempo eindeutig zu forsch: “Das Gesetz ist unserer Meinung nach voreilig abgeschlossen worden”, sagt Pierre Weiss, Berater der Genfer Arbeitgeber, gegenüber swissinfo. Er warnt vor einem Chaos bei der Umsetzung in den Ausgleichskassen. “Dieses Chaos wird sich n den nächsten Monaten zu Ungunsten der Frauen entwickeln.”

Weiter sieht Peter Weiss Probleme, falls sich auf Bundesebene der neue Vorschlag für einen Mutterschafts-Urlaub durchsetzen sollte. Dieser soll 14 Wochen dauern, zu 80 Prozent bezahlt werden und über die Erwerbsersatzordnung finanziert werden. ” Wir werden Kompatibilitäts-Probleme haben bei der Anpassung des Genfer-Gesetzes an eine künftige eidgenössische Mutterschafts-Versicherung”, zeigt sich Pierre Weiss überzeugt.

Gelassenheit im Sozialdepartement

Auf die Kritik reagiert das Genfer Sozialdepartement gelassen. Allfällige Anfangsschwierigkeiten seien überwindbar und von kurzer Dauer, sagt Paul-Olivier Valloton vom Departement gegenüber swissinfo. “Kein Gesetz ist perfekt”, sagt er. Im “schlimmsten Fall” – so Valloton – müssten sich die frischgebackenen Mütter etwas gedulden, bis die ihnen zustehende Versicherungsleistung ausbezahlt wird.

Bereits früher hatte Sozial- und Gesundheitsdirektor Guy-Olivier Sogond vor den Medien versichert, dass Problemfälle die Ausnahme bleiben würden.

Die kantonale Ausgleichskasse rechnet mit rund 3’000 Anträgen pro Jahr. Die Beiträge dürften sich auch rund 48 Mio. Franken jährlich belaufen. Ein Darlehen des Staates im Rahmen von 20 Mio. Franken in einen Ausgleichsfonds garantiert den Start der Versicherung.

Anderswo geht es etwas länger

Noch etwas länger gedulden müssen sich die Frauen im benachbarten Kanton Waadt. Die Regierung hat Ende Mai im Parlament versprochen, innert Jahresfrist einen Gesetzesvorschlag nach Genfer Modell vorzulegen. Im Kanton Neuenburg ist Anfang Juni eine entsprechende Volksinitiative der SP zustande gekommen.

Im Wallis nimmt in diesen Tagen eine ausserparlamentarische Kommission die Arbeit zum Thema auf – eineinhalb Jahre nach der überraschenden Annahme einer SP-Motion im Grossen Rat. Der Kanton hatte als einziger Westschweizer Stand die Mutterschafts-Versicherung an der Urne knapp verworfen – zusammen mit der Deutschschweiz.

Bestrebungen für die Einführung einer kantonalen Mutterschafts-Versicherung laufen zudem im Jura, in den beiden Basel sowie im Kanton Zürich. Andere Kantone – zum Beispiel Schwyz – lehnen eigene Lösungen mit Verweis auf das klare Volksverdikt vom Juni 1999 klar ab.

Kathrin Boss Brawand und Agenturen

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