Elektro-Fahrzeuge zwischen zwei Polen
Vor 25 Jahren sagte man dem Elektroauto eine rosige Zukunft voraus. Doch auch heute noch bleibt es teuer und selten. Anderseits hätte eine starke Zunahme solcher Fahrzeuge einige zusätzliche Atomkraftwerke zur Folge.
Fahrzeuge mit Elektromotor sind auch dieses Jahr am Genfer Automobilsalon gut vertreten. Im normalen Strassenverkehr jedoch bleiben sie sehr selten. 2009 entfielen auf 266’018 Neuzulassungen ganze 53 mit Elektromotor.
Die Probleme sind bekannt: Schwere Batterien, geringe Reichweite, hohe Preise, Ladenetz erst in Ansätzen vorhanden. Auch zahlreiche Versprechen seitens der Produzenten sind bisher nicht eingehalten worden: Bereits vor einem Jahrzehnt sprachen sie von der Lancierung von Serienfahrzeugen – auf die man bis heute wartet.
Seit einigen Jahren scheint die Branche den so genannten Hybrid-Antrieben Priorität zu geben. Diese verbinden die Vorteile des Verbrennungs-Motors mit der Sparsamkeit des Elektro-Antriebs. Mehr und mehr Konstrukteure schliessen sich den japanischen Pionieren dieser Technologie an.
Hybrid oder elektrisch?
«Am Salon in Genf kann man praktisch an jedem Stand ein Hybrid- oder Elektromodell – oder beides – sehen. Sogar Porsche oder Mercedes sind heute schon soweit», sagt Rudolf Blessing, Sprecher der Schweizer Fahrzeug-Importeure.
Sein Verband erwartet für die kommenden Jahre einen Zuwachs der Verkäufe von Hybridfahrzeugen, obschon sie in naher Zukunft noch relativ teuer bleiben werden.
«Das Problem ist, dass Hybrid- wie elektrische Motoren ziemlich viel teurer zu produzieren sind als herkömmliche Benzin- oder Diesel-Aggregate», so Blessing. Es mache deshalb wirtschaftlich wenig Sinn, ein kleines Hybridauto herzustellen.
Doch für Yves Lehmann, Präsident des Verbands e-mobile, wird der Elektromotor schliesslich die Oberhand gewinnen. e-mobile setzt sich seit 1980 für Fahrzeuge mit tiefem Energieverbrauch und schwachen Emissionen ein.
«Man beginnt jetzt langsam, wirklich gute Lösungen für eine anständige Radius-Reichweite von Elektroautos zwischen 120 und 200 Kilometer zu erarbeiten.» Ausserdem lasse sich der Tank resp. die Batterien schon in 12 bis 15 Minuten füllen – gerade genug Zeit für einen Kaffee auf der Autobahn-Raststätte.
15%-Szenario
Und wenn in zehn Jahren 15% der Fahrzeuge elektrisch getrieben sein sollten? Laut einer Studie des Stromkonzerns Alpiq würde das die Emissionen des Strassenverkehrs um 10% senken. Das wären ungefähr ein Zehntel der Gasreduktion, die einzuhalten sich die Schweiz in Kopenhagen verpflichtet hat.
Doch an diesen 15%-Anteil muss Lehrmann erst glauben wollen. Er spricht deshalb von seinem «optimistischen Naturell».
Im Lager der hartgesottenen Ökologen gibt man sich skeptisch. Cyrill Studer, Verantwortlicher der Greenpeace-Schweiz-Kampage «Klima und Transport», findet zwar, dass «Elektroautos auf Schweizer Strassen eine Zukunft haben könnten». Das wolle aber nicht heissen, dass er ihnen einen ökologischen Blankoscheck ausschreibe.
«Elektromotoren sind effizienter als Verbrennungs-Motoren», so Studer zwar. Doch blieben viele Fragen offen, auf die die Fahrzeughersteller keine Antwort bereit hätten.
«Zum Beispiel auf die Frage nach den seltenen Metallen»: Batterien, egal ob für Elektro- oder Hybridaggregate, brauchen viel Neodym, Terbium und Dysprosium – chemische Elemente, deren Preise nach oben schliessen und deren Suche in einen neuen Goldrausch münden könnte.
Dazu kommt Lithium, von dem es nur wenig Vorkommmen auf der Welt gibt, vor allem in Südamerika, Tibet und Australien.
Zwei weitere Atomkraftwerke?
Was die Ökologen vor allem stört, ist der Umstand, die Batterien der E-Fahrzeuge einfach am Stromstecker nachzufüllen. Im Wissen, dass 40% des Stroms in der Schweiz aus Atomkraftwerken stammt. Und dass mehr E-Autos den Bedarf nach Strom erhöhen, was eine Zunahme von Atomstrom zur Folge hätte.
Gemäss der Alpiq-Studie würde ein Elektro-Anteil von 15% beim privaten Wagenpark den Stromverbrauch um 1,2 bis 1,7 Mrd. Kilowatt erhöhen. Das wären 1,8 bis 2,6% der gesamten Schweizer Stromproduktion 2007.
Weniger optimistisch ist demgegenüber die Schätzung von Fabrizio Noembrini: Der Leiter der Gruppe ‹Energie Systems› der ETH Zürich hat ausgerechnet, dass ein Umschwenken von Verbrennungs- auf Elektromotoren den Stromverbrauch um rund 30 bis 40% erhöhen könnte. Und aus heutiger Sicht könnten nur ein oder zwei neue AKWs diesen Bedarf decken.
Auch wenn diese Schätzung sehr hoch ausfalle, so Studer, wissen die Ökologen, dass die Deckung dieses Zusatzbedarfs durch erneuerbare (Elektro-)Energien noch in weiter Ferne liege.
Oder eine andere Art von Mobilität?
Dies ist jedenfalls nicht das Ziel der NGO Greenpeace, die sich für «eine andere Mobilität» einsetzt. Zum Beispiel über Raumplanungs-Änderungen, die es den Leuten erleichtern, den Grossteil ihrer Mobilitätsbedürfnisse per Velo oder öffentlichen Verkehr abzudecken.
Und wenn es dann wirklich noch der Autos bedarf, so Studer, würde er lieber Kleinfahrzeuge nur für Personen sehen und nicht schwere Fahrzeuge, die «mehr Pferdestärken als Lastwagen aufweisen und in wenigen Sekunden von Null auf 100 km beschleunigen, also dem Ego schmeicheln».
«Zu viele Fahrzeugproduzenten, die zur Zeit auf elektrische oder hybride Antriebssysteme umschwenken, behalten in ihrem Kopf noch die alten Denkmuster», bedauert der Greenpeace-Vertreter. Für Studer wäre der beste Platz für diese traditionellen Fahrzeuge nicht mehr «die Strasse, sondern das Museum».
Marc-André Miserez, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle)
55% aus Wasser
39% aus Atom
5% Thermische Kraftwerke und andere.
53 auf 266’000: Dies ist die Relation von Elektrowagen an der Gesamtheit der 2009 neu zugelassenen Fahrzeuge in der Schweiz.
2008 waren es 21, 2007 19, 2006 7.
1,9%: Dies ist die Relation neuer Fahrzeuge, die 2009 mit alternativem Antrieb verkauft wurden.
Dazu zählen die Hybriden, und die mit Gas, Bioethanol oder Strom Angetriebenen.
30’000 à 60’000 Fr.: Soviel kosten Elektro-Fahrzeuge im Durchschnitt.
Die meisten dieser Fahrzeuge sind nichts anderes als bestehene Autos, denen man einen E-Antrieb eingebaut hat.
Sobald die Massenproduktion starten würde, sollte laut den Herstellern auch der Preis fallen.
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