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Gewerbe: mehr Reformen, weniger Steuern

Gewerbespitze (v.l.n.r.): SGV-Präsident Edi Engelberger, Pierre Triponez, Hans Rudolph Früh. Keystone Archive

Der Schweizerische Gewerbeverband unterstützt die bilateralen Verträge sowie die Marktöffnung, auch beim Strom. Neue Steuern lehnt er ab.

Als Dachorganisation vertritt der Verband die kleinen und mittleren Unternehmen KMU, die über 95% der Betriebe in der Schweiz ausmachen.

Skeptisch schaut der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) in die nahe Zukunft: Für 2005 rechnet er mit keinem echten wirtschaftlichen Aufschwung.

Hoffnungen hingegen setzt der Verband in das zweite Paket der bilateralen Verträge mit der EU und in die Ausweitung der Personenfreizügigkeit.

Die Schweiz sei dringend angewiesen auf einen freien, reibungslosen Handel mit der EU, sagte Präsident Edi Engelberger am Donnerstag an der Jahres-Medienkonferenz des SGV in Bern.

Der Verband werde deshalb alle Bestrebungen bekämpfen, welche die Bilateralen I oder II gefährdeten.

Ja-Parole zur Personen-Freizügigkeit



Damit stellt sich der SGV auch hinter die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Länder. Die flankierenden Massnahmen gegen Lohndumping werden befürwortet.

Zur Unterstützung solcher Massnahmen habe sich der SGV allerdings “ohne Begeisterung durchgerungen”, sagte Geschäftsleitungsmitglied Rudolf Horber.

Es sei nicht zu leugnen, dass auch Gewerbekreise befürchteten, Konkurrenten aus dem Ausland könnten sie mit Billiglöhnen unter Druck setzen. Der SGV werde deshalb seinem Parlament, der Schweizerischen Gewerbekammer, die Ja-Parole zur Personenfreizügigkeit empfehlen.

Mehr Biss für Rahmenbedingungen

Fürs laufende Jahr sind die Erwartungen des SGV gedämpft, wie Engelberger sagte. Das erwartete Wirtschaftswachstum von weniger als zwei Prozent sei zu gering, um die Situation auf dem Arbeitsmarkt deutlich zu verbessern. Dies wirke sich auch auf die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) aus.

Ideen für einen dauerhaften Wachstumskurs gebe es viele. Nur mit der Umsetzung hapere es. Der SGV werde sich deshalb mit “noch mehr Biss” für bessere Rahmenbedingungen für KMU in der Schweiz einsetzen. Ansetzen will er beim bürokratischen Aufwand und den Steuern.

Sorgen mit den Sozialwerken

Sorgen machen dem SGV vor allem die Sozialwerke. Die Kostenspirale drehe sich fast überall, sagte SGV-Direktor Pierre Triponez. Berufliche Vorsorge und Krankenversicherung würden immer teurer.

Die Suva habe die Prämien bei Berufs- und Nichtbetriebs-Unfallversicherung erhöhen müssen. Und auch um die AHV stehe es nicht rosig.

Die Leistungen bei den Sozialversicherungen dürften auf keinen Fall ausgebaut werden, sagte Triponez. Im Gegenteil: Der Gewerbeverband werde sich für eine Kostensenkung stark machen.

Keine höheren Kinderzulagen

Vehement wandte sich der SGV-Direktor auch gegen Pläne, die Kinderzulagen zu erhöhen. “Sollte das Parlament nicht auf unsere Linie einschwenken, werden wir die Lancierung eines Referendums ernsthaft in Erwägung ziehen”, kündigte er an.

Weiter gehende Entlastungen für die KMU fordert der Gewerbeverband zudem bei der Unternehmens-Steuerreform und im Strommarkt. Dieser müsse liberalisiert werden, damit die Tarife sinken, hiess es.

Gegen Subventionen und Hochpreisinsel



Reformen braucht es laut SGV-Präsident Engelberger in stark regulierten und abgeschotteten Bereichen. So sei fragwürdig, dass immer weniger Bauern den Staat immer mehr kosteten. Vom revidierten Binnenmarktgesetz und dem verschärften Kartellgesetz erhoffe er sich einen Beitrag zur Bekämpfung der Hochpreisinsel Schweiz.

Ja sagt das Gewerbe zu Sonntagsverkäufen in grossen Bahnhöfen und Flughäfen. Die “bescheidene” Lockerung des Arbeitsgesetzes könne verantwortet werden, sagte Geschäftsleitungsmitglied Peter Neuhaus.

swissinfo und Agenturen

Anliegen des Gewerbeverbands:

Öffentliche Finanzen: Ausgaben-Sanierung statt höhere Steuern.

Sozialwerke: Mehr Opfersymmetrie, das heisst zusätzliche Einnahmen nur bei Verzicht auf Ausbau und Sparen bei Leistungen.

Strukturreformen: mutige Reformschritte vor allem in den stark regulierten Bereichen. Keine Tabus, weder in Landwirtschaft, Strommarkt noch Entwicklungs-Zusammenarbeit.

Wettbewerb: Revision des Binnenmarkt-Gesetzes, verschärftes Kartell-Gesetz.

Als so genannte KMU werden Betriebe bezeichnet, die weniger als 250 Mitarbeitende beschäftigen.
In der Schweiz existieren 307’000 Unternehmen aller Art und Grösse.
Davon fallen 99,7% unter die Kategorie KMU.
Die KMU beschäftigen 66,8% der arbeitenden Bevölkerung.
87,9% aller KMU beschäftigen weniger als zehn Mitarbeitende.

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