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Gibt es eine Euro-Währungskrise?

Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, in Davos. Keystone

Die Debatte über die Euro-Krise führt zur Frage, ob es diese überhaupt gibt. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet ist der Meinung, die Krise einzelner Länder sei das Problem. Und bevor er in Davos konkret wurde, war er auch schon wieder weg.

Ticket 371 von insgesamt 400. Damit hat man es noch gerade geschafft, hineingelassen zu werden; einen Sitzplatz allerdings muss man sich hart erkämpfen, am Rand, neben den ungezählten TV-Kameras.

Die Aula der Schweizerischen Alpinen Mittelschule ist prallvoll. Auch die Stehplätze sind überfüllt.

Auffallend viele im Publikum tragen WEF-Badges, sind offizielle Teilnehmende an der Veranstaltung, zu der diese Diskussionsrunde am Open Forum eigentlich nur eine Nebenveranstaltung ist.

Das Thema lautet: Euro Grounding? Und die Besetzung auf dem Podium ist hochkarätig.

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, Nouriel Roubini, Professor an der Leonard N. Stern Business School der New York Universitiy, Gesprächsleiterin und einzige Frau auf dem Podium ist TV-Moderatorin Susanne Wille.

Weiter anwesend sind Patrick Odier, Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung und Mitinhaber einer Privatbank, Wilhelm Hankel, emeritierter Professor für Währung und Entwicklungspolitik der Goethe- Universität in Frankfurt und ein Vertreter Griechenlands, Dimitri Papalexopoulos, Besitzer einer Zementfirma. Er sei einer der wenigen, dem es nicht ganz schlecht gehe nach der Krise in Griechenland, sagt die Moderatorin.

Welche Art von Krise?

Was die Lösung wäre, um den Euro zu stabilisieren, fragt Susanne Wille zum Einstieg. Und schon scheiden sich die Geister auf dem Podium.

Soll der Euro überhaupt stabilisiert werden, oder soll man ihn abschaffen, wie Wilhelm Hankel meint? Es gebe ein Europa ohne den Euro, wie man vierzig Jahre lang gesehen habe. Jedes Land müsse selbst wirtschaften. Länder wie Griechenland sollten aus der Eurozone austreten. Es könnte zusammen mit den anderen EU-Ländern, die auch nicht bei der Währungsunion dabei sind, weiter in der EU bleiben.

Ganz anderer Meinung ist Jean-Claude Trichet: “Es gibt keine Euro-Währungskrise”, sagt der EZB-Präsident dazu. Einzelne Länder hätten Probleme, gewiss, aber dies betreffe nicht den Euro als Währung, sondern jene, die sich nicht an die Regeln gehalten hätten. Man habe in den Jahren 2004/2005 Regeln geschaffen. “Aber für die Wirtschaft ist nicht die EZB zuständig, sondern die einzelnen Länder.”

Auch Patrick Odier ist der Meinung, dass es keine Euro-Währungskrise an sich gebe, es seien vielmehr Krisen der einzelnen Länder.

Nouriel Roubini, der Professor, wegen dessen Aussagen sich gemäss der Moderatorin die Börsenkurse verändern, bleibt etwas zurückhaltend. Die Wirtschaft müsse stabilisiert werden, es brauche Arbeitsplätze.

Beschönigungen lässt hingegen Hankel nicht gelten: “Zwei Drittel der Euroländer sind bankrott oder jedenfalls fast”, sagt er.

Als Lösung für die Euro-Krise oder die Krise einzelner europäischer Länder sieht Trichet nur: “Harte Arbeit.” Und davon brauche es noch viel. Er lässt offen, was er damit genau meint.

Die Schweiz als Vorbild

Einig sind sich die Gesprächspartner erst, als die Moderatorin das Gespräch auf die Schweiz lenkt. Das Land habe eine starke Wirtschaft, wenig Arbeitslose und eine starke Währung. Sie habe die Finanzkrise gut überstanden und erziele schon wieder Resultate wie vorher, meint Trichet.

Den Griechen in der Runde scheint dies nicht zu wundern: “Die Schweiz hat seit Jahrzehnten stabile Institutionen, ein gutes Bildungswesen und eine starke Wirtschaft”, sagt Dimitri Papalexopoulos, “sie würde in jedem Umfeld bestehen”.

Ganz so optimistisch ist das Publikum im Saal nicht, jedenfalls jener Teil nicht, der keinen internationalen Blickwinkel hat. Die Leute stellen Fragen zur Spekulation, zu den Währungskäufen der Schweizer Nationalbank, die nichts gebracht hätten. Dass sie nichts gebracht haben, bestreitet auch Patrick Odier nicht.

Trichet muss die Veranstaltung schon vor dem Ende verlassen. Sein Sitz ist leer, noch bevor er konkreter werden konnte. Ihm tun es einige Leute gleich; sie verlassen den Saal, indem sie über ausgestreckte Beine klettern, über Taschen und Jacken steigen und schliesslich die Treppe zum Aufgang erreichen. Ob der Euro am Ende ist, ist immer noch offen. Offen ist auch, ob es überhaupt eine Euro-Währungskrise gibt.

Das Open Forum ist eine offizielle Nebenveranstaltung des World Economic Forums (WEF).

Es bietet die Möglichkeit, eine offene Auseinandersetzung über die Globalisierung und ihre Folgen zu führen.

Das Open Forum fand erstmals 2003 statt.

Es wird vom Schweizerischen Kirchenbund (SEK) und dem WEF durchgeführt.

Die Veranstaltungen sind kostenlos und finden in der Aula der schweizerischen Alpinen Mittelschule in Davos Platz statt.

Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hat am Donnerstag am WEF ein starkes Bekenntnis zum Euro abgelegt.

“Wir werden dem Euro niemals den Rücken kehren, wir werden den Euro niemals aufgeben”, sagte er in Davos.

“Der Euro buchstabiert Europa”, betonte der Staatspräsident. Er könne da auch für  die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sprechen.

Frankreich und Deutschland hätten drei barbarische Kriege hinter sich. “Jetzt ist Europa der stabilste Kontinent der Welt”, betonte Sarkozy.

“Wir lassen niemals zu, dass der Euro abgeschafft oder zerstört wird.” Wer gegen den Euro spekuliere, sollte vorsichtig sein, worin er investiere.

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