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Grenzfall Schweizer Bauer

Schweizer Bauern, die Land in Deutschland bewirtschaften, profitieren von der Schweiz und der EU. Das "doppelt kassieren" stört deutsche Bauern.

Das deutsche Bundesland Baden-Württemberg hat nun eine neue Pachtregelung erlassen. Die EU jedoch stellt sich quer.

Die Geschichte lehrt uns, dass in früheren Zeiten harsche Sitten entlang des Hochrheins geherrscht haben sollen. So hätten sich die Schweizer auf der einen, die Schwaben auf der andern Seite allerlei wüste Wörter über den Fluss hinweg zugebrüllt. “Kuhschweizer” und “Sauschwaben” sollen die gängigen Ausdrücke gewesen sein. Oft sei es zu Schlägereien gekommen, ab und zu gar zum Krieg.

Vergangene Zeiten? Ja und nein.

Tatsächlich herrscht zur Zeit wieder eine gespannte Stimmung – vor allem unter den Bauern – an der schweizerisch-deutschen Grenze. Auslöser ist der vom Bund wohl unterstützte Schweizer Bauer.

Aus dem Kanton Schaffhausen

Die “reicheren” Schweizer Landwirte können im deutschen Grenzgebiet Land kaufen oder pachten und dafür höhere Preise als ihre deutschen Kollegen bezahlen. Davon profitieren vor allem Schaffhauser Bauern, die ihre Höfe an der Grenze zu Deutschland bewirtschaften.

Derzeit sind rund 3500 Hektaren Landwirtschaftsland in Pacht oder Eigentum von Schweizer Landwirten. Die meisten stammen aus dem Kanton Schaffhausen. Das badische Landwirtschaftsministerium sagt, dass in den vier südbadischen Kreisen an der Schweizer Grenze bis 20% der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Schweizer Hand seien. In etlichen Dörfern liege der Anteil gar bei 60%.

Zollfrei in die Schweiz

Unter dem Stichwort “Landkaufsstreit am Hochrhein” herrscht schon seit einigen Jahren Missstimmung unter den badischen Landwirten. Auch seit Jahren versucht das Land Baden-Württemberg, gesetzliche Abwehrmassnahmen gegen die “Invasion” der Schweizer Bauern zu verfügen. Doch das ist gar nicht so einfach.

Stein des Anstosses, so die deutsche Seite, sei nicht so sehr, dass die Schweizer Bauern Land in Deutschland bewirtschafteten, sondern die Tatsache, dass sie doppelt dafür kassierten: Beiträge der EU und Landwirtschafts-Subventionen aus der Schweiz. Dazu könnten sie ihre Produkte zollfrei in die Schweiz re-importieren.

EU-Freizügigkeit

Der Geschäftsführer des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes, Gerhard Henninger, wetterte kürzlich in der “Basler Zeitung”: “Da werden mit deutschen Steuergeldern, die nach Brüssel fliessen, Bauern aus dem Nicht-EU-Land Schweiz unterstützt.”

Kurt Müller aus Thayngen im Kanton Schaffhausen ist ein solcher Schweizer Landwirt, der Land im deutschen Grenzgebiet bewirtschaftet. Er sagt gegenüber swissinfo, dass es zwei Arten Land für Schweizer Bauern in Deutschland gebe: Einmal das “angestammte”, das seit der Zeit vor 1983 durch Schweizer Landwirte bestellt werde und dann das “nicht angestammte” (nach 1983).

“Für das angestammte Land bezahlt die Schweiz 50% der Direktzahlungen, welche die Bauern in der Schweiz erhalten. Für das nicht angestammte Land gibt es keine Direktzahlungen”, sagt Müller.

Tatsächlich erhalte er auch Anbauprämien von der EU. Das auch als Schweizer, denn er bewirtschafte Land in der EU. “Die EU unterscheidet da nicht nach Herkunft des Bauern.”

Nicht EU-Land

Und genau die Tatsache, dass die EU Landwirte ünterstützt, deren Bauernhof nicht auf EU-Territorium liegt, stört die deutsche Seite.

Nur, die Schweiz hat mit der EU ein Freizügigkeitsabkommen geschlossen, und für die Schweiz ist klar: Das Abkommen gilt auch für Schweizer Landwirte. Die deutsche Seite ist der Meinung, das Abkommen gelte nur für Bauern, welche ihren Hof in der EU hätten.

Die deutschen Bauern stört weiter, dass die Schweizer bessere Preise für das Land bezahlen könnten, weil sie höher subventioniert seien. Deshalb will das Land Baden-Württemberg ein neues Gesetz erlassen.

Demnach könnte das Bundesland einschreiten, wenn die Preise 120% über dem Verkehrswert liegen. Bisher lag die Schwelle bei 150%. Der deutsche Bundesrat, die Länderkammer, hat den Weg für dieses Gesetz nun freigemacht.

Kurt Müller meint dazu: “Brüssel hat bislang Beschränkungen abgelehnt und auch jetzt ist noch nichts entschieden.”

Nicht illegal

Müller weist auch darauf hin, dass vor 20, 30 und mehr Jahren viele deutsche Bauern die Landwirtschaft an den Nagel hängten und sehr viel Land zum Kauf oder zur Pacht ausgeschrieben wurde. “Wir tun hier nichts Illegales, viele deutsche Landwirte kamen zu uns in die Schweiz und boten Land an.” Erst in letzter Zeit sei ein Generationenwechsel festzustellen. “Die Jungen wollen wieder bauern und brauchen Land.”

Doch, so Kurt Müller, man solle sich jetzt nicht vorstellen, dass die Atmosphäre vergiftet sei, dass und Schweizer und deutsche Bauern Krieg führen würden. “Wir haben nach wie vor ein gutes Verhältnis”. Allerdings, das gebe er zu, wäre es auch falsch zu sagen, die Geschichte belaste das Verhältnis gar nicht.

Auch die Schweiz will die Lage entspannen. Nicht zuletzt deswegen, weil auch Schweizer Bauern ohne Land im Ausland zu murren beginnen. Das Bundesamt für Landwirtschaft vermeidet ab sofort Doppelzahlungen an Bauern mit Land in Deutschland. Ende Mai erklärte es, man werde die Schweizer Direktzahlungen kürzen.

swissinfo, Urs Maurer

Rund 120 Schweizer Landwirte bewirtschaften etwa 3500 Hektaren Acker- und Grünland im deutsch-badischen Grenzgebiet.

Die EU bezahlt Beihilfen von 300 Euro pro Hektare Ackerland und 70 Euro pro Hektare Grünland.

Die Schweiz leistet pro Hektare Ackerland 900 Franken Direktzahlungen.

Im Ausland gilt das nur für Landwirtschaftsland, das vor 1983 erworben oder gepachtet wurde.

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