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Hü und Hott an der Börse

Die kurzzeitige Erholung an den Börsen in der ersten Jahreshälfte sorgte für Freude. Keystone

Seit März wird an der Börse wieder eingekauft. Doch die Wirtschaftsprognosen werden ständig nach unten korrigiert.

Deshalb sind sich viele Experten einig: Die Märkte bleiben vorerst volatil. Und eine nachhaltige Erholung lässt weiterhin auf sich warten.

Die gute Nachricht zuerst: In den letzten 3 Monaten kam es an den Börsen zu einer spürbaren Erholung. So stieg der Swiss Market Index (SMI) seit seinem Jahrestief im März (3618 Punkte) bis Ende Juni um gut einen Drittel. Im Januar hatte der SMI noch mit 4630 Punkten eröffnet.

Auch andere Börsen in Europa und den USA legten im ersten Halbjahr zu, so der Dow Jones Index in den USA um 20%. Von irgendwelchen vergangenen Höchstständen aber bleiben die Börsen meilenweit entfernt: Der SMI liegt noch immer um 40% tiefer als im Sommer 2000.

Auslöser für die Erholung war die Erwartung eines schnellen Endes des Irak-Krieges gewesen, was sich als vorerst richtig herausstellte. Dazu kam die Hoffnung, die Talsohle an den Börsen sei endgültig erreicht.

Experten halten sich mit bedeckt

Die schlechte Nachricht ist: Die Erholung der Aktienkurse in den letzten drei Monaten wird vor allem auf das rasche Ende des Irak-Krieges zurückgeführt.

Die Anleger investieren eher kurzfristig. Ein weiteres Indiz dafür, dass vielleicht doch noch keine echte Stabilität eingekehrt ist, lässt sich am weiterhin hohen Goldpreis erkennen. Dieser erfüllt seit jeher die Funktion eines “Save Haven” in unsicheren Zeiten.

Niemand weiss, wie es im zweiten Halbjahr weiter geht. Tatsache ist, dass die Wirtschaftsprognosen laufend nach unten korrigiert werden.

Der aktuelle Stand: Kein Wachstum in der Schweiz im Jahr 2003 und ein Wachstum von unter einem Prozent im nächsten Jahr. Die Schweiz ist zudem stark abhängig vom Hauptexportland Deutschland, das ebenfalls von einer Wirtschaftsflaute heimgesucht wird.

Andererseits spiegelt der Börsentrend in erster Linie die Erwartungen: Es gab auch schon langfristige Aufwärtsbewegungen in Aktienpreisen, während die Realwirtschaft in der Rezession verharrte.

Rückschläge nicht ausgeschlossen

Viele Schweizer Experten glauben jedoch, dass der Tiefststand vom März nicht mehr so schnell erreicht wird.

Einigkeit herrscht auch darüber, dass die Aktienmärkte weiterhin volatil bleiben und in naher Zukunft kein Kursfeuerwerk zu erwarten ist. Die Analysten sind sich nicht einig, was für Folgen aus dem Aufwärtstrend der letzten drei Monate zu ziehen sind.

Positives von Peter Wuffli

Peter Wuffli, Chef der grössten Schweizer Bank, der UBS, deutete diese Woche an, dass der nun über zwei Jahre andauernde “Bärenmarkt” nun eventuell auslaufen könnte. Doch er ging nicht soweit, dass er die letzten Aufwärtsmonate nun schon als “Bullenmarkt” bezeichnen würde.

Harald Zahn, SMI-Analyst bei Credit Suisse, gibt sich pragmatisch: “Nach dem Platzen einer Blase kommt es oft zu so Rallies im Bereich von 20 bis 30% Steigerungen”. Er glaubt nun nicht mehr so ganz an weitere Zuwächse in der gleichen Grössenordnung fürs zweite Halbjahr. “Wir erwarten eher ein einstelliges Wachstum im Aktienbereich für 2003”.

Schliesslich deuten die wichtigsten Wirtschafts-Kennzahlen weiterhin auf Stagnation hin. Die Zinsen haben mancherorts historische Tiefststände erreicht, der Spielraum zur Ankurbelung der Wirtschaft ist also nahezu ausgeschöpft, auch in der Schweiz. Rückschläge sind also nicht ausgeschlossen.

Konsum bricht langsam weg

So ist auch die Arbeitslosigkeit in den letzten Monaten gestiegen, und es winken wieder höhere Sozialversicherungs-Beiträge. Viele Menschen drüften zum Schluss kommen, nun sei Sparen angesagt.

In der Schweiz gibt es denn auch Hinweise, dass der bis anhin verlässliche private Konsum langsam weg zu brechen droht.

Immerhin konnten viele Pensionskassen durch die kurzzeitige Erholung der Aktienkurse das Ausmass ihrer Unterdeckung eindämmen beziehungsweise diese beheben.

Negative Daten aus den USA

Wichtige Kennzahlen aus den USA haben mittlerweile wieder zu Verlusten an den Börsen geführt, auch in der Schweiz.

So enttäuschte die wichtigste Wirtschaftsnation der Welt die Anlegergemeinde am Donnerstag mit negativen Konjunkturdaten: Die Arbeitslosen-Quote im Juni stieg mit 6,4% auf ein Neun-Jahreshoch.

Bereits am Tag zuvor hatte das Land mit einer anderen wichtigen Kennzahl, dem Einkaufsmanager-Index für Unmut gesorgt. Der Index weist auf eine Schrumpfung der Industrie hin. Auch die Einkaufsmanager-Indizes der Euro-Zone und der Schweiz liegen alle unter der kritischen Marke von 50%.

Bald wird man auch über den Zustand der Unternehmen in der Schweiz mehr wissen: Ab der zweiten Julihälfte präsentieren diese ihre Halbjahresberichte.

swissinfo, Elvira Wiegers

Zwischen März und Juni haben sich die Börsen weltweit kräftig erholt.

Laut den Experten bleiben die Märkte allerdings volatil.

Die laufende Abwärts-Korrektur der Wirtschaftsprognosen deuten nicht auf eine nachhaltige Erholung hin. In der Schweiz herrscht Stagnation, in anderen Ländern sogar Rezession.

Weitere Rückschläge an den Aktienmärkten sind also nicht ausgeschlossen.

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