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Internet-Debakel stürzt Vontobel in Krise

Jörg Fischer muss seinen Hut nehmen. Er habe seine Aufsichtspflicht verletzt. Keystone Archive

Das Scheitern der geplanten Internet-Bank "y-o-u" stürzt die traditionsreiche Zürcher Privatbank Vontobel in eine Krise. Das Institut gab am Donnerstag die fristlose Entlassung des Verwaltungsrats-Präsidenten, eines weiteren Verwaltungsrats sowie des Finanzchefs bekannt.

Laut der Mitteilung sind die Kosten der Liquidation des Internet-Projekts höher als erwartet. Sie liessen sich heute noch nicht abschätzen. Der letztjährigen Jahresrechnung werden deshalb weitere 100 Mio. Franken belastet.

Insgesamt drückt die Internet-Pleite die letztjährige Rechnung damit um mehr als 250 Mio. Franken. Aus der ursprünglich angekündigten Gewinnerhöhung wird nichts, auch der Antrag auf Dividenden-Erhöhung wird rückgängig gemacht.

Aktien unter Druck

An der Schweizer Börse sind die Aktien der Vontobel Holding massiv unter Druck geraten. Der Aktienkurs gab in den ersten 20 Handelsminuten um 560 Franken oder 17,7 Prozent auf 2’600 Franken nach. Am Mittag lagen die Aktien noch 13,5 Prozent unter dem Wert des Vortages. Die Papiere der von Vontobel gemanagten Private Equity Holding gaben bis zum Mittag sogar über 20 Prozent nach.

Köpferollen

Das Debakel löste auch ein Köpferollen auf der Chefetage aus. Der Delegierte des Verwaltungsrats der Vontobel Holding AG und Präsident der Bank Vontobel AG, Jörg Fischer, wurde am Mittwoch fristlos entlassen. Gleiches gilt für den stellvertretenden Vorsitzenden der Geschäftsleitung der Bank Vontobel AG, Hans-Peter Bachmann, sowie für den Finanzchef der Bankengruppe, Walter Kaeser.

Fischer und Kaeser sollen laut Mitteilung ihre Führung und Aufsichtspflichten gegenüber Bachmann vernachlässigt haben. Fischer wird zudem vorgeworfen, er habe seine Kontrollaufgaben als Verwaltungsrat des Internet-Projekts nicht wahrgenommen. Bachmann sass ebenfalls im Verwaltungsrat des Projekts; ihm werden möglicherweise auch Unregelmässigkeiten und Kompetenz-Überschreitungen vorgeworfen, wie aus der Mitteilung hervorgeht.

EBK ist informiert

Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) ist am Mittwochabend über die fristlosen Entlassungen an der Spitze der Vontobel-Gruppe informiert worden. Dies sagte der Direktor des EBK-Sekretariats Daniel Zuberbühler am Donnerstag auf Anfrage, ohne den in der jüngeren Geschichte der Schweizer Banken beispiellosen Vorgang zu kommentieren.

Auf die Funktion des entlassenen Jörg Fischer bei der Schweizer Börse angesprochen, sagte der EBK-Direktor, die Organe der Börse müssten Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung bieten. Diese Frage stelle sich nach der Entlassung Fischers bei Vontobel im Falle von dessen Verwaltungsrats-Präsidium bei der Börse, lasse sich zurzeit aber nicht beantworten, sagte Zuberbühler. Ein finanzielles Problem bei der Bank Vontobel hinsichtlich der Kosten des gescheiterten Internet-Projekts besteht angesichts der ausreichenden Kapitalisierung des Instituts aus aufsichtsrechtlicher Sicht nicht, wie Zuberbühler bestätigte.

swissinfo und Agenturen

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