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Investoren-Gruppe will Sulzer übernehmen

InCentive-Chef René Braginsky. Keystone

Die Zuger Beteiligungs-Gesellschaft InCentive Capital will den Winterthurer Technologie- und Maschinenkonzern Sulzer ganz übernehmen. Für die Übernahme will die schon bisher grösste Sulzer-Aktionärin bis zu 1,2 Mrd. Franken zahlen.

“Mit unserem Übernahmeangebot versuchen wir zu retten, was zu retten ist”, erklärte InCentive-Chef René Braginsky am Montag (19.02.) an einer Medienkonferenz. Als Hauptaktionärin mit einem Sulzer-Anteil von 15 Prozent wolle die Investment-Gesellschaft den vom Management mehrmals versprochenen Neubeginn endlich in die Tat umsetzen.

“Wir suchen eine konstruktive Lösung für die Aktionäre, das Unternehmen und die Beschäftigten”, versicherte Braginsky. Der Sulzer-Industrieteil, dessen Wert auf eine Milliarde Franken geschätzt wird, soll mit InCentive fusioniert werden. Was anschliessend geplant ist, liess Braginsky offen: “Wir könnten damit leben, dass einzelne Bereiche – wie von Sulzer-Chef Ueli Roost angekündigt – verkauft werden”, sagte er.

InCentive Capital habe die Entwicklung bei Sulzer mit einer gewissen Besorgnis verfolgt, begründete der InCentive-Verwaltungsratspräsident, der frühere Präsident der Deutschen Bundesbank Karl Otto Pöhl, die Offerte. Man sei davon ausgegangen, dass Sulzer ungehobenes Potenzial berge.

Keine Zerschlagung geplant

Noch machte die Beteiligungs-Gesellschaft keine konkreten Angaben zu ihren Absichten bezüglich der Sulzer-Industriesparte. “Wir haben industrielle Interessen”, hielt Braginsky fest. Jedenfalls habe InCentive nicht vor, den Konzern zu zerschlagen und aus dem Verkauf der Einzelteile Profit zu schlagen.

InCentive habe bewusst noch nicht mit Sulzer über die Übernahmepläne gesprochen. Nun werde rasch das Gespräch mit dem Sulzer-Management über die künftige Strategie gesucht. “Wir wollen endlich Klarheit darüber, wohin die Reise geht”, forderte Braginsky. Er wolle keine grundsätzlich neue Strategie, aber endlich durchziehen, wovon Sulzer bislang nur gesprochen haben.

Sulzer überrascht

Der Sulzer-Konzern zeigte sich am Montag überrascht. Das Unternehmen sei vorgängig nicht kontaktiert worden, gab Sulzer-Sprecher Markus Niederhäuser bekannt. Von einer “unfreundlichen Übernahme” wollte er nicht sprechen. Sulzer prüfe erst das Angebot und werde danach Stellung nehmen.

Der InCentive-Chef liess offen, ob er das Management neu besetzen will. In den Übernahmebedingungen fordert InCentive den Rücktritt aller amtierenden Verwaltungsräte.

Medica soll selbständig werden

Die Übernahme finanziert InCentive zum Teil mit dem Verkauf von Sulzer Medica, die derzeit noch zu 74 Prozent dem Sulzer-Konzern gehört. Sie soll im Rahmen der Übernahme den Sulzer-Aktionären verkauft werden. “Als unabhängiges Unternehmen kann Medica ihr Potenzial besser entfalten”, erklärte Braginsky.

Damit offeriert InCentive den Publikumsaktionären, die derzeit rund 80 Prozent von Sulzer besitzen, für jede Sulzer-Aktie zwei Namensaktien von Sulzer Medica. Zusätzlich bietet sie wahlweise entweder 410 Fr. pro Aktie in bar oder 0,9 Inhaberaktien von InCentive im Wert von 432 Fr. an. Entscheiden sich alle Aktionäre für die Barzahlung, beträgt der Kaufpreis rund 1,2 Mrd. Franken.

Beim Barangebot profitierten verkaufswillige Aktionäre von einer Prämie von 10,8 Prozent auf die Sulzer-Aktien, sagte Braginsky. Im Falle des Aktientauschs betrage die Prämie 12,8 Prozent.

Das definitive Übernahmeangebot wird gemäss InCentive-Angaben am 30. März veröffentlicht. Die Offerte gilt nur, wenn InCentive nach Ablauf der Abgebotsfrist über mehr als 67 Prozent der Sulzer-Aktien verfügt.

Die Börse regierte positiv auf das Angebot. Die Aktie der Sulzer AG stieg am Montag auf den Schlusskurs von 1.172,09 Franken, was im Vergleich zum Vortag einer Zunahme von 6,5 Prozent entspricht. Der Swiss Market Index lag dagegen mit 7.770 Punkten lediglich mit 0,2 Prozent im Plus. Weniger gut ging es den Aktien von Sulzer Medica, die um 1,9 Prozent auf 397,5 Franken nachgaben.

Aktive Investorengruppe

Die Anlagegesellschaft InCentive Capital AG ist erst seit vergangenem Jahr an der Schweizer Börse kotiert. Trotzdem hat die seit über 15 Jahren bestehende Investorengruppe schon mehrmals für Aufsehen in der Schweizer Industrie gesorgt.

So erwarb das Beteiligungsunternehmen 1986 eine Mehrheit am Industriekonzern Atéliers des Charmilles. Den grossen Gewinn erzielte sie 1994 mit dessen Verkauf an Alcatel. 1987 kam InCentive Investment zu einer Mehrheit bei der Uhrenfirma Reventa-Henex. Ein Jahr später erfolgte ein spektakulärer Einstieg bei der Schaffhauser Giesserei- und Maschinengruppe Georg Fischer (GF).

Die letzte grössere Transaktion der Zuger Gruppe war die Minderheitsbeteiligung an der Bâloise-Versicherungsgruppe im Jahr 1998. In einem Jointventure mit der Zurich-Gruppe besitzt sie seither 23 Prozent an Bâloise.

swissinfo und Agenturen

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