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Ja zum Partnerschafts-Gesetz: Keine Revolution

In Zukunft können in der Schweiz auch Schwule und Lesben ihre Partnerschaften rechtlich absichern lassen. Keystone

Schwule und Lesben erhalten in der ganzen Schweiz die Möglichkeit, ihre Partnerschaft rechtlich abzusichern und beim Zivilstandsamt einzutragen. Das Ja des Stimmvolks war keine Überraschung.

Mit dem neuen Gesetz zieht die Schweiz die Konsequenzen aus einer gesellschaftspolitischen Entwicklung der letzten Jahre.

Zahlreiche andere Länder in Europa kennen eine rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare bereits; sie gehen teilweise weiter als das nun angenommene Gesetz. Die Schweiz ist aber das erste Land, das die rechtlich verankerte Homosexuellen-Partnerschaft per Volksentscheid einführt.

Die Befürworter des neuen Gesetzes zeigten sich sehr erfreut. Sie sehen das Ja in erster Linie als Zeichen der Akzeptanz und Offenheit gegenüber einer Gruppe der Gesellschaft, die bis vor einigen Jahrzehnten extrem marginalisiert worden war.

Keine traditionelle Ehe

Bisher waren schwule oder lesbische Paare in der Schweiz in verschiedenen Lebensbereichen benachteiligt. Das neue Partnerschafts-Gesetz erlaubt es nun, solche Lebensgemeinschaften rechtlich zu regeln.

Eine Familie im traditionellen Sinne können eingetragene gleichgeschlechtliche Paare jedoch nicht gründen: Sie dürfen keine Kinder adoptieren. Auch bleibt ihnen der Zugriff auf die Fortpflanzungsmedizin verboten.

Der Ja-Entscheid mit 58% der Stimmen war keine Überraschung mehr. Letzte Umfragen hatten klar auf eine Annahme der Vorlage hingewiesen. Zur Abstimmung gekommen war es, weil religiöse und rechts-konservative Kreise gegen das Gesetz das Referendum ergriffen hatten.

Zeichen der Offenheit

Nach Ansicht der Befürworter haben die Stimmenden der eingetragenen Partnerschaft aus Gründen der Toleranz zugestimmt. Das Ja wurde generell als Zeichen der Offenheit in gesellschaftspolitischen Fragen interpretiert.

Das Verbot von Adoption und künstlicher Befruchtung dürfte zum klaren Ja beigetragen haben. Sachliche Argumente haben das Stimmvolk offensichtlich überzeugt. Das Ja war ein realistischer Entscheid, welcher der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre Rechnung zollt.

Widerstand aus katholischen und ländlichen Kreisen

Das Stimmvolk setzte ein deutliches Zeichen der Akzeptanz von schwulen und lesbischen Paaren: In 19 der 26 Kantone wurde das Gesetz angenommen. Am deutlichsten in den beiden Basel, danach kam Zürich, wo sich gleichgeschlechtliche Paare nach kantonalem Recht schon heute registrieren lassen können, wie übrigens auch in Genf und Neuenburg.

Widerstand regte sich besonders in ländlichen und mehrheitlich katholischen Kantonen. Abgelehnt wurde die Vorlage in den Kantonen Schwyz, Jura, Uri, Thurgau, Tessin, Wallis und Appenzell-Innerrhoden.

Offensichtlich fielen die Argumente der Schweizerischen Volkspartei, der Schweizer Demokraten, der katholischen Bischofskonferenz sowie der evangelischen Parteien EVP und EDU, die das Referendum ergriffen hatten, in diesen ländlichen und überwiegend katholischen Regionen auf fruchtbareren Boden als in den urbanen Regionen.

Enttäuschte Gegner

Der Zürcher Nationalrat und EVP-Präsident Ruedi Aeschbacher zeigte sich enttäuscht. Das Ja werde zu einer weiteren Homosexualisierung der Gesellschaft führen.

Man wolle sich nicht mehr an bewährte Normen und Richtlinien halten, so der EVP-Politiker. Die Gesellschaft werde mit dem Ja zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft noch beliebiger.

Ähnlich reagierte Christian Wanner von der EDU. Als Demokrat müsse er das Resultat anerkennen, sagte er gegenüber swissinfo. Aber: “Die Gesellschaft wird in Zukunft homosexueller werden.”

Absurde Argumente

Für die Befürworter der Partnerschaft waren solche Aussagen schon im Vorfeld der Abstimmung ein absurdes Argument, das offensichtlich auch bei der Mehrheit der Stimmbevölkerung auf taube Ohren stiess.

Die Schweizer Homosexuellen-Organisationen zeigten sich denn auch erfreut über das klare Ja zum neuen Gesetz. Sie interpretieren das Votum des Stimmvolks als eine symbolische Anerkennung ihrer Lebensweise. Das Volk habe Offenheit und Mut gezeigt.

“Wir sind sehr glücklich, dass das Schweizer Stimmvolk der eingetragenen Partnerschaft zugestimmt hat”, erklärte Christian Verdon von den Befürwortern gegenüber swissinfo. Das Ja gebe gleichgeschlechtlichen Paaren ein Element der Sicherheit. “Und es zeigt, dass wir eine pluralistische Gesellschaft sind, die ihre Minderheiten schützt. Heute haben Homosexuelle ihren Platz in der Gesellschaft.”

swissinfo, Rita Emch

19 der 26 Kantone sagten Ja zum Partnerschafts-Gesetz. Am deutlichsten Ja sagte der Kanton Basel-Stadt mit 68,6%.

Abgelehnt wurde das Gesetz am deutlichsten im Kanton Appenzell-Innerrhoden mit 58,4%. Als einziger Kanton der Romandie lehnte der Jura die Vorlage ab.

Eher unerwartet sagten auch einige katholische Kantone Ja.

Schwule und Lesben können mit dem neuen Gesetz ihre Partnerschaft auf dem Zivilstandsamt registrieren lassen.

Für solche Paare gelten dann weitgehend die gleichen Rechte und Pflichten wie für Ehepaare, namentlich bei Erbschaft, Steuerrecht und Sozialversicherung.

Ein gewichtiger Unterschied zur traditionellen Ehe bleibt: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen keine Kinder adoptieren und haben keinen Zugriff auf Fortpflanzungs-Medizin.

Bevor Schwule und Lesben im ganzen Land ihre Partnerschaften registrieren lassen können, müssen sie sich noch etwas gedulden: Das neue Gesetz dürfte auf den 1. Januar 2007 in Kraft treten.

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