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Kein “Absturz” – ein Anschlag

Vom Schweizer Generalkonsulat in New York aus hatte man die Türme des World Trade Center sehen können. "Zuerst dachten wir, es handle sich um einen Absturz", erinnert sich Annelise Strankmann, die am Empfang gearbeitet hatte, an die Momente nach dem ersten Einschlag.

Im Generalkonsulat arbeiteten damals etwa 25 Personen. “Als klar war, dass es um einen Anschlag ging, wurden ausser mir alle lokalen Angestellten evakuiert. Im Büro zurück blieb nur das diplomatische Personal.

Und ich blieb, um die Telefon-Zentrale zu bedienen. Bei einer notfallmässigen Sitzung wurden die Aufgaben verteilt.”

Was sich im Konsulat an dem Tag alles abspielte, kann Strankmann nicht sagen, da sie am Empfang war und vor allem Anrufe durchstellte. Der Ansturm sei an diesem Tag nicht so gross gewesen. “In den folgenden Tagen erhielten wir jedoch viele Anrufe von Schweizern, die sich um ihre Angehörigen sorgten.”

Suche nach Schweizer Opfern

Zu den Aufgaben des Konsulats gehörte die Suche nach allfälligen Schweizer Opfern. Einige der rund 19’000 registrierten Schweizerinnen und Schweizer in und um New York wohnten in der Umgebung der Anschlagsstelle, etliche konnten damals während Tagen nicht kontaktiert werden.

Angestellte des Generalkonsulats suchten in allen Spitälern nach möglichen Schweizer Verletzten. “Das war keine einfache Aufgabe, mehrere Tage ging jemand von Spital zu Spital”, sagt Strankmann.

In den ersten Tagen hatten mehr als 700 Schweizerinnen und Schweizer als vermisst gegolten. Darunter waren viele Touristen, von denen Anghörige oft nur wussten, dass sie sich irgendwo in den USA befanden.

Sie selber kriegte am Tag der Anschläge von der Stimmung draussen nicht viel mit, da sie im Konsulat bleiben musste. “Für meine evakuierten Kolleginnen und Kollegen, welche all die in Panik flüchtenden Menschen in den Strassen sahen, war es jedoch eine sehr belastende Erfahrung. Sie wollen bis heute kaum darüber sprechen.”

Die schlimmsten Bilder seien für sie bis heute jene, in denen man verzweifelte Menschen aus den Fenstern in die Tiefe springen sehe, betont Strankmann.

Anpassungsfähigkeit

Sie habe sich nie ernsthaft mit dem Gedanken herumgeschlagen, New York nach den Anschlägen zu verlassen. Sie habe zwar für eine Weile beim Fahren mit der Subway etwas ein mulmiges Gefühl gehabt und auch mehr Angst vor dem Fliegen. Und wenn sie ein Flugzeug nah an einem Wolkenkratzer vorbeifliegen sehe, tauchten Erinnerungen an die Anschläge auf.

“Aber es ist erstaunlich, wie der Mensch sich trotz den schrecklichen Ereignissen anpassen und mit neuen Situationen umgehen kann. Das Leben geht weiter. New York hat sich nicht unterkriegen lassen.”

Auf dem Konsulat kamen in den Tagen nach dem 11. September vor allem Touristen vorbei. “Einem Paar mussten wir zum Beispiel helfen, seine Sachen aus dem evakuierten Hotel zu erhalten, das nicht mehr zugänglich war, weil es sich in der Sperrzone befand.”

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