Keine Entschädigung für Schweizer Opfer im Ausland
Bei der Totalrevision des Opferhilfegesetzes ist der Ständerat der grossen Parlamentskammer gefolgt und hat entschieden, Schweizer Opfer von Straftaten im Ausland künftig nicht mehr zu entschädigen.
Gegen den Widerstand von linker Seite entschied der Rat, eine finanzielle Obergrenze für Genugtuungszahlungen an Opfer und deren Familien einzuführen.
Im Rahmen der Totalrevision des Gesetzes hatte der Nationalrat die Einschränkung des Geltungsbereichs schon letzten Sommer angenommen.
Dort hatte sich die Linke mit dem Argument gegen die Revision gewehrt, dass Opfer wie jene des Luxor-Attentats und ihre Angehörigen keine Entschädigung oder Genugtuung mehr bekämen.
In der kleinen Kammer doppelte die Sozialdemokratische Partei (SP) nach: Pierre Bonhôte zeigte sich “schockiert” über die Streichung und bezeichnete sie als verfassungswidrig. Zudem sei es auch Zweck der Opferhilfe, zu verhindern, dass Opfer in eine finanzielle Notlage gerieten.
Reisen auf eigenes Risiko
Justizminister Christoph Blocher wies darauf hin, dass der Staat die Sicherheit nur auf seinem Territorium gewährleisten könne.
“Wer ins Ausland geht, muss sich bewusst sein, dass er in ein Risikogebiet reist”, sagte er. Auch gebe es bei Straftaten im Ausland regelmässig Beweisprobleme.
Das Anliegen der Linken scheiterte schliesslich mit 9 gegen 32 Stimmen. Erfolglos wehrte sich die SP auch gegen die neue Obergrenze für die Genugtuung: Opfer sollen höchstens 70’000 Franken, Angehörige bis zu 35’000 Franken erhalten.
Die heute von den Gerichten zugesprochenen Genugtuungen seien massvoll, es gebe darum keinen Grund, eine Obergrenze einzuführen, sagte die Sozialdemokratin Gisèle Ory.
Ausserdem würde eine Begrenzung den Durchschnitt der zugesprochenen Entschädigungen drücken, weil die höchsten Summen für die schwersten Fälle reserviert werden müssten.
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Ständerat
Angst vor amerikanischen Verhältnissen
Die Obergrenze sei ein zentrales Anliegen der Vorlage, namentlich der Kantone, sagte Blocher. Diese befürchteten amerikanische Verhältnisse mit exorbitanten Genugtuungssummen. Der Antrag, die Genugtuung nach oben offen zu halten, fiel mit 8 zu 26 Stimmen durch.
Mit Stichentscheid des Präsidenten verpflichtete der Ständerat die Kantone zudem, Institutionen der Opferhilfe bekannt zu machen. Mit dieser und weiteren Differenzen hiess die kleine Kammer die Vorlage ohne Gegenstimme gut und schickte sie zurück an den Nationalrat.
swissinfo und Agenturen
Im Jahr 2003 haben die kantonalen Opferberatungsstellen 23’948 Fälle verzeichnet.
Davon ereigneten sich 445 Fälle im Ausland.
In 164 Fällen wurden Entschädigungen von insgesamt 3,2 Mio. Franken gewährt.
In 631 Fällen wurde Genugtuung von insgesamt 7,2 Mio. Franken gewährt.
Die Verwaltungskosten für die Opferhilfestellen belaufen sich auf 22 Mio. Franken.
Dieser Betrag wird fast ausschliesslich von den Kantonen aufgebracht.
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