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Keine Schulden-Tilgung für die ärmsten Länder

Joseph Deiss betonte am Jahrestreffen der internationalen Finanz-Institutionen in den USA die bilaterale Rolle der Schweiz. Keystone

Die Schweizer Regierung zeigt sich skeptisch gegenüber Vorschlägen, welche eine erneute Erleichterung oder gar die Tilgung der Schulden-Last für die ärmsten Länder zum Ziel haben.

Die Vorschläge waren am Jahres-Treffen des Währungsfonds und der Weltbank in Washington vorgebracht worden.

Das Wort “Schulden” lag auf allen Lippen im Kreise der Delegierten von Regierungen und Nichtregierungs-Organisationen an den Sitzungen zum Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (WB) dieses Wochenende in Washington.

Die Schulden Iraks wurden diskutiert und vor allem die Schulden der ärmsten Länder, die meisten davon in Afrika.

Entscheid vertagt, Programm verlängert

Doch die Mitgliedsländer von IWF und Weltbank – den so genannten Bretton-Woods Institutionen – kamen zu keinem Schluss und entschieden sich, nichts zu entscheiden.

Zwar wurde beschlossen, dass der IWF sein laufendes Programm zur Schulden-Erleichterung um zwei Jahre verlängert, aber die Vorschläge zur Streichung oder gar Tilgung der Schulden wurden abgelehnt.

Vorstösse in diese Richtung hatten Nichtregierungs-Organisationen, aber auch verschiedene Regierungen gemacht .

Das Zögern der Schweiz

Die Schweizer Delegation mit Finanz-Minister Hans-Rudolf Merz, Bundespräsident Joseph Deiss und Nationalbank-Direktor Jean-Pierre Roth, schloss sich an der Pressekonferenz am Samstagabend der ablehnenden Haltung an.

Merz betonte zwar gegenüber swissinfo, dass er “offen bleibe”, aber “die vollständige Entschuldung keine perfekte und abschliessende Lösung” sei. Der Finanzminister erklärte, dass jede Schulden-Streichung Teil einer “General-Strategie” sein müsse. Ziel müsse sein, die Länder die davon profitierten, von der Entwicklungshilfe unabhängig zu machen.

Die komplette Streichung der Schulden für gewisse Länder des Südens wäre eine Ungerechtigkeit gegenüber andern armen Ländern, die einen sinnvollen und straffen ökonomischen Kurs verfolgten.

Bundespräsident Deiss seinerseits wies im Gespräch mit swissinfo auf die Wichtigkeit der bereits erfolgten Entschuldung hin und dass das Entschuldungs-Programm für die ärmsten Länder bis 2006 verlängert worden sei. Für die rund 20 Länder, die davon profitiert hätten, sei die Verminderung ihrer Schulden um zwei Drittel beträchtlich.

Das IWF-Gold neu bewerten

Der IWF besitzt insgesamt 3217 Tonnen Goldreserven. Sie sind in den Büchern nur mit 8,5 Mrd. Dollar bewertet, auf dem Markt aber 42,2 Mrd. Dollar wert.

Mit einer Neubewertung könnten mehr als 30 Mrd. Dollar für Schuldenerlass und Armutsbekämpfung freigemacht werden. Diese alte Forderung von Nichtregierungs-Organisationen vertrat dieses Jahr auch der britische Schatzkanzler Gordon Brown vor seinen Kollegen – allerdings vergeblich.

Auf den Vorschlag angesprochen sagte Bundesrat Merz gegenüber swissinfo, dass dieser nur kurz besprochen worden sei und die Idee, zumindest kurzfristig, keine Unterstützung der Mehrheit finde.

Merz hatte schon früher die Reichweite einer Neubewertung der IWF-Goldreserven bezweifelt. Immerhin seien die Reserven des IWF kleiner als jene der Schweiz.

Entschuldung als Täuschung?

Bundespräsident Deiss tat seine Skepsis gegenüber der Entschuldung kund. “Mir scheint, hinter jedem Vorschlag eine Täuschung zu lauern.”

Die Schulden-Tilgung oder Erleichterung würde Auswirkungen auf die Entwicklungs-Zusammenarbeit haben. “Die Tilgung mit Geldern der zukünftigen Hilfe zu finanzieren, würde die Möglichkeiten für neue Projekte einschränken.”

Und: “Das Zögern gegenüber einer vollständigen Schulden-Tilgung ist prinzipieller Natur: Die Weltbank ist eine Bank. Wenn ihre Hilfe zur Spende wird, wird die Weltbank zu einer philanthropischen Institution.”

Deiss erinnerte jedoch daran, dass die Schweiz heute schon bei der Entschuldung Pionierarbeit vollbringe. Der Bundespräsident betont: “Wir haben keine Schuldforderungen mehr auf bilaterale Ebene.”

swissinfo, Marie-Christine Bonzom in Washington
(Übertragung aus dem Französischen von Philippe Kropf)

An der Jahreskonferenz der Bretton-Woods Institutionen wollte die Mehrheit der Delegierten nichts von einer Schulden-Tilgung für die ärmsten Länder wissen.

Das hatten Nichtregierungs-Organisationen und die britische Regierung gefordert.

Die Schweiz steht der Forderung sehr skeptisch gegenüber. Sie setzt lieber auf bilaterale Ansätze.

So beschloss sie beispielsweise 1991 einen Schuldenerlass für arme Länder in der Höhe von 500 Mio. Franken.

Die Schweiz gehört dem internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank (WB) seit 1992 an.

Sie hat den Vorsitz der Stimmrechts-Gruppe zu der Polen, Serbien-Montenegro, Aserbaidschan, Kirgisistan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan gehören.

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