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Koch Martin Dalsass: Künstler im Dienst der Mitmenschen

Im Alter von 44 Jahren betrat er den Olymp der grossen internationalen Köche. Martin Dalsass aus Bozen, seit 25 Jahren in der Schweiz und seit 15 Jahren im Tessin, wurde vom renommierten französischen Gastronomie-Magazin GaultMillau zum besten Schweizer Koch des Jahres 2001 erkoren. Mit seiner Kochkunst hat er das Restaurant Santabbondio in Lugano-Sorengo in einen kulinarischen Tempel verwandelt.

“Ich bin per Zufall Koch geworden. Eigentlich sollte ich nach der obligatorischen Schulzeit eine Lehre als Plattenleger beginnen, doch das Schicksal hatte einen anderen Weg für mich vorgesehen. Meine erste Stelle in einem Südtiroler Restaurant besorgte mir mein Vater. Ich hielt sie zwar nur für eine kleine Zwischen-Episode, zumal mir der Beruf am Anfang gar nicht gefiel: Man hiess mich dort alles Mögliche tun, statt mir die Basis der Kochkunst beizubringen. Meine Kochleidenschaft erwachte erst am zweiten Arbeitsort, als ich endlich in den Töpfen rührte.

Nach dem Lehrabschluss im Südtirol, wo ich auch in sehr guten Hotels arbeiten durfte, beschloss ich, in die Schweiz zu kommen. Im Gegensatz zu Italien galt hier das Kochen schon vor 25 Jahren als ein richtiger Beruf. Allerdings musste ich wieder ganz von vorne anfangen; zum Glück verfügte ich über eine grenzenlose Begeisterung und eine gute Grundlage. Im Südtirol hatte ich nämlich gelernt, Vorspeisen all’italiana und Süssspeisen nach deutscher Art zuzubereiten. Nun brauchte ich mir nur noch die französische Struktur der Hauptspeisen anzueignen.

Ich pflege eine ehrliche Küche mit frischen, qualitativ einwandfreien Saisonprodukten, die möglichst einfach zubereitet werden, damit ihr Eigengeschmack voll zur Geltung kommt. Dazu muss man in erster Linie mit sich selber streng sein und keine Kompromisse eingehen. In meinem Restaurant finden Sie zum Beispiel keinen Zuchtfisch. Um eine gesunde und leichte Küche anzubieten, muss man diesem Grundsatz bei sämtlichen Produkten treu bleiben.

Im Tessin habe ich die Mittelmeerküche entdeckt, angefangen mit dem Olivenöl. Heute dürfen wir zu Recht behaupten, dass wir eine hervorragende Küche von allerbester Qualität besitzen, wenn wir auch immer ein wenig unterschätzt werden. Das war vielleicht sogar ein Vorteil: Die jungen Köche waren gezwungen, die Ärmel hochzukrempeln und sich anzustrengen, um noch besser zu werden. Man müsste in der ganzen Schweiz, aber besonders im Tessin, noch viel mehr auf die hohe Qualität unserer Gastronomie hinweisen. Heute wollen viele Leute zuerst wissen, wo man gut isst, bevor sie sich für einen Ferienort entscheiden. Das Hotel, die Unterhaltung und die Ausstellungen spielen erst in zweiter Linie eine Rolle.

Der Beruf des Kochs hat einen besonderen Pluspunkt: Wir sind unseren Mitmenschen nützlich. Dank unseren Fähigkeiten gelingt es, vielen Menschen Freude zu bereiten und ihnen ein positives Erlebnis zu bescheren. Meiner Ansicht nach ist Kochen – gut Kochen – eine Kunst. Ein Koch muss auch Künstler sein und ein Gespür für die Produkte haben, welche das Grundmaterial seiner Küche darstellen. Unsere Aufgabe ist es, die Leute wieder auf diesen natürlichen Geschmack zu bringen, der völlig verloren gegangen ist.

Zu dieser Jahreszeit gibt es die ersten frischen Spargeln. Ich schlage deshalb einen kleinen Spargelsalat mit einem feinen verlorenen Ei vor – vom Bauernhof und nicht aus einer Hühnerbatterie – dazu eine Sauce Hollandaise mit Olivenöl und wenn möglich ein wenig März-Trüffel.”

Martin Dalsass

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