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Köpferollen bei Vontobel nach Internet-Debakel

Jörg Fischer muss seinen Hut nehmen. Er habe seine Aufsichtspflicht verletzt. Keystone

Nach dem Scheitern ihres Internet-Projekts hat die Vontobel-Gruppe drei Top-Manager fristlos entlassen. Darunter ist auch der Präsident der Schweizer Börse, Jörg Fischer.

Verwaltungsrats-Präsident Hans-Dieter Vontobel sagte am Donnerstag (15.03.)in Zürich personelle Fehlbesetzungen und krasse Fehleinschätzungen hätten zu dem Debakel der Internet-Bank “y-o-u” geführt.

Von der für die jüngere Schweizer Bankgeschichte beispiellosen fristlosen Entlassung sind der Finanzchef der Vontobel-Gruppe, Walter Kaeser, sowie die beiden Vertreter im Verwaltungsrat von “y-o-u”, Hans-Peter Bachmann und Jörg Fischer.

Alle drei hätten ihre Pflichten ungenügend wahrgenommen, sagte Vontobel. Anders sei nicht zu erklären, dass das Projekt sowohl konzeptionell als auch finanziell völlig aus dem Ruder gelaufen sei. Vontobel übernahm nach Fischer selbst das Präsidium der Vontobel AG.

Gemäss vorsichtigen Schätzungen beliefen sich die Kosten für “y-o-u” auf 250 Mio. Franken. Diese werden zu Lasten der Konzernrechnung 2000 verbucht. Der Gewinn verharrt somit auf dem Vorjahres-Niveau; die geplante Dividenden-Erhöhung wird abgeblasen.

Fischers als Börsen-Präsident in Frage gestellt

Mit Jörg Fischer ist eine wichtige Figur des Finanzplatzes am Debakel beteiligt. Er war nicht nur Präsident der Bank Vontobel AG und Delegierter der Vontobel Holding, sondern ist als Verwaltungsrats-Präsident der Schweizer Börse (SWX) und der Telekurs Finanzinformationen AG auch eine Schlüsselfigur bei Gemeinschaftswerken des Finanzplatzes.

Fischer ist von seiner sofortigen Freistellung überrascht. Er habe sich zu keinem Zeitpunkt auch nur das Geringste zu Schulden kommen lassen, schrieb er am Donnerstagabend in einer persönlichen Stellungnahme. “Das Vorgehen des Verwaltungsrates kann ich nicht akzeptieren, und die haltlosen Vorwürfe weise ich in aller Form zurück”, betonte Fischer.

Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) wurde am Mittwochabend über die fristlosen Entlassungen informiert. EBK-Direktor Daniel Zuberbühler sagte die Organe der Börse müssten Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung bieten. Nach der Entlassung Fischers bei Vontobel müsse nun die Gewährsfrage geprüft werden. Börsensprecher Leo Hug sagte, Fischer sei nach wie vor Präsident der Börse. Mehr gebe es dazu nicht zu sagen.

Der Titel der Vontobel Holding AG brach an der Schweizer Börse um 11,4 Prozent auf 2’800 Franken ein. Die Aktien des Software-Unternehmens Think Tools, das zu 18 Prozent am Internetbank-Projekt beteiligt ist, fielen um zwölf Prozent auf 88 Franken.

swissinfo und Agenturen

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