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Fünfte Schweiz fordert Mobilität des Wissens

"Curiosity", das mobile Nasa-Labor, das die Mars-Oberfläche erkundet, hat etwas von der Schweiz: Die Firma Maxon Motors hat Kontrollsysteme für die Mobilität geliefert. Reuters

Freier Austausch von Wissen und eine kohärente Migrationspolitik. Das forderten die Auslandschweizer an ihrem Jahreskongress in Lausanne. Die Schweiz müsse sich stärker auf ihre Innovationsfähigkeit, ihre Eliten und ihr Know-how ausrichten.

Mehrere hundert Landsleute aus allen Ecken der Welt reisten am Wochenende in ihre alte Heimat, um dieser mitzuteilen, dass Mobilität und Innovation für die Schweiz entscheidende Voraussetzungen seien, um sich der weltweiten Konkurrenz zu stellen.

Dass die Auslandschweizer als internationalster Teil des Landes ein wichtiger Pfeiler des Landes sind, attestierte ihnen auch Bundesrat Didier Burkhalter. Sie gehörten zu den 5 Schwerpunkten der Schweizerischen Aussenpolitik, die darin bestehe, “unsere Interessen, also die Sicherheit, den Wohlstand, zu vertreten. Aber wir wollen damit auch unsere Werte, Frieden, Demokratie, Menschenrechte, Kampf gegen die Armut und die Bewahrung der Umwelt, verbreiten”.

Der erste Schwerpunkt sei der Ausbau der Beziehungen zu den Nachbarländern. Diese seien heikler geworden aber nicht mehr blockiert. “Es geht vorwärts.”

Zweitens gehe es um die Beziehungen zur Europäischen Union. Der Bundesrat wolle den bilateralen Weg fortsetzen, aber nicht mehr reaktiv, sondern pro-aktiv, durch die Unterbreitung institutioneller Vorschläge an die EU, als Antwort auf die Schlussfolgerungen des EU-Rats von 2010 und durch die Verabschiedung eines Mandats für den Dialog mit der EU über Unternehmensbesteuerung.

Dritter strategischer Schwerpunkt sei die Stabilität nicht nur in Europa, sondern auch in deren Grenzregionen und der übrigen Welt. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, zu einer politischen Lösung in Syrien beizutragen, namentlich durch direkte Hilfsmassnahmen bei der  Aufnahme von Flüchtlingen durch Familien in den Nachbarländern.

Beim 4. Punkt gehe es um globale Themen und strategische Partnerschaften, zum Beispiel mit den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika). “Aber wir wollen auch die multilateralen Aktivitäten stärken, zum Beispiel durch Unterstützung der Reformen in der UNO. In der G-20 will die Schweiz eine stärkere Rolle spielen”, sagt Burkhalter.

Auslandschweizer als Teil der Strategie

“Zum Kern der Strategie gehört aber auch die Unterstützung der Schweizer im Ausland, die für den Bundesrat eine prioritäre Aufgabe ist”. Ein wichtiges Instrument dieser Politik werde das Auslandschweizer-Gesetz sein. Das Projekt sei gut gestartet, und die Zusammenarbeit zwischen der Subkommission des Ständerats und den zuständigen Diensten des EDA verlaufe sehr zufriedenstellend. Das Gesetz werde die Schaffung einer einheitlichen Anlaufstelle für alle Anliegen der 5. Schweiz erlauben.

“In Zeiten des ständigen Wandels ist es wichtig, dass Schweizer im Ausland stets Zugang zu bedürfnisgerechten Dienstleistungen haben”, versprach Burkhalter. Solche verlangen die Vertreter der Diaspora seit langem. Gerade weil die Mobilität der Schweizer laufend zunehme, müssten auch die Instrumente der direkten Demokratie angepasst werden.

Petition fürs E-Voting

Die Auslandschweizerorganisation (AS0) überreichte deshalb dem Aussenminister eine Petition, in der die 15’000 Unterzeichnenden den Bundesrat aufrufen, für Schweizer im In- und Ausland die elektronische Stimmabgabe einzuführen. Bund und Kantone sollen die Voraussetzungen schaffen, dass E-Voting bei den Eidgenössischen Wahlen 2015 für alle Stimmberechtigen möglich sei.

Ohne E-Voting seien Auslandschweizer oft faktisch von der Wahrnehmung der politischen Rechte ausgeschlossen.

Die Möglichkeit der politischen Partizipation für alle Bürger gehöre zu jenen Werten, für welche die Schweiz internationales Ansehen geniesse. Die politische Anerkennung der Angehörigen der Fünften Schweiz sei wichtig, sagte ASO-Präsident Jacques-Simon Eggly dem Aussenminister. Dazu gehöre das von ihm erwähnte Auslandschweizer Gesetz, aber eben auch die rasche Einführung des E-Votings. “Wir leben in einer Welt, in der die Interaktionen zwischen Staaten und Menschen immer schneller werden. Die Auslandschweizer sind dabei sehr wichtig”, sagte Eggly.  

Support vom Nobelpreisträger

Schützenhilfe erhielt die Fünfte Schweiz an ihrem Kongress auch von Nobelpreisträger Kurt Wüthrich, der betonte, wie wichtig es für die Zukunft der Schweiz sei, dass sie die Mobilität der Bürger unterstütze.

“Es ist wichtig, ins Ausland zu gehen, um mit fremden Kulturen vertraut zu werden. Es genügt nicht, die selbe Wissenschaft zu betreiben, wir müssen lernen, wie unsere Kollegen aus unterschiedlichen Kulturkreisen denken und funktionieren”.

In Japan und Korea, wo er selber oft tätig sei, “ist es kaum möglich, Kontakt herzustellen, wenn man nicht einigermassen mit dem Kulturgut vertraut ist, auf dem die Karieren der Kollegen aufgebaut sind”.

Die Schweizer Wissenschaft sei immer noch auf einem hohen Niveau, sagte Wüthrich. “Wir sind ein gesuchter Partner der internationalen Vernetzung.

Der Nobelpreisträger machte aber auch auf negative Entwicklungen aufmerksam, welche die Qualität der Schweizer Wissenschaft und Wissensbildung gefährdeten.

An den Hochschulen brauche es nicht Renovation, sondern Innovation. “Leider werden unsere Universitäten mehr und mehr nach dem Pflichtenheft arbeiten müssen. Man verlange von ihnen Jahres- oder sogar Monatsberichte, in denen sie Zeugnis über die erzielten Fortschritte ablegen müssten. “Aber Innovation kann keinem Pflichtenheft folgen”, sagte der Nobelpreisträger für Chemie.

2011 lebten mehr als 700’000 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, 62 Prozent oder rund 435’000 in Europa.

Die grössten Auslandschweizer-Gemeinschaften befinden sich in Frankreich (26 Prozent), Deutschland (11 Prozent), USA (11 Prozent) und Italien (7 Prozent).

Die Gemeinde der in entlegenen Regionen lebenden Auslandschweizer nimmt seit einigen Jahren tendenziell ab.

Jährlich verlassen rund 30’000 Eidgenossen die Schweiz.

Jeweils rund 25’000 Landsleute kehren pro Jahr in die Heimat zurück.

In den letzten Jahren hat sich der Trend verstärkt, aus beruflichen Gründen oder zwecks Aus- und Weiterbildung und nur für eine gewisse Zeit auszuwandern.

Drei Viertel der Auslandschweizer sind im aktiven Alter, also zwischen 18- und 65-jährig.

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