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Krankes Gesundheitswesen

Die andauernde Kostensteigerung im Gesundheitswesen beschäftigt Parteien, Verbände und die Regierung immer wieder. Keystone

Die Misere im Gesundheitswesen in der Schweiz dauert an. Von allen Seiten kommen Vorschläge, doch Patentrezepte gegen die Kostensteigerung gibt es nicht.

Nächste Woche wird sich der Bundesrat in corpore erneut über das Dossier beugen. Bundesrätin Ruth Dreifuss, die wegen dem Gesundheits-Bereich immer wieder in der Kritik steht, legte der Landesregierung ein umfassendes Dossier vor, in dem verschiedene Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Gewerkschaften und Arbeitgeber schlagen Alarm

In den vergangenen Wochen hatten sich Parteien und Verbände unter den verschiedensten Blickwinkeln zum Thema Gesundheitswesen geäussert. Am Freitag zog der Gewerkschaftsbund die Alarmglocke und der Schweizerische Arbeitgeber-Verband ruft nach einem Krisenmanagement.

Dass Not besteht, unterstreicht auch die provisorische Versicherten-Statistik 2001 von santésuisse (Dachverband der Krankenversicherer). Demnach stiegen die Kosten der obligatorischen Krankenpflege-Versicherungen im letzten Jahr um 5,1% auf 16,5 Mrd. Franken.

Seit 1996 um einen Drittel angestiegen

Die Ausgaben der Grundversicherung waren im vergangenen Jahr um 800 Mio. Franken höher als im Jahr zuvor. Damit stiegen die Kosten der obligatorischen Krankenpflege-Versicherungen seit der Einführung des Krankenversicherungs-Gesetzes (KVG) im Jahre 1996 um einen Drittel.

Der Branchenverband santésuisse dokumentiert die Kostenentwicklung bei der Grundversicherung. Auch die neuste Statistik zeigt laut santésuisse, dass die Kosten ziemlich gleichmässig ansteigen.

Die Hauptgründe für das konstante Wachstum sieht santésuisse vor allem im medizinischen Fortschritt, der Alterung der Bevölkerung und in der Ausweitung der Menge. Der Verband wies darauf hin, dass die Versicherer wegen des gesetzlich verankerten Vertragszwanges jede Mengenausweitung finanzieren müssten.

Eine Milliarde für Kinder-Prämienverbilligung

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) verlangt vom Bundesrat, dass er die Krankenkassen-Prämien für Kinder in den Jahren 2003 und 2004 – oder bis zum Abschluss der KGV-Revision – mit je einer Mrd. Franken reduziert. Damit sollen zumindest die akutesten sozialen Probleme bekämpft werden.

Laut SGB könnten so die monatlichen Kinderprämien um 52 Franken gesenkt werden. Heute betragen sie im Schnitt 63 Franken. Die Mittel seien vorhanden, wenn das im Parlament hängige Steuerpaket verschoben oder zurückgezogen werde, sagte SGB-Präsident Paul Rechsteiner am Donnerstag vor den Medien in Bern.

Neben Familien soll der dringliche Bundesbeschluss auch Rentnerinnen und Rentner mit bescheidenem Einkommen entlasten. Um die dafür erforderlichen rund 300 Mio. Franken aufzubringen, müssten die Kantone vorab die bisher nicht beanspruchten Bundesbeiträge zur Prämienverbilligung abholen.

Kopfprämien im Visier

Die Prämiennot sei angesichts der drohenden Prämien-Erhöhung von 10% im kommenden Jahr die Frage der Stunde, sagte Rechsteiner weiter. Auf Dauer helfen Notübungen nach Ansicht des Gewerkschaftsbundes aber nicht.

Schuld an der Misere ist laut SGB-Sekretärin Colette Nova die Kopfprämie – “die europaweit unsozialste Finanzierung einer Sozialversicherung”. Das Ziel müsse eine einkommensabhängige Finanzierung oder zumindest ein sozialeres System der Prämienverbilligung sein.

Fürs erste setzt der SGB auf die KVG- Revision. Die vom Ständerat (kleine Kammer) beschlossene Beschränkung der Prämienlast auf 8% des Einkommens sei “noch nicht sozial genug”, sagte Nova. Das Sozialziel müsse deutlich tiefer angesetzt und allenfalls nach der Höhe des Einkommens zusätzlich abgestuft werden.

Delegierter für Kostensenkung

Der Schweizerische Arbeitgeber-Verband fordert ein Krisen-Managment und kurzfristige Sparmassnahmen von einer Milliarde. Um die mittelfristigen Sparziele zu verwirklichen, brauche es einen Delegierten für Kostensenkung, heisst es in einer Medienmitteilung des Verbandes.

Die bisherigen Massnahmen zur Kostendämpfung hätten versagt, wird die Forderung begründet. “Es muss wie bei der Bundes-Pensionskasse und bei der Expo ein Krisenmanagement her.”

Der Arbeitgeberverband erwarte von der Regierung, dass sie die massgebenden Kräfte bündle und bis im Herbst, zusammen mit den Kantonen, ein umfassendes Massnahmenpaket mit einem kurzfristigen Einsparungseffekt “von mindestens einer Milliarde Franken” bereitstelle. Experten hätten festgestellt, dass 20 bis 30% überflüssige Leistungen erbracht würden, heisst es in der Mitteilung weiter.

swissinfo und Agenturen

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