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Max Havelaar steigt in Textil-Branche ein

Baumwollstrickerei in Indien. P. Zanetti/Max Havelaar

Nach Kaffee, Bananen und Reis sind seit Donnerstag auch Produkte aus fair gehandelter Baumwolle auf den Schweizer Markt.

Mit T-Shirts, Baby-Bodies, Bademäntel, Frottierwäsche und Watte steigt Max Havelaar in den Non-Food-Bereich ein.

Bisher stand das Label Max Havelaar für Lebensmittel aus fairem Handel (Fair Trade). Nun expandiert die Stiftung in den Textilbereich und bietet Kleidungsstücke und andere Produkte aus “fairer” Baumwolle an.

Zu kaufen sind die Produkte vorerst bei Migros, Manor, Switcher, Balsiger Textil und dem Hilfswerk Helvetas, wie die Verantwortlichen der Max-Havelaar-Stiftung am Donnerstag sagten.

Preiszerfall im Baumwollmarkt

Die hohen Subventionen im weltweiten Baumwollmarkt haben in letzter Zeit zu Überproduktionen und Preiszerfall geführt: Kostete das Kilogramm entkernte Baumwolle vor zwei Jahren noch 1,80 US-Dollar, dürfte der Preis gemäss Weltmarkt dieses Jahr auf 1,62 US-Dollar fallen, wie Max-Havelaar-Geschäftsleiter Norbert Rigassi sagte.

Am Programm nehmen etwa 500 Bauern aus Mali, Senegal, Indien und Pakistan teil. Viele gehören zu den ärmsten Bauern der Welt. Sie sollen für ihre Baumwolle nun einen garantierten Mindestabnahmepreis erhalten.

Angemessene Löhne

Die Havelaar-Produkte werden daher im Handel zwischen 10 und 30 Prozent teurer sein als vergleichbare Produkte.

Max Havelaar zahlt ausserdem eine Prämie von 13 Prozent des Mindestpreises, die für Gemeinschaftsprojekte eingesetzt werden soll. Die Stiftung verlangt zudem, dass auch in der weiteren Baumwollverarbeitung Konventionen wie Kinderarbeitsverbot oder die Zahlung eines angemessenen Lohnes eingehalten werden.

Strenge Kriterien

Strikte Kriterien erfüllen müssen auch die Bauern: Die meist zusammenspannenden Bauern müssen mehrheitlich Kleinproduzenten sein und nachweisen, dass sie ein Qualitätsprodukt vermarkten können.

Die Arbeitsbedingungen werden von unabhängigen Kontrolleuren überprüft, eine letzte Kontrolle umfasst den Waren- und Finanzfluss.

Neben den sozialen müssen die Bauern auch ökologische Kriterien einhalten: Max Havelaar bietet nur Baumwolle an, die nicht genmanipuliert ist und völlig ohne oder mit minimalem Einsatz von Chemikalien angebaut wird.

Grosse Erfolge

Im Agrarbereich wie auch bei den Schweizer Konsumenten hat Max Havelaar bereits mit Früchten, Blumen, Tee, Kaffee, Kakao und Reis grosse Erfolge erzielt. Auch die Zertifizierung der Baumwolle erfolgt nach den Internationalen Fair-Trade-Standards (FLO).

Schwieriger ist indes eine Zertifizierung von Textilien, da diese etliche weitere Verarbeitungsschritte umfassen: Die geerntete Baumwolle wird entkernt und gesponnen, dann gewoben oder gestrickt, es folgen Färben, Bedrucken oder Besticken, sowie Zuschneiden, Nähen und Verpacken.

Die Baumwoll-Produkte mit dem Havelaar-Label sollen denn auch auf diesen Verarbeitungsstufen die Einhaltung sozialer Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) garantieren.

Schweiz handelt 1/3 des Weltmarkts

Der Textilanbieter Switcher geht laut CEO Robin Cornelius “den gleichen Weg wie Max Havelaar und sorgt für eine transparente Produktionskette”. Aus der so gekoppelten Erfahrung entstehe ein im Weltmarkt einzigartiges Modell, sagte er.

International sticht die Schweiz besonders bei Bio-Baumwolle hervor: Rund 35 Prozent des Weltmarktes werden im kleinen Land gehandelt.

Vorkämpfer ist Coop mit “Naturaline”, die zusammen mit ihren Partnern bei der Verarbeitung ebenfalls ILO-Normen entspreche. Dass Coop diesmal nicht mit Max Havelaar zusammenarbeitet, begründet Mediensprecher Karl Weisskopf damit, dass Coop sein Label wahren wolle. Beiden gemeinsam sei jedoch das Ziel, die Produktionsbedingungen zu verbessern.

Migros setzt auf Watte

Auch die Migros ist vorsichtig: Zunächst werde die Einführung der Havelaar-Shirts bei Switcher beobachtet und auch, wie Havelaar in die bestehenden Textilprogramme hineinpasse, sagte Fausta Borsani vom Migros Genossenschafts-Bund.

Mit diversen Watte-Produkten wolle man indes die “Engagement-Linie” erweitern. Gute Chancen werden dem Havelaar-Textillabel von Manor und der Balsiger Textil AG eingeräumt.

swissinfo und Agenturen

Die Max Havelaar Stiftung (Schweiz) setzte 1998 mit 8 Mitarbeitern noch 42 Mio. Franken um.
2004 waren es 210 Mio. Franken, bei 24 Mitarbeitenden.
Allein gegenüber 2003 entspricht dies einem Wachstum von 35%.
Dank der Stiftung erhielten die Produzenten im Süden 12,6 Mio. Franken Mehreinnahmen – laut der Stiftung 40% als im konventionellen Handel.
2004 flossen 44,3 Mio. Franken direkt zu Produzenten im Süden.
Der Gewinn von über einer halben Million wird in die Entwicklung neuer Produkte und in den Aufbau einer Risikomanagement-Systems investiert.

Die Stiftung wurde 1992 von 6 grossen Schweizer Hilfswerken gegründet.

Auftrag: Die Idee des fairen Handels aus der Nische in die grossen Verkaufsflächen bringen.

Die Geschäftsidee von Max Havelaar: Markzugang von Produkten aus benachteiligten Regionen des Südens zu fairen Handelsbedingungen.

Koordination der Zertifizierung und Kontrolle, dass Produkte mit Max-Havelaar-Gütesiegel gemäss internationalen Fair-Trade-Standards hergestellt und gehandelt werden.

Von 1998 bis März 2005 wurde die Stiftung von der dynamischen Geschäftsleiterin Paola Ghillani geleitet.

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