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Menschenrechte: Normen für die Wirtschaft

Bei der UNO wird über Menschenrechts-Normen in der Arbeitswelt debattiert. Keystone

Internationale Konzerne setzen auf freiwillige Massnahmen für die Einhaltung der Menschenrechte. NGO fordern verbindliche UNO-Normen.

Die verschiedenen Modelle sind Thema der laufenden Session der UNO-Menschenrechts-Kommission in Genf.

Transnationale Unternehmen müssen vermehrt Verantwortung betreffend Umweltschutz, Arbeitsbedingungen und Menschenrechte übernehmen – darüber besteht weitgehend Konsens. Die Geister scheiden sich aber darüber, wie dies insbesondere in der Frage der Menschenrechte geschehen soll.

Gegenwärtig existieren weltweit gut 200 Initiativen zur Unternehmensverantwortung, wie ein Bericht des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCHR) aufzeigt. So sind die Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zwar rechtlich bindend, decken aber nur Arbeitsrechte ab.

Breites Spektrum

Demgegenüber umfassen der Global Compact der UNO sowie die Leitsätze der Organisation für Wirtschaft und Zusammenarbeit (OECD) ein breiteres Spektrum, darunter Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung. Sie setzen auf Freiwilligkeit und verfügen über keine Sanktionsmechanismen. Solche Mechanismen wären aber vor allem in Entwicklungsländern gefragt, in denen die Regierungen oft schwach sind oder nicht willens, soziale und ökologische Auflagen durchzusetzen.

Vor diesem Hintergrund hat die UNO-Subkommission für Menschenrechte 2003 umfassendere Menschenrechts-Normen verabschiedet. Diese richten sich direkt an Unternehmen und sind als international verbindliches Instrument angelegt, aber bisher nicht rechtsgültig.

Bei der Menschenrechts-Kommission in Genf steht nun der Bericht des UNHCHR zu diesen und weiteren Initiativen zur Debatte – entstanden ist er aufgrund einer Konsultation verschiedener Stakeholders, mit Akzent auf den UNO-Normen.

Normen testen

“Ich hoffe, dass die Menschenrechtskommission die UNO-Normen inhaltlich akzeptiert und in den Referenzrahmen des Global Compact einbindet”, sagt Klaus M. Leisinger, der Geschäftsführer der Novartis-Stiftung für Nachhaltige Entwicklung und Experte während der Konsultation.

Er verweist darauf, dass die internen Menschenrechts-Leitlinien von Novartis diesen Katalog seit zwei Jahren abdecken. Leisinger hält freiwillige aber verifizierbare Initiativen für nützlicher als international verbindliche Standards. Dies eröffne verantwortungsvollen Unternehmen eine neue Wettbewerbsebene.

Auch Regierungen gefordert

Dabei sei es unabdinglich, dass auch bei der Qualität der Regierungsführung Fortschritte gemacht würden, betont Leisinger. Zusammen mit ABB und anderen Unternehmen trägt seine Institution die “Business Leaders Initiative on Human Rights” mit. Sie testen derzeit die UNO-Normen; eine Bilanz wird bis 2006 erwartet.

Das UNHCHR empfiehlt in seinem Bericht, sowohl die UNO-Normen wie auch den Konsultationsprozess weiter zu verfolgen. Die menschenrechtliche Verantwortung von Unternehmen sei noch nicht genügend definiert.

So sei etwa unklar, wie weit der (geographische) Einflussbereich eines Unternehmens reiche (Stichwort Produktionsketten) oder wann eine Firma als Komplizin bei Menschenrechtsverletzungen gelte. “Es braucht ein UNO-Dokument darüber, was Unternehmen tun sollen, tun müssen und nicht tun dürfen”, sagt Simon Walker vom UNHCHR.

Verantwortung nicht geklärt

Nichtregierungs-Organisationen sind mit den Vorschlägen des UNHCHR grundsätzlich einverstanden. “Wir wollen längerfristig jedoch ein rechtlich bindendes internationales Instrument, freiwillige Standards reichen nicht”, befürwortet Florence Gerber von der Erklärung von Bern (EvB) die UNO-Normen.

Auch die Menschenrechts-Organisation Amnesty International, die mehrere Initiativen in diesem Bereich verfolgt, schliesst sich der EvB an: Die UNO-Normen seien das bisher kompletteste Instrument betreffend Wirtschaft und Menschenrechte, meint AI-Mitarbeiterin Sabrina Büchler. Sie würden bestehende Lücken schliessen und müssten unbedingt auf der Agenda bleiben.

Schweiz begrüsst Idee

Zudem sollten auch Opfer von Menschenrechts-Verletzungen systematisch in den Konsultationsprozess einbezogen werden. Zusammen mit weiteren Organisationen fordern AI und EvB zunächst einen Sonderberater für Wirtschaft und Menschenrechte, der dem UNO-Generalsekretariat untersteht.

“Die Schweiz begrüsst die Idee eines Sonderberaters”, sagt Gérald Pachoud, zuständig für Wirtschaft und Menschenrechte im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Die UNO-Normen würden die Meinungen polarisieren und seien daher eine von mehreren Grundlagen für weitere Überlegungen. Bevor keine offizielle Definition existiere, was vom Privatsektor erwartet werde, sei es zu früh für ein international verbindliches Instrument.

swissinfo und Dominique Schärer, InfoSüd

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