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Neue “gute alte” Milizarmee

Die Armee XXl ist auf kompromissfähigem Wege. Keystone Archive

Folklore, Nostalgie und Realismus: Dies die Zutaten der Diskussion um die Armee XXl im Schweizer Parlament. Resultat: In wenigen, dafür wichtigen Bereichen wird verändert.

Nach dem Willen der Kantonsvertreter im Parlament (Ständerat) wird die Schweizer Armee von 360’000 auf 140’000 Köpfe reduziert. Davon sollen 3000 Soldaten und Soldatinnen durchdienen können. Die neue Armee soll – statt zentral von Bern aus – dezentral von vier Divisionsstäben in den Regionen geführt werden.

Nach ellenlangen Diskussionen legte der Ständerat die Dauer der Rekrutenschule auf 18 Wochen fest. Der Verteidigungs-Minister Samuel Schmid hatte 21 Wochen gewünscht.

140’000: Immer noch viel

Im europäischen Vergleich der kleineren Länder stehen somit in der Schweiz immer noch sehr viele Soldaten im Dienst. Belgien hat rund 42’000 Soldaten und Soldatinnen, Dänemark 25’000, das neutrale Norwegen 30’000. Zu beachten ist jedoch, dass diese Länder NATO-Mitglied sind.

Der lange Weg zur neuen Armee

Die Welt hat sich verändert und mit ihr die sicherheitspolitische Lage. Der Feind kommt nicht mehr in Rot aus dem Osten. Überhaupt stuft das Verteidigungs-Ministerium (VBS) die so genannte “Eintretens-Wahrscheinlichkeit” für eine militärische Aggression als sehr gering ein.

Die Bedrohungen und Gefahren, die am wahrscheinlichsten sind (Konflikte ausserhalb Europas, Naturkatastrophen), gefährden die Existenz der Schweiz nicht oder kaum, so das VBS.

Deshalb und wegen gravierender Mängel der von Alt-Bundesrat Ogi konzipierten Armee 95 musste sich etwas ändern. Vor allem die Grösse, aber auch die Ausbildung und die Organisationsstruktur. Doch nicht jeder Wunsch von Bundesrat Samuel Schmid wurde erfüllt, nicht jede Mahnung erhört.

Realitätsnähe versus Heimatschutz

So hatte sich der VBS-Vorsteher Schmid eine 21-wöchige RS gewünscht. Nur so sei eine gute Ausbildung gewährleistet. Doch den jungen Menschen, den Studierenden und den Arbeitgebern zuliebe legte der Ständerat die Dauer auf 18 Wochen fest. Zudem kann sie in zwei Teilen absolviert werden.

Ein weiterer – vorläufig – unerfüllter Wunsch bleibt die zentralisierte Führung der Armee. Statt eines “Chefs der Armee” in Bern bleibt die Führung bei vier regionalen Divisionsstäben. Damit betreibt der Ständerat etwas Heimatschutz, baut diese Struktur doch auf dem heutigen Prinzip auf.

“Durchdienen” als Novum

Erfüllt wurde der Wunsch nach Durchdienern, die ihre Dienstpflicht am Stück leisten – auf freiwilliger Basis. Diese seien eine kostengünstige Truppe für Soforteinsätze bei Katastrophen, für den Botschafts- und Konferenzschutz und die Friedens-Unterstützung.

Gegner argumentierten, die Durchdiener seien der Anfang vom Ende der Milizarmee.

Verteidigungs-Minister Schmid rückte in diesem Zusammenhang den “alten Kempen” den Kopf zurecht: “Wir können doch nicht – ich bin beinahe geneigt zu sagen als zornige alte Männer – hier eine Tradition weiterführen, die von den jungen Leuten nicht mehr verstanden wird, obwohl sie dienstwillig sind, obwohl sie leistungsbereit sind, obwohl sie bereit sind, Dienst zu leisten.”

Ab durch die Mitte

Eigentlich zeigten sich die Damen und vor allem Herren Ständeräte während der Debatte sehr moderat. Die Schweizerische Volkspartei verweigerte ihrem Bundesrat nicht Gehorsam. Ursprünglich hatte sie eine vollständige Neufassung der Armeereform verlangt, weil sie das Milizsystem gefährdet sah. Und der futuristische Vorschlag der Sozialdemokraten, eine Armee von 15’000 Kopf genüge, wurde nicht einmal erwähnt.

Die Reformvorlage kommt nun noch in den Nationalrat. Im Wesentlichen werden wohl keine grossen Veränderungen vorgenommen, wenn auch von links und von rechts Fundamental-Opposition laut werden wird.

Rebecca Vermot

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