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Noch braucht es neue Informatiker

Die Schweiz braucht auch weiterhin gut qualifizierte Informatiker. Keystone

Nach den Boomjahren in der Informatik-Branche ist in der Schweiz Konsolidierung angesagt. Der Mangel an Informatikern nimmt langsam ab.

“Neue Informatikerinnen und Informatiker braucht das Land”: Dieser “Schlachtruf” der 90er Jahre gilt zwar immer noch. Die Lage hat sich jedoch beruhigt. Die intensiven Bemühungen, Informatiker auszubilden und die Konjunkturabkühlung führen dazu, dass das Reservoir sich allmählich füllt.

“Informatiker war ein neuer Beruf, wir mussten auf Stufe gewerblich-industrieller Berufsschule und Universität bei Null beginnen”, sagt Heinz Hollenstein von der Konjunktur-Forschungsstelle KOF der ETH Zürich gegenüber swissinfo.

Inzwischen sei viel Geld und Arbeit in die Ausbildung von Informatikern gesteckt worden. Das trage jetzt Früchte. Dazu komme der konjunkturelle Einbruch, der dazu führe, dass weniger Fachleute gebraucht würden.

“Trotzdem”, so Hollenstein, “die offizielle Statistik spricht immer noch von einem Mangel an qualifizierten Fachkräften.” Ein strukturbedingter Mangel: Zwar seien die Millenniums-Anpassungen vorüber. Doch der Zusammenbruch der Internetfirmen halte immer noch an. “Denken Sie an die Swissair Informatik-Tochter Atraxis, welche rund 500 Leute entliess.”

Der KOF-Mann ist deshalb überzeugt: “Auch wenn die Konjunktur wieder anzieht, wird es keinen Engpass mehr bei EDV-Fachleuten geben.”

Zeiten werden schwieriger für Quereinsteiger

“Die Nachfrage nach gut qualifizierten Informatikern bleibt immer noch vorhanden, mit Betonung auf gut qualifiziert”, sagt auch René Keller, Geschäftsführer von I-CH, der Genossenschaft zur Förderung der Informatiker-Berufsausbildung in der Schweiz gegenüber swissinfo. In der Schweiz gebe es rund 130’000 berufstätige Informatiker.

Dabei sind Informatiker mit Hochschulabschluss oder Berufslehre “nur ein Tropf auf den heissen Stein”. Insgesamt 2500 bis 3000 dieser Leute treten pro Jahr ins Berufsleben. Ersetzt werden müssten aber zur Zeit rund 6000 Informatiker (ca. 4%) pro Jahr, rechnet Keller vor: “Die Differenz füllen Quereinsteiger aus, denn Uni- und Berufschulabgänger reichen nicht aus.”

Nachfrage nach Diplomen steigt

Die Quereinsteiger mit Fachausweisen, firmen-internen Ausbildungen oder Informatik-Diplomen würden den raueren Wind auf dem Arbeitsmarkt eher spüren. “Vielfach sind sie auf eine spezielle Technik ausgebildet und so weniger flexibel”, sagt Keller.

Auch Daniel Hauenstein, der Zuständige für Weiterbildung bei I-CH, sieht mit Blick auf die Praxis die Lage ähnlich: “Unsere Erfahrungen zeigen, dass zur Zeit die Nachfrage nach Informatik- und EDV-Fachpersonen noch leicht grösser ist als das Angebot”.

Dass es auf dem Arbeitsmarkt aber härter zugehe, zeige auch die Tatsache, dass die Nachfrage nach Abschlussdiplomen “massiv” zunehme. Das gelte als ein untrügliches Zeichen, dass die Jobs nicht mehr auf der Strasse lägen, “und dass die Firmen besser Qualifizierte einstellen”, so Hauenstein weiter.

Diese Meinung teilt Axel Langer, der Sprecher der Grossbank UBS. Die Bank gilt als grösster IT-Arbeitgeber in der Schweiz. Die UBS bildet mehr Lehrlinge aus, als das Unternehmen dann auch einstellt.

Diejenigen, die keine Stelle bei der UBS finden, würden aber nicht auf der Strasse stehen, sondern anderswo unterkommen. “Dabei haben es Informatiker mit einer Ausbildung in Systemtechnik etwas schwieriger sofort eine Arbeitsstelle zu finden. Im Bereich Applikation glaube ich, herrscht aber immer noch ein gewisser Mangel”, sagt Langer gegenüber swisinfo.

Ausbildung angepasst

Im September 2000 hatte das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) beschlossen, die Informatik-Ausbildung in der Schweiz zu erneuern. Rund 1300 Auszubildende haben seither an den Pilotprojekten teilgenommen. Das entspricht ungefähr der Hälfte der angehenden Informatikerinnen und Informatiker.

Die neue Informatiker-Lehre in der Schweiz bietet eine breite Basisbildung sowie eine vertiefte Ausbildung in den Richtungen Applikationsentwicklung, Systemtechnik oder Support. Die ganze Ausbildung ist modular aufgebaut.

“Das Modulsystem erlaubt es, einen besser auf die Bedürfnisse der Lehrbetriebe abgestimmten Schullehrplan aufzubauen”, begründet die Berufsschule Bern die neue Informatik-Ausbildung.

Urs Maurer

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