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Persönliche Mitarbeiter auf dem Vormarsch

Miriam Minder (links) und Renato Wolf helfen SP-Nationalrätin Evi Allemann (rechts). swissinfo.ch

Schweizer Parlamentsmitglieder können seit letztem Jahr persönliche Mitarbeiter anstellen – dank Spesenzulagen.

Die Möglichkeit wird unterschiedlich genutzt, und einige Parlamentarier verlassen sich weiterhin auf die Gratisarbeit ihrer Frauen.

“Ich möchte diese Arbeit nicht alleine machen”, sagt die 26-jährige Berner Nationalrätin Evi Allemann. Sie sitzt seit dem 19. Oktober 2003 in der Grossen Kammer des Schweizer Parlamentes – als jüngstes Mitglied.

Obwohl die junge sozialdemokratische Abgeordnete bereits politische Erfahrung auf kantonaler Ebene hat, ist der neue Job als Nationalrätin eine andere Herausforderung. Deshalb hat Evi Allemann mit den parlamentarischen Spesenzulagen für einige Stunden pro Woche zwei persönliche Mitarbeiter engagiert.

Ein virtuelles Büro

Die von den Jungsozialisten portierte Nationalrätin will im Parlament weiterhin eine entsprechende Politik machen. “Als Mitarbeiter wollte ich keine alten Politfüchse, sondern Weggefährtinnen, die meine Werte teilen”, so Allemann zu swissinfo.

Ihre beiden “Angestellten” sind konsequenterweise sehr jung: Renato Wolf, 24-jährig, Student, und Miriam Minder, 21-jährig, auf dem Weg zur Erwachsenen-Matur. Sie beschäftigen sich mit der Dokumentation, sammeln Presseausschnitte, diskutieren mit ihrer “Arbeitgeberin” die Dossiers und helfen ihr in der Beantwortung der Korrespondenz.

Die drei treffen sich regelmässig in Bern – aber nicht in einem Büro. “Unser Büro ist virtuell, wir kommunizieren per E-Mail, und wenn es eine heisse Information gibt, genügt ein SMS”, erklärt Miriam Minder. Und an der Bar gehe es dann lediglich noch um die Koordination.

Der klassische Fall

Ganz anders der Fall der persönlichen Mitarbeiterin von Chiara Simoneschi-Cortesi, christlichdemokratische Tessiner Nationalrätin. Fernanda Lafranchi ist eine Dame mittleren Alters mit solider Erfahrung auf dem Kantons-Sekretariat der CVP. Ihre Aufgabe ist vergleichbar mit jener einer Direktionssekretärin.

Fernanda Lafranchi muss vor allem den Papierkram erledigen – “Doppelzentner, ja Tonnen davon”, wie sie gegenüber swissinfo betont. Ihre Arbeit verrichtet sie in einem Büro, genauer in einem Zimmer in der Privatwohnung der “Signora”, wie Lafranchi ihre Nationlarätin nennt.

“Es gibt tausend Sachen zu erledigen, die Post, Telefonate, die Agenda. Die Signora hat sehr viele Verpflichtungen, und ich versuche, alles zu koordinieren.” Fernanda Lafranchi widmet Chiara Simoneschi-Cortesi “einen grossen Teil” ihrer Zeit. “Wenn es nur wegen des Geldes wäre, würde ich diese Arbeit nicht machen”, sagt sie.

Idendifikation mit der Partei

Auch die beiden jungen persönlichen Mitarbeiter von Evi Allemann sind sehr engagiert. “Weil wir so nahe bei Evi dran sind, können wir an der grossen Politik teilnehmen”, sagt Renato Wolf. “Wir arbeiten für ein konkretes politisches Projekt, wir begnügen uns nicht damit, Evi im Parlament zu positionieren”, fügt Miriam Minder bei.

Natürlich bleibt die Arbeit der beiden Mitarbeiter im Schatten: “Wir tun, was wir können, doch ist es dann Evi, welche die Lorbeeren oder die Pfiffe erntet.” Im Gespräch mit Wolf und Minder wird klar, dass sie die Ideale ihrer Nationalrätin voll und ganz teilen.

Auch Fernanda Lafranchi identifiziert sich mit der politischen Arbeit von Chiara Simoneschi-Cortesi. Ihren eigenen Beitrag mag die Mitarbeiterin indessen nicht überschätzen: “Ich schaue, dass alles läuft, die Politik macht aber die Signora.”

Rechts und links

Kaum waren die Spesenzulagen für persönliche Mitarbeiter im Parlament durch, kamen sie schon unter Beschuss: Die konservative Rechte war gegen diese Zulage und will sie auch heute nicht.

“Für uns ist das Konzept des Miliz-Parlamentariers mit einer soliden Präsenz in der Arbeitswelt zentral”, sagt Yves Bichsel, Sprecher der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Die SVP lehne “ein weiteres Räderwerk der Bürokratie” ab.

Bei den SVP-Parlamentariern gibt es nur wenige, die einen persönlichen Mitarbeiter engagiert haben. “Die Linke räumt der Professionalität bei der politischen Arbeit mehr Gewicht ein. Bei uns sind die Prioritäten anders: Häufig sind es die Frauen der Parlamentarier, die ihnen die Post öffnen. Die Dossiers bleiben aber in den Händen der Männer”, erklärt Bichsel.

“Eine edle Vision der Politik, aber völlig überholt”, sagt dazu der Sprecher der Sozialdemokratischen Partei (SP), Jean-Philippe Jeannerat. Für ihn ist alles eine Frage der professionellen Seriosität, der Anerkennung der politischen Arbeit und der veränderten sozialen Realitäten.

“Wenn die SVP es richtig findet, dass die Frau des Parlamentariers zu Hause gratis die Post erledigt, so finden wir, dass die Frauen ins Parlament gehören”, sagt Jeannerat. “Und die Arbeit einer persönlichen Mitarbeiterin sollte angemessen entlöhnt werden.”

swissinfo, Daniele Papacella
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

Wichtigste Jahresbezüge Parlamentsmitglieder:

Vorbereitung Ratsarbeit: 24’000 Fr.

Personal/Sachausgaben: 30’000 Fr.

Vorsorge: 12’154 Fr.

Taggeld/Sitzung: 400 Fr.

Reisespesen: 3680 Fr.

Das Schweizer Stimmvolk hat schon mehrmals Vorlagen für die Professionalisierung der politischen Arbeit abgelehnt, zum letzten Mal 1994.

2003 haben sich die Parlamentsmitglieder eine eigene Lohnerhöhung gewährt, um persönliche Mitarbeiter bezahlen zu können. Es gibt allerdings keine Zahlen darüber, wie die Ratsmitglieder die 30’000 Franken, die sie jährlich mehr erhalten, verwenden.

Alles in allem verdient ein Parlamentarier heute etwa 95’000 Franken im Jahr, die 30’000 Franken Zulage inbegriffen.

In Italien erhält ein Abgeordneter 14’000 Euro im Monat, pro Jahr umgerechnet rund 260’000 Franken.

In Deutschland beträgt das Monatsgehalt eines Bundestagsmitglieds etwa 7000 Euro. Dazu kommen 3500 Euro monatlich für das Engagement eines persönlichen Mitarbeiters.

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