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Pharma-Riesen kämpfen um Vorherrschaft

Kopf-an-Kopf-Rennen: Roche-CEO Franz Humer (links) und Novartis-Boss Daniel Vasella. Keystone

Der Schweizer Pharma-Konzern Roche hat sehr gute Jahreszahlen und Wachstums-Prognosen präsentiert. Aber Novartis kann Roche 2007 übertrumpfen.

Novartis hat die vollere Pipeline und ist auf dem Generika-Markt präsenter, sagt Analystin Birgit Kulhoff gegenüber swissinfo.

Am Mittwoch hat Roche mit einem Rekord-Umsatz und einem satten Reingewinn aufgewartet. Die Pharma-Division wuchs viermal schneller als der globale Markt. Dies vor allem dank anhaltender Nachfrage nach den Krebsmedikamenten und dem Grippemittel Tamiflu.

Novartis seinerseits hatte im Januar einen grossen Reingewinn 2005 vermeldet, die Analysten aber mit vorsichtigen Wachstums-Prognosen für das laufende Jahr enttäuscht.

Dennoch sieht Birgit Kulhoff, Analystin bei der Bank Rahn & Bodmer, die bessere Langfrist-Strategie bei Novartis. Diese könnte sich ab 2007 auszahlen.

swissinfo: Wie schätzen Sie die Zahlen von Roche und Novartis ein?

Birgit Kulhoff: Roche hatte 2005 ein besseres operatives Ergebnis, und behält vorerst die Nase vorn. Das grösste Wachstum liegt im Bereich Onkologie. Dort herrscht eine bessere Preis-Umgebung als bei den Medikamenten, die Allgemeinpraktiker verschreiben, also dort, wo Novartis traditionellerweise stark ist.

Das könnte sich aber 2007 ändern. Novartis steht vor der Lancierung von viel versprechenden Medikamenten. Auf lange Sicht erwarten wir eine Zunahme des Marktanteils von Generika (Nachahmer-Produkte von Medikamenten, deren Patente abgelaufen sind).

swissinfo: Wie stark sind die Beiden im globalen Wettbewerb?

BK: Beide Unternehmen übertreffen den weltweiten Pharma-Markt, und das sollte auch so bleiben. Die meisten US-Pharmakonzerne dagegen werden in den nächsten beiden Jahren zu kämpfen haben: Gegen auslaufende Patente auf der einen und den wachsenden Generika-Anteil auf der anderen Seite. Das bedeutet konkret einen zunehmenden Preisdruck. Generell sind die europäischen Pharma-Unternehmen 2006 viel besser positioniert als die US-Firmen.

swissinfo: Wie sehen Sie die künftigen Strategien der beiden Konzerne?

B.K.: Ich erwarte, dass Novartis weitere Produkte und Firmen mit einer gewissen Pipeline akquiriert, nicht jedoch Serono (das Genfer Biotech-Unternehmen, das zum Verkauf angeboten wird).

Roche war in der Vergangenheit in Bezug auf Übernahmen sehr aktiv, verfolgt jetzt aber eine andere Strategie. Sie tendiert eher in Richtung Mehrheitsaktionärin und interessiert sich weniger für ganze Übernahmen.

Beide Basler Konzerne müssen etwas mit ihrem Cashflow unternehmen und Akquisitionen tätigen, um für die Aktionäre noch attraktiver zu werden.

swissinfo: Stehen die beiden Konzerne in einem ständigen Konkurrenzkampf?

B.K.: Die Tatsache, dass beide in Basel ansässig sind, macht sie natürlich zu Konkurrenten. Wenn wir jedoch die Märkte und Produkte betrachten, in denen sie tätig sind, stehen die beiden eigentlich weniger in Konkurrenz zueinander, als man sich vorstellt.

Offensichtlich werben sie um die selbe Art von Aktionären und wurden somit von den Investoren stets als Konkurrenten wahrgenommen. Theoretisch sind sie es aber nicht.

swissinfo: Welche Herausforderungen kommen künftig auf die beiden Konzerne zu?

B.K.: Gefordert sind alle Pharmakonzerne in Sachen Pipelines. Diese müssen gefüllt sein, denn wachsen kann nur, wer neue Produkte auf den Markt bringt.

Zudem müssen die Firmen mit Regierungen und Gesundheitsbehörden zusammenarbeiten, um die Preise unter Kontrolle zu halten.

swissinfo-Interview: Matthew Allen

Roche wurde 1896 in Basel gegründet und hat sein Kerngeschäft im Pharma- und Diagnostik-Bereich.

Der Konzern ist Nummer eins im globalen Diagnostik-Markt und führender Anbieter von Krebs- und Transplantations-Medikamenten.

In letzter Zeit wurde der Name Roche oft erwähnt im Zusammenhang mit Tamiflu, dem Medikament, das als am wirksamsten gilt gegen die gefürchtete Vogelgrippe.

Der Konkurrent Novartis, ebenfalls in Basel, hat eine Drittelsbeteiligung an Roche, und Novartis-CEO Daniel Vasella hat wiederholt klar gemacht, dass er eine Fusion der beiden Unternehmen begrüssen würde.

Roche und seine Gründerfamilien haben diese Idee wiederholt zurückgewiesen.

Kennzahlen 2005:
Verkäufe: 35,511 Mrd. Fr. (+20%)
Betriebsgewinn vor Sonderpositionen: 9,025 Mrd. Fr. (+33%)
Konzerngewinn: 6,73 Mrd. Fr. (-5%)
Investitionen Forschung und Entwicklung: 5,705 Mrd. Fr. (+11%)
Dividende: 2,5 Fr. je Titel (+25%)
Nettobarvermögen: 11,215 Mrd. Fr. (+187%)
Anzahl Mitarbeitende Ende 2005: 68’218

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