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Registrationspflicht weiterhin umstritten

Für die ASO hat das Gesetz eine zentrale Bedeutung. Keystone

Der Nationalrat will die Meldepflicht bei einer Schweizer Vertretung für Auslandschweizer aufheben. Damit stellen sich die Volksvertreter gegen den Ständerat. Diese und andere Differenzen beim Auslandschweizer-Gesetz müssen noch bereinigt werden. Die Auslandschweizer Organisation bedauert den Entscheid des Nationalrats.

Die Eigenverantwortung steht im Zentrum des neuen Auslandschweizer-Gesetzes. “Die freiwillige Einschreibung ist kohärent mit der Selbstverantwortung und deshalb vernünftig” sagte Aussenminister Didier Burkhalter vor dem Nationalrat.

Damit überzeugte er die Mehrheit des Rats, der sich gegen eine Registrierungspflicht aussprach. Laut der bislang gültigen Regelung müssen sich Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer bei einem Konsulat oder der Botschaft registrieren lassen. Tun sie dies nicht, hat das allerdings keine Sanktionen zur Folge.

Wenn es nach dem Willen des Nationalrats geht, wird die Registrationspflicht mit der Einführung des neuen Auslandschweizer-Gesetzes abgeschafft. Wer will, kann sich freiwillig registrieren lassen, wird automatisch auch im Stimmrechts-Register eingetragen, kann also ohne weitere Formalitäten an Abstimmungen und Wahlen in der Schweiz teilnehmen.

Im Bundesgesetz über Schweizer Personen und Institutionen im Ausland (Auslandschweizergesetz, ASG) werden die verschiedenen Bestimmungen, die ausschliesslich Auslandschweizerinnen und –schweizer betreffen, in einem Erlass übersichtlich und in sich kohärent zusammengefasst.

Eine wichtige Neuerung: Das Eidgenössische Departement des Äussern (EDA) soll für Auslandschweizer zum “Guichet unique“ – zur zentralen Anlaufstelle – werden.

Wichtig ist auch das Prinzip der individuellen Verantwortung. So hält der Gesetzentwurf fest: “Jede Person trägt die Verantwortung bei der Vorbereitung und Durchführung eines Auslandaufenthaltes oder bei der Ausübung einer Tätigkeit im Ausland.“(Art.5) Daraus folgt, dass der konsularische Schutz kein absolutes Recht ist; die Rolle des Staates ist subsidiär.

Im Gesetz wird auch die elektronische Stimmabgabe (E-Voting) für die Auslandschweizer und die Unterstützung für Institutionen, welche sich zugunsten der Auslandschweizer einsetzen, verankert.

Bedauern bei der ASO

Definitiv ist das allerdings noch nicht, denn der Ständerat hatte sich vor wenigen Monaten für die Beibehaltung der Registrationspflicht ausgesprochen. Dazu kommt, dass sich die Kantone wegen dem befürchteten administrativen Mehraufwand gegen den Automatismus aussprechen. Das Gesetz geht nun zurück an den Ständerat, der sich voraussichtlich im September damit befassen wird.

Die Auslandschweizer Organisation ASO bedauert die Differenzen zwischen den beiden Räten, die nun noch ausgeräumt werden müssen. In einer Mitteilung bemängelt die ASO, dass der Nationalrat die Registrierungspflicht abschaffen will. Das erschwere es dem Bund, seine in der Verfassung verankerte Plicht wahrzunehmen, wonach er die Verbindungen zwischen den Auslandschweizern und ihrem Heimatland zu verstärken hat.

Andere Zeiten

Der Bundesrat verspricht sich von der Abschaffung der Meldepflicht tiefere Kosten. “Die Meldepflicht erleichtert den Behörden die Erreichbarkeit der Auslandschweizer”, konterte CVP-Nationalrat Gerhard Pfister mit Blick auf mögliche Naturkatastrohen oder andere Ereignisse.

“Es macht im Jahr 2014 keinen Sinn mehr, die Pflicht aufrecht zu erhalten. Die Landesgrenzen sind nicht mehr die gleichen wie vor hundert Jahren. Eigenverantwortung ist der richtige Weg”, sagte SP-Nationalrat Andy Tschümperlin.

Auch der freisinnige Kurt Flury plädierte für eine freiwillige Meldepflicht. “Es gibt Auslandschweizer, die wollen sich eintragen und andere wollen das nicht.” Ein Appell ohne mögliche Sanktionen gehöre grundsätzlich nicht in ein Gesetz und die “Folgen des Nicht-Eintragens sind belanglos. Wenn einer in Not gerät, wird er so oder so unterstützt”. Der Rat stimmte mit 140 zu 37 gegen die Registrierungspflicht.

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Mehr oder weniger Bürokratie?

Grundsätzlich sprach sich im Nationalrat lediglich die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) gegen das Gesetz aus. Es sei “überflüssig” sagte SVP-Nationalrat Hans Fehr und führe zu mehr Kosten. “Wenn es Ihnen nur halb Ernst ist, gegen die Bürokratie anzutreten, dann können Sie es nun beweisen”, sagte Fehr seinen Ratskollegen.

Nationalrätin Marianne Streiff sagte im Namen der CVP-EVP Fraktion das Gesetz sei “sinnvoll”, denn es fasse die heute geltenden, “wenig übersichtlichen Bestimmungen” zusammen und führe “in der Praxis zu einer Vereinfachung und weniger Bürokratie”. Ähnlich argumentierten auch die Freisinnigen, die Sozialdemokraten und die Grünen. Der Antrag der SVP auf Nichteintreten hatte keine Chance.

Der Auslandschweizerrat (ASR) vertritt die Interessen aller Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer gegenüber Behörden und Öffentlichkeit in der Schweiz. Er wird deshalb in den Medien oft als “Parlament der Fünften Schweiz” bezeichnet.

Der Rat hat 140 Mitglieder: 120 Delegierte und 20 in der Schweiz lebende Mitglieder.

Die 20 “Inlandschweizer” repräsentieren die Politik und andere für Auslandschweizer wichtige Sektoren wie Wirtschaft, Medien und Kultur.

Sie werden vom Auslandschweizerrat auf Vorschlag des Vorstandes der ASO gewählt.

Die 120 Sitze für die Delegierten sind proportional zur Zahl der Auslandschweizer in einem Land verteilt. Europa hat 60 Delegierte, die USA 30, Afrika 8, Asien 16 und Ozeanien 6.

Auf Länderebene hat Frankreich mit 12 am meisten Delegierte. Deutschland hat 8, die USA ebenfalls 8, Italien 6 und Kanada 5. Alle andern Länder haben weniger als 5 Delegierte.

Die Frage der Demokratie

In der Detailberatung sprach sich der Nationalrat wie zuvor schon der Ständerat dagegen aus, dass auch die Schweizer Schulen im Ausland unter das Auslandschweizer-Gesetz gestellt werden. Hauptargument dagegen: Das Gesetz für die Auslandschulen ist erst kürzlich revidiert worden und wird demnächst in Kraft treten.

Nicht einig sind sich die beiden Ratskammern hingegen in der Frage, wie weit die Wahlen in den Auslandschweizerrat demokratischer organisiert werden sollen. Er höre immer wieder Auslandschweizer, die kritisierten, der Auslandschweizerrat sei “ein Klüngel, der sich selbst organisiert” und nicht jeder habe die Chance, dort hinein gewählt zu werden, sagte SP-Nationalrat Andreas Gross.

Bundesrat Didier Burkhalter sagte, die ASO sei eine privatrechtliche Stiftung und frei, sich und damit auch die Wahlen in den Auslandschweizerrat zu organisieren. Er kündete an, dass der Bundesrat sich im Differenzbereinigungs-Verfahren hinter den Ständerat stellen werde. Dieser will im Gegensatz zum Nationalrat die Forderung nach demokratischen Wahlen nicht ins Gesetz schreiben.

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