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Schärferes Asylgesetz und Volkswahl des Bundesrats

Für die Wahl ihrer Regierung wollen die Stimmenden laut Prognosen nicht an die Urne gerufen werden. Keystone

Soll das Volk an Stelle des Parlaments künftig die Bundesräte wählen, und soll das Asylgesetz ein weiteres Mal verschärft werden? – Darüber hat die Schweiz am Wochenende abgestimmt. Umfragen deuten auf ein Ja zum Asylgesetz und ein Nein zur Regierungs-Wahl durch das Volk hin.

Als Folge des arabischen Frühlings haben die Asylgesuche in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Suche nach Asylunterkünften ist schwierig. Die Asylverfahren dauern in der Schweiz länger als in den EU-Ländern. Das hat das Parlament vor einem knappen Jahr dazu bewogen, eine weitere Verschärfung des Asylgesetzes zu beschliessen.

Für Mitte-Rechts ist die Verschärfung ein Mittel, um effizienter gegen Missbrauch und gegen kriminelle Asylsuchende vorzugehen. Die Linke sieht die humanitäre Tradition der Schweiz in Gefahr.

Konkret sind drei Punkte der Gesetzesrevision umstritten. So sollen Asylgesuche nicht mehr auf einer Botschaft im Ausland eingereicht werden können, sondern nur noch in der Schweiz selber. Deserteure und Wehrdienstverweigerer sollen nicht mehr automatisch als Flüchtlinge anerkannt werden, und Asylsuchende, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit bedrohen, sollen in speziellen Zentren untergebracht werden.

Dass der Bund künftig seine Bauten (vor allem Militäranlagen) ohne kantonale oder kommunale Bewilligungen zur Unterbringung von Asylsuchenden nutzen kann, ist hingegen kaum umstritten. Auch darüber, dass die Verfahren in kürzerer Zeit abgewickelt werden sollen, besteht ein relativ breiter Konsens.

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Volkswahl des Bundesrats ist chancenlos

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Resultate der zweiten Umfrage, die vom Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG durchgeführt wurde, lassen zwei Wochen vor dem Abstimmungssonntag keinen Zweifel daran, dass der Bundesrat vermutlich auch künftig vom Parlament und nicht vom Volk gewählt wird. Wäre jetzt über diese Volksinitiative abgestimmt worden, wäre sie mit 66% der Stimmen…

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Unmenschlich und absurd

Da das Parlament die Änderungen für dringlich erklärt hat, sind sie am 29. September 2012 in Kraft getreten. Dagegen haben ein Teil der politischen Linken, Gewerkschaften und humanitäre Organisationen das Referendum ergriffen.

Die Revision treffe auch die “echten” Flüchtlinge, argumentieren die Gegner. “Die Massnahmen sind zuallererst unmenschlich”, sagte der Grüne Nationalrat Balthasar Glättli gegenüber swissinfo.ch. “In Ländern wie Eritrea, von wo viele Asylsuchende stammen, riskieren Deserteure oder Kriegsdienstverweigerer tatsächlich Folter und harte Strafen. Zudem sind die Massnahmen absurd: Indem wir die Asylanträge in Botschaften verbieten, werden noch mehr Menschen in die Schweiz kommen, um hier ihren Antrag einzureichen.”

12 Kantone haben vom Bundesrat die Bewilligung erhalten, bei der eidgenössischen Volksabstimmung vom 9. Juni 2013 die elektronische Stimmabgabe anzuwenden.

Die Möglichkeit, elektronisch ihre Stimme abzugeben, haben jene Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen, die in den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Bern, Freiburg, Genf, Graubünden, Luzern, Neuenburg, St. Gallen, Schaffhausen, Solothurn und Thurgau registriert sind.

Alle beteiligten Kantone haben bereits erfolgreich Versuche mit der elektronischen Stimmabgabe durchgeführt.

In 2 Kantonen haben auch 71’500 (Genf) und 25’000 (Neuenburg) im Kanton wohnhafte Stimmberechtigte die Möglichkeit, ihre Stimme über das Internet abzugeben.

Insgesamt erhalten somit 163’000 Stimmberechtigte die Möglichkeit, ihre Stimme per Mausklick abzugeben.

Derzeit steht die elektronische Stimmabgabe jenen Auslandschweizern zur Verfügung, die entweder in einem EU-Land, in Liechtenstein, Andorra, Nordzypern, im Vatikan-Staat, in Monaco, San Marino oder in einem der 45 Staaten wohnen, welche die sogenannte “Vereinbarung von Wassenaar” unterzeichnet haben.

Schweiz zu attraktiv

Demgegenüber argumentiert das Bundesamt für Migration, damit werde lediglich die heutige Praxis gesetzlich verankert. Zudem würden Personen, die wegen Wehrdienstverweigerung ernsthaften Nachteilen im Sinne der Flüchtlingskonvention ausgesetzt sind, weiterhin Asyl erhalten. Laut dem Bundesrat zählen zu den Nachteilen nicht nur Verfolgung oder Folter, sondern auch “unverhältnismässig hohe Strafen”.

Die Schweiz sei das einzige Land in Europa, das Deserteure und Wehrdienstverweigerer immer noch als Flüchtlinge anerkenne. “Und sie war eines der wenigen Länder, die noch Asylgesuche auf ihren Botschaften zugelassen haben. All diese Punkte machen die Schweiz als Asylland attraktiv – deshalb müssen sie geändert werden”, sagte Lukas Reimann, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) gegenüber swissinfo.ch.

Volkswahl hat kaum Chancen

Laut Umfragen des Forschungsinstituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR im Vorfeld der Abstimmung werden die Stimmenden der Asylgesetzes-Revision zustimmen. So haben bei der letzten Umfrage 59% angegeben, sie würden Ja stimmen. Lediglich 29% haben sich dagegen ausgesprochen.

Keine Chance hat gemäss den Umfragen die Initiative, die eine Volkswahl des Bundesrates verlangt. 66% sprachen sich für ein Nein aus.

Die Initiative ist eine Spätfolge der Querelen um die Wahl und die Abwahl von Christoph Blocher als Bundesrat. In den späten 1990er-Jahren hatte seine rechtskonservative Schweizerische Volkspartei beschlossen, eine Initiative zur Volkswahl des Bundesrates zu lancieren, da Blocher im Parlament kaum Chancen hatte, gewählt zu werden. Als Blocher 2003 dennoch Bundesrat wurde, landete das Begehren in der Schublade. Nach seiner Abwahl im Dezember 2007 kam es wieder auf die politische Agenda.

In einem für die Partei überaus flauen Wahlkampf scheint es der SVP nicht gelungen zu sein, die breite Bevölkerung für das Anliegen zu mobilisieren. Diesmal komme es höchstwahrscheinlich zu einer Abstimmung, bei der die SVP sich “nicht nur im Parlament gegen den Rest der Welt stellt, sondern auch innerhalb der Bevölkerung”, prognostizierte gfs-Studienleiter Claude Longchamp.

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