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Politische Anreize für die 5. Schweiz

Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit Wohnsitz im Ausland sollen zukünftig eine angemessene Entschädigung für die Kosten von Verpflegung, Unterkunft und Reise erhalten. Keystone

Sonderentschädigungen für Parlamentarier, die im Ausland leben, weniger Bürokratie für Auslandschweizer bei Abstimmungen und Wahlen: Im Jahr der Parlamentswahlen will das Parlament die Diaspora zur Wahrnehmung der politischen Rechte ermuntern.

Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern, die im kommenden Oktober bei den Wahlen kandidieren, soll garantiert werden, dass sie im Fall eines parlamentarischen Mandats Entschädigungen für Verpflegung, Logiernächte sowie Reise- und sonstige Spesen erhalten.

Die Entschädigungen sollen proportional zur Distanz zwischen Bern und dem Wohnort im Ausland beziehungsweise nach den daraus entstehenden Zusatzkosten berechnet werden.

Für diese Berechnung ist eine Unterteilung in drei Wohnortskreise vorgesehen: Grenzländer zur Schweiz, andere europäische Länder, inklusive Türkei, aber nicht Russland, sowie restliche Länder der Welt.

Nach Schätzungen würden die jährlichen Zusatzkosten eines Auslandschweizer Parlamentariers im Grenzländerkreis 5000 bis 15’000 Franken betragen, im europäischen Kreis 20’000 bis 40’000 Franken und im aussereuropäischen Kreis 40’000 bis 80’000 Franken.

“Es geht darum, eine Lücke in der Gesetzesverordnung über die Entschädigungen für Parlamentsmitglieder zu füllen”, betonte Ständerat Hans Altherr im Namen des Ständeratsbüros vor dem Plenum der kleinen Kammer. Der freisinnige Appenzeller musste seine Ratskolleginnen und -Kollegen nicht lange überzeugen: Der Ständerat genehmigte die Änderung der Gesetzesverordnung einstimmig mit 35 Ja-Stimmen und einer Enthaltung.

Der Nationalrat, die grosse Parlamentskammer, hatte das Geschäft bereits im Dezember letzten Jahres mit 130 Ja-, 31 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen genehmigt. Die Nein-Stimmen kamen aus den Reihen der Schweizerischen Volkspartei (SVP), wo es aber auch eine starke Minderheit von Ja-Stimmen gab (22).

Im Hinblick auf Parlamentswahlen

Die Verwaltungs-Delegation der Eidgenössischen Räte, welche die Sonderentschädigungen festlegen muss, wird die Inkrafttretung der veränderten Gesetzesverordnung so fixieren, dass sie bis zu den Parlamentswahlen vom 23. Oktober 2011 angewendet werden kann.

Die Sonderentschädigungen werden den Auslandschweizer Parlamentsanwärtern gewährt, sobald sie gewählt sind (ihr Wohnort muss auf der Wahlliste angegeben werden). Allerdings können nur Parlamentsmitglieder, die als Auslandschweizer kandidiert haben, als Parlamentarier die entsprechende Entschädung beanspruchen.

Vereinfachung für jene, die wählen

Für die Auslandschweizer soll es auch eine kleine administrative Vereinfachung bei der Ausübung ihrer politischen Rechte geben: Schon bald müssen sich die Auslandschweizer, die regelmässig an Abstimmungen und Wahlen teilnehmen, nicht mehr alle vier Jahre wieder ins Wahlregister eintragen lassen, sei es schriftlich oder direkt bei ihrer Wahlgemeinde. Der Ständerat muss dem allerdings noch zustimmen, wie es am Mittwoch der Nationalrat tat, was als wahrscheinlich gilt.

Diese bürokratische Vereinfachung geht auf eine Parlamentarische Initiative der Freiburger Nationalrätin Thérèse Meyer-Kaelin zurück. Für die Vertreterin der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) bezeugt “die aktive Wahrnehmung der politischen Rechte bei Wahlen und Abstimmungen das konkrete Interesse, sich weiterhin am politischen Leben in der Schweiz zu beteiligen”. Deshalb sollte dies für eine Registrierung genügen.

Auch wenn die Landesregierung Verständnis für das Anliegen von Meyer-Kaelin bekundet, besteht sie darauf, “dass bei jeder Vereinfachung immer das Stimmgeheimnis garantiert sein muss”, wie das Bundeskanzlerin Corina Casanova vor dem Nationalrat betonte.

Die Gemeinden dürfen die Wahlberechtigungs-Zertifikate der Auslandschweizer als Beweis der Eintragungs-Erneuerungen nicht aufbewahren. Sie dürfen diese lediglich registrieren.

Andere Regeln für E-Voting

Der Schutz der Geheimhaltung bei Abstimmungen ist jedoch für diejenigen nicht garantiert, die Online abstimmen. Jene Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, die das Recht haben, per Internet abstimmen zu dürfen, können auch die Erneuerung ihres Eintrags im Wählerverzeichnis in elektronischer Form vornehmen. Daher sollten Abstimmen und Eintragen am besten in zwei separaten Internet-Sitzungen vorgenommen werden.

Die Verordnung über die politischen Rechte hält jedoch fest: “Die Massnahmen zur Wahrung des Stimmgeheimnisses müssen sicherstellen, dass elektronische Stimmen bei den zuständigen Behörden anonymisiert zur Auszählung eintreffen und nicht zurückverfolgt werden können.”

Diese Garantie hat sowohl die Landesregierung wie auch den Nationalrat überzeugt. Von letztgenanntem ist keinerlei Einwand gegen die geplanten Änderungen gekommen: Mit 138 zu 0 Stimmen ohne Enthaltungen hat die grosse Kammer zugestimmt. Jetzt fehlt nur noch das Plazet des Ständerats, um die neuen Bestimmungen endgültig zu verabschieden.

Die Zahl der Auslandschweizer und Auslandschweizerinnen hat in den letzten Jahren stetig zugenommen.

Ende 2010 lebten 695’101 bei den Schweizer Vertretungen gemeldete Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, 1,5% mehr als im Jahr zuvor.

Gleichzeitig hat auch das Interesse der Diaspora an der Ausübung der politischen Rechte in der Eidgenossenschaft zugenommen: Die Anzahl der im Wählerverzeichnis einer Schweizer Gemeinde registrierten Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer stieg 2010 um 4,5% auf 135’877.

Trotz dieses Anstiegs sind diese immer noch eine Minderheit, machen sie doch lediglich etwa ein Viertel der 538’243 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland aus, die das aktive und das passive Wahlrecht besitzen.

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