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problem fälschung: eine rolex für 8 Franken

Hier die Meistgesuchten: Links die "Rolex" für 8 Franken, rechts eine "Montblanc" für rund 30 Franken. swissinfo.ch

Perlenmarkt Hong Qiao in Peking: Unter den "Perlen" funkeln Tausende gefälschter Schweizer Armbanduhren. An den Verkaufsständen werden sie problemlos gehandelt.

Das Phänomen der Fälschungen ist in China weit verbreitet . Der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie bezeichnet es sogar als “Hauptproblem der Branche”.

“Hello, hello, watch, Rolex!” Wer über den Markt Hong Qiao von Peking schlendert, vorbei am Himmels-Tempel, einer der wichtigsten Attraktionen der Stadt, wird immer wieder angesprochen.

Ein Verkaufsstand reiht sich hier an den andern. Zwischen Socken und Unterhosen, Schals aus Kaschmirwolle oder Seide, Zubehör für Computer, Souvenir und Krimskrams gibt es auch eine Art von Juwelier-Ständen mit “Marken”-Uhren: Alles Fälschungen.

Sieben Tage pro Woche herrscht hier Betrieb. Zwischen folkloristischen Sicherheits- Kräften drängen sich Einheimische, Touristen sowie in China ansässige Ausländer. Rolex,

Breguet, Longines, Omega, Blancpain, Tag Heuer, Patek Philippe, Vacheron Constantin, IWC – es scheint so, als ob wirklich alle grossen Namen der Schweizer Uhrenindustrie präsent sind.

“Sind es wirklich Schweizer Uhren?”, frage ich einen Verkäufer. “Nein”, antwortet er ehrlich. “Einige kommen aus Taiwan, andere aus Shenzhen. Aber schau sie dir ruhig an. Diese hier ist echt gut!” Er zeigt mir ein schwarzes Automatik-Modell von Montblanc.

Das Uhrband sieht nicht gerade nach Qualitätsware aus: Weicher Kunststoff, der höchstens einige Tage halten wird. Aber die Uhr, ich kann es kaum glauben, scheint in Ordnung zu sein. Das Zifferblatt ist sogar hübsch.

Neben mir taucht eine sichtlich wohlhabende Frau mit französischem Akzent auf. Sie fragt nach einem bestimmtem Modell von Patek Philippe. Der Verkäufer kramt einen Katalog heraus und zaubert in Kürze das gewünschte Modell hervor. “Ja, hier ist es”, ruft er. Der Deal ist in Sekundenschnelle erledigt.

Ich spreche noch über die Qualität – “sehr unterschiedlich zwischen den verschiedenen Uhren”, wie der Verkäufer einräumt – und den Preis. Am Ende einigen wird uns: Die Montblanc-Uhr und ein Rolex-Modell für Frauen aus Metall für insgesamt 200 Yuan, ein bisschen mehr als 30 Franken.

“Die Rolex kann ich dir für 50 Yuan (zirka 8 Franken) geben, aber

die Montblanc ist von besserer Qualität, da kann ich nicht unter die 150 Yuan gehen”, betont er. Er hat nicht einmal Zeit sich zu verabschieden, schon muss ein neuer Handel getätigt werden.

Nicht nur Hong Qiao

Das Beispiel vom Markt in Hong Qiao ist kein Einzelfall. Sowohl in Peking wie auch in anderen chinesischen Städten gibt es etliche dieser Märkte. Der Verkauf gefälschter Ware wie Schweizer Uhren erfolgt dort alles andere als diskret.

“Das ist ein riesiges Problem für uns”, meint Jean-Daniel Pasche, Präsident des Verbandes der Schweizerischen Uhrenindustrie. “China ist der Topmarkt für Fälschungen, sowohl für die

Herstellung als auch für den Verkauf, der häufig ganz frei und offen abgewickelt wird.”

Der Verband hat Kontakt mit der chinesischen Regierung aufgenommen, die sich ihrerseits bereit erklärt hat, zu handeln. “Doch der Kampf wird lange dauern”, prophezeit Pasche.

Die Schweizer Industrie muss sich zudem auch um den Handel von gefälschter Ware via Internet kümmern.

Fälschungen übers Internet

Tausende von Online-Shops verkaufen Artikel “Swiss Made”, die Zahl von Fälschungen übertrifft inzwischen die Zahl der Originale. Dies geht zu Lasten des Labels

“Swiss Made”. “Mit Hilfe der lokalen Behörden konnten wir bereits einige Falschware beschlagnahmen lassen. Die Artikel werden zerstört. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass die Fälscher vor Gericht gestellt werden”, sagt Pasche. “Aber es ist ein schwieriger Kampf.”

swissinfo, Marzio Pescia, Peking (Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Die Schweizer Uhrenindustrie fertigt rund 25 Millionen Artikel pro Jahr.
Die Imitationen unterschiedlichster Qualität erreichen mittlerweile eine Stückzahl von 40 Millionen.
70% der gefälschten Ware wird in Asien hergestellt, vor allem in China.

Die Nachahmung von Schweizer Uhren existiert seit mehreren Jahrzehnten.

Früher war das Phänomen vor allem in Japan, Hongkong, Thailand und Taiwan verbreitet. Inzwischen steht China an erster Stelle. Dort hat der Kampf gegen den Handel mit gefälschten Markenartikeln gerade erst begonnen.

Der durch gefälschte Ware entstandene Schaden wird von der Schweizer Uhrenindustrie auf 800 Millionen Franken pro Jahr geschätzt.

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