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Prometheus trifft Seejungfrau

'Das Volk des Prometheus' übt seinen Auftritt vor der leeren Zuschauertribüne. swissinfo.ch

Die Proben für die Eröffnungsfeier der Expo.02 vom 14. Mai laufen auf Hochtouren. Sie sind geprägt von Intensität und Lust.

Die Seejungfrau hat eine kleine Pause. Sie lehnt an der Wand der muschelförmigen Halle, welche sich gegen die Zuschauertribüne am anderen Ufer der Thielle öffnet. Drinnen singt der Chor, begleitet vom Pianisten. Die Musik bringt Prometheus und die Menschen auf der grossen blauen Bühne daneben zum Tanzen und Leben.

Rund 60 Choristen und 60 Bühnenstatistinnen üben auf in Yverdon den zweiten Akt der Eröffnungszeremonie der Expo.02. Jenen Teil der Feier, der auf den vier Arteplages Yverdon, Murten, Biel und Neuenburg je eine andere Geschichte zeigen wird. Doch alle diese Geschichten drehen sich um die eine Figur: Prometheus.

In Yverdon schenkt Prometheus den Menschen das Feuer. Mit einer imaginären Fackel in der Hand tanzt er im ersten lockeren Probelauf dieses Abends über die Bühne, durch Menschenmassen, welche ihn begeistert empfangen und später einem Rausch der Sinne erliegen. Riesige Augen werden auf die Bühne gerollt, ein Ohr, ein Mund und eine Nase.

Regie: Zufrieden bis kritisch

Mitten drin im Geschehen auf der Bühne steht Regisseur François Rochaix. “Ihr seid die Kinder des Prometheus”, ruft er den Statistinnen und Statisten zu und diese recken sich noch ein bisschen selbstbewusster. “Verspieltheit” verlangt er von den Jongleuren. Oft ist er zufrieden: “Très bien”.

Regieassistent Roger Merguin mischt sich unter die Darstellerinnen und Darsteller, bewegt sich mit ihnen, formt aber gleichzeitig klare Linien, entlang welchen sich die Masse über die ganze Bühne bewegt. Gegenüber swissinfo findet er nur lobende Worte für seine Truppe: “Allen ist klar, dass wir ein gemeinsames Ziel haben”.

Entspannt bei der Sache

Nicht nur gemeinsam geprobt wird hier, sondern auch gemeinsam getrunken und gegessen, geplaudert und gelacht. Nach dem ersten Probelauf öffnen die Choristen ein paar Flaschen Wein, Weissen und Rosé. Die Dunkelheit senkt sich über die Szenerie, ein paar hundert Meter entfernt wird die Konstruktion der so berühmten Wolke beleuchtet. Die Lichter spiegeln sich funkelnd auf dem Seewasser.

Die kleine Pause der Seejungfrau ist gleich vorüber, sie richtet ihren hautengen, blau-lilafarbenen Dress. Eine Seejungfrau zu sein sei gar nicht so einfach, erzählt sie. Sie sei “ein Fisch, der schwimme, gleichzeitig aber auch eine unerreichbare und doch anziehendeTraumfrau”.

Wenig später ist sie in der Dunkelheit verschwunden. Musik setzt ein, es plätschert in der Thielle: ein Schwarm Seejungfrauen windet sich aus dem Wasser, die Treppe hinauf auf die Bühne. Nun hat Prometheus echtes Feuer in der Hand. Kraftvoll und doch voller Leichtigkeit tanzt er mitten durch Feuergarben, die aus dem Boden schiessen.

Angst und Lust

Am Schluss der Szene scharen sich die Darsteller um ihre beiden Regisseure. Die Besprechung dauert lange, es wird gefragt, gezeigt und auch gelacht. Françoix Rochaix hat für jeden Zeit, Anliegen nimmt er ernst. Auch jenes der jungen Frau, die sich über eine Änderung des Probeplans ärgert.

Seiner Aufgabe, diese Eröffnungsfeier auf die Beine zu stellen, widmet er sich mit seiner ganzen Person. Es ist 22 Uhr abends. Nach der Probe stehen noch zwei Sitzungen auf dem Programm. Pro Nacht kommt er derzeit zu etwa “drei bis vier Stunden Schlaf”, erzählt er.

“Es muss unbedingt gelingen, und das erzeugt einen ungeheuren Stress”, sagt er, “aber natürlich auch Freude und Lust.” Voller Lust jedenfalls erzählt er von seiner “Erfindung” zur Koordination der elfteiligen Feier, welche auf den vier Arteplages gleichzeitig stattfindet.

Er hat sich Bilder ausgedacht, welche am Schluss einer Szene sowohl in Biel, Neuenburg, Murten und Yverdon inszeniert und auf die Leinwände der andern Arteplages übertragen werden sollen. Stimmen die Bilder überein, kann die nächste Szene beginnen. “Das Publikum soll diesen Kitzel spüren”.

Kathrin Boss Brawand

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