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Recht auf Lehrstellen?

Gemäss Initiative sollen Bund und Kantone einspringen, wenn die Wirtschaft nicht genügend Lehrstellen bereitstellt. L'apprentissage est l'un des piliers de la formation professionnelle en Suisse.

Aufgeschreckt durch den Mangel an Lehrstellen will die Initiative "für ein ausreichendes Berufsbildungsangebot" das Recht auf eine Berufsausbildung in der Bundesverfassung verankern.

Regierung und Parlamentsmehrheit geht die Initiative zu weit.

In einem sind sich Gegner und Befürworter der Volksinitiative “für ein ausreichendes Berufsbildungsangebot (Lehrstellen-Initiative)” einig: Das duale System – die gleichzeitige Ausbildung in Gewerbeschule und Lehrbetrieb – ist ein wichtiger Eckpfeiler der Schweizer Bildungspolitik.

Genügend und qualitativ hochstehende Ausbildungsplätze wollen alle. Uneinig ist man sich allerdings über den Weg hin zu möglichst vielen gut ausgebildeten Fachkräften.

Kantone und Bund in Verantwortung nehmen

Jungparteien und Jugendorganisationen haben ihre Lehrstellen-Initiative 1999 eingereicht, unter dem Eindruck des Lehrstellen-Rückgangs in den 90-er Jahren.

Sie fordern, dass Bund und Kantone einspringen, wenn die Wirtschaft nicht genügend Lehrstellen bereitstellt. Weiter verlangt die Initiative einen neuen allgemeinen Berufsbildungsfonds.

Der Fonds soll von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern gespeist werden, wobei die Kosten der angebotenen Ausbildungsplätze angerechnet werden können.

Mit diesem Ansatz wollen die Initianten die “Trittbrettfahrer” der Unternehmen bestrafen: Diejenigen, welche keine jungen Leute ausbilden, jedoch von den gelernten Fachkräften profitieren.

Notwendig für die langfristige Sicherung des Angebotes…

Die sozialdemokratische Nationalrätin Vreni Müller-Hemmi unterstützt die Initiative. Sie verweist auf die Tausenden von jungen Leuten, die keine Lehrstelle finden. “Und auch viele der anderen machen zuerst einen veritablen Hürdenlauf und schreiben oft unzählige Bewerbungen.”

Es gehe nicht an, dass weniger als ein Fünftel aller Betriebe Lehrlinge ausbilde. “An unserem System ist etwas falsch. Es braucht langfristig wirkende Massnahmen, und diese bietet die Initiative.”

Diese Haltung fand jedoch weder bei Regierung noch Parlamentsmehrheit Gehör. Der Nationalrat lehnte die Initiative mit 91 Nein zu 55 Ja ab, der Ständerat mit 32 Nein zu 5 Ja.

…oder zu viel Bürokratie?

Die Verpflichtung, dass der Bund in die Wirtschaft eingreifen müsse, geht den Gegnerinnen und Gegnern des Volksbegehrens zu weit.

Bereits während der 90-er Jahre hat der Bund mit Notmassnahmen und Millionen von Franken die Lehrlingsausbildung unterstützt. Daraus habe man gelernt und das Berufsbildungs-Gesetz entsprechend geändert, erklären die Gegner der Initiative.

Sie befürchten, mit dem vorgeschlagenen Berufsbildungsfonds würde die Bürokratie aufgebläht und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen eingeschränkt.

“Das Berufsbildungs-Gesetz umfasst nun alle Berufe ausser den Hochschulberufen und ermöglicht ein modernes Berufsbild”, sagt der freisinnige Nationalrat Johannes Randegger gegenüber swissinfo.

Der Bund könne auch ohne neuen Verfassungsartikel in konjunkturell schwierigen Zeiten Ausbildungsangebote finanzieren. Das ermögliche das Berufsbildungs-Gesetz, betont Randegger.

Es brauche partnerschaftliche Zusammenarbeit von Wirtschaft, Bund und Kantonen. “Und dabei hat die Wirtschaft der Forderung Genüge zu tun, dass genügend Lehrstellen angeboten werden.”

Am 18. Mai entscheiden Volk und Stände über die Initiative.

swissinfo, Eva Herrmann

Die Lehrstellen-Initiative will das Recht auf eine ausreichende berufliche Ausbildung in der Bundesverfassung verankern.

Wenn die Wirtschaft nicht genügend Lehrstellen bereitstellt, sollen Bund und Kantone einspringen.

Mit einem neuen allgemeinen Berufsbildungsfonds sollen Betriebe, welche keine Fachkräfte ausbilden aber davon profitieren, zur Kasse gebeten werden.

Regierung und bürgerliche Parlamentsmehrheit setzen auf freiwillige Vereinbarungen mit der Wirtschaft, sie lehnen die Initiative als “zu starr” ab.

Eine ähnliche Initiative “für eine gesicherte Berufsbildung und Umschulung” lehnten die Stimmberechtigten 1986 deutlich ab (über 80% Nein-Stimmen, Ablehnung in allen Kantonen).

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