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Riechstoffe und Aromen erfreuen die Sinne

Roman Kaiser beim Analysieren der Aromastoffe einer Ananas. Keystone

Die Schweizer Firma Givaudan ist zwar weltweit führend bei der Herstellung von Riechstoffen und Aromen, doch die Produkte der Firma bleiben hinter den Marken ihrer berühmten Kunden versteckt.

Die Wissenschafter im Forschungszentrum der Firma mischen nicht nur chemische Stoffe zusammen, sondern beschäftigen sich dabei mit den reizvollsten Eigenschaften der Natur.









Roman Kaiser, Duftjäger im Dienste von Givaudan, macht seine Entdeckungen meist weit entfernt von seinem Dübendorfer Labor.

Seit Jahren packt er regelmässig eine Reisetasche, um an exotischen Schauplätzen neue Duftnoten für die Kunden seiner Firma zu entdecken.

Zwei seiner letzten Reisen hatten ihn zu den Baumkronen der Urwälder von Französisch-Guayana und Madagaskar geführt.

Auf einer Art Floss stehend, das an einem kleinen Luftschiff befestigt war, sammelten Kaiser und seine Kollegen Duftproben von den Kronen der unter ihnen aufragenden Bäume.

Die Suche nach neuen Riechstoffen geht auch in weniger luftigen Höhen weiter. Wenn die Duftjäger eine Pflanze mit einer interessanten Note finden, pflücken sie diese nicht einfach.

Stattdessen überdecken sie den so genannten Gasraum der Pflanze – den Umkreis, in dem ihr Duft wahrgenommen werden kann – und sammeln die Riechstoffe, die sie in die Luft abgibt. Diese Proben werden später analysiert, um die genaue chemische Zusammensetzung zu bestimmen.

Spürnase

Doch was macht einen Duft interessant? Spezialisten wie Kaiser verlassen sich, wie könnte es anders sein, auf ihre Spürnase – das Beste was die Natur in diesem Bereich zu bieten hat.

Kaiser sagt, er habe im Lauf der Jahre sein Duftwissen so ausgebaut, dass er wie ein erfahrener Weinverkoster die einzelnen Elemente identifizieren könne, die einen Riechstoff ausmachen.

Doch das allein reicht nicht, um festzustellen, was den Kunden gefallen könnte. “Es ist jedesmal ein Abenteuer, wenn wir losziehen, aber wir müssen mit Resultaten zurückkommen”, erklärt er im Gespräch mit swissinfo.

Sobald der Duftjäger in sein Labor zurückkehrt, übernimmt die Technologie die Führung. Pflanzen abschneiden, um Duftstoffe zu entnehmen, kommt nicht in Frage.

“Bei unseren Reisen ins Feld geht es nicht nur darum, die Quellen von Riechstoffen zu bestimmen”, sagt Kaiser. “Mit unserer Bestandesaufnahme vor Ort tragen wir auch zur Erhaltung der Artenvielfalt bei. Das ist auf diesen Expeditionen eines unserer Ziele.”

Die chemische Analyse verrät schliesslich die genaue Zusammensetzung des Riechstoffs. Sobald dessen chemische Bestandteile bekannt sind, lässt er sich im Labor problemlos synthetisch nachbilden und nach Belieben verändern.

Giftig

Der Wiederaufbau von chemischen Verbindungen hat einige Vorteile. Estragol zum Beispiel, eine im Anis natürlich vorhandene chemische Verbindung, ist in reiner Form giftig. Durch eine geringfügige Änderung der Formel lassen sich ihre gefährlichen Eigenschaften ausschalten.

Riechstoffe und Aromen aus den Labors von Givaudan werden auf Schadstoffe und auf ihre Umweltwirkung geprüft.

“Unsere Produkte gehen in die ganze Welt und müssen verschiedenste Zulassungsverfahren bestehen, bevor sie freigegeben werden”, erklärt Sam Derrer, Vizepräsident für Duftchemie.

Die Chemiker stellen auch nicht wahllos irgendwelche Riechstoffe her. Laut Derrer setzt die menschliche Physiologie der Duftvielfalt gewisse Grenzen: was man nicht riechen kann (oder was zu aufdringlich riecht), lässt sich nicht verkaufen.

Die Forscher versuchen auch Duft-Verbindungen auf Menschen zuzuschneiden, indem sie olfaktorische (geruchliche) Genrezeptoren klonen.

Ein nicht zu unterschätzender Faktor sind auch die Kosten. Je komplexer ein Riechstoff, desto teurer seine Herstellung.

Geschmack

Aromen für die Nahrungsmittelindustrie erfordern einen anderen Ansatz. “Bei Aromen sind die Leute in der Regel konservativer”, erklärt der Aromatiker Thomas Hefti.

Was die meisten Leute nicht realisieren, ist, dass wir Aromen mehrheitlich mit dem Geruchssinn wahrnehmen. Unsere Geschmacksknospen können nur vier – oder bestenfalls sechs – Grundgeschmäcke unterscheiden: süss, salzig, sauer und bitter, sowie zwei weitere, die als Unami und Natriumglutamat bekannt sind.

Rund 60 bis 70% aller im Handel erhältlichen Aromen unterscheiden sich nicht von den entsprechenden natürlichen Aromen. Der Rest sind Variationen.

Das Aroma einer Banane setzt sich aus 30 bis 50 chemischen Stoffen zusammen. Indem man den einen oder anderen dieser Bestandteile leicht verändert, schafft man Variationen. Der Kniff besteht darin, das Aroma überall auf der Welt zu reproduzieren, bevor man den Entscheid fällt, es in die Produktion zu geben.

“Die Herstellung von Aromen beruht auf einer Mischung aus Wissenschaft, Intuition und Erfahrung”, sagt Hefti im Gespräch mit swissinfo. “Wir versuchen noch immer, eine gemeinsame Sprache zu entwickeln, mit der sie sich beschreiben lassen.”

Léon Givaudan gründete das Unternehmen 1898, doch die Vorgeschichte der Firma lässt sich bis zur Französischen Revolution zurückverfolgen.

1963 wurde Givaudan vom Roche Pharma-Konzern in Basel gekauft.

Im Juni 2000 wurde Givaudan wieder aus dem Roche-Konzern ausgegliedert und ist nun eine unabhängige Firma, die an der Schweizer Aktienbörse gehandelt wird.

2002 übernahm Givaudan von Nestlé das Aromageschäft.

Givaudan ist der weltgrösste Hersteller von Riechstoffen und Aromen.

Das Unternehmen verzeichnete 2005 eine Nettogewinnsteigerung um 21% auf 406 Mio. Franken.

Der Gruppenumsatz betrug 2,78 Mrd: Franken, was einem Zuwachs von 2,5% entspricht.

(Übertragung aus dem Englischen: Dieter Kuhn)

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