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Schweizer Ansprüche an deutschen Finanzmarkt

Schweizer Banken, hier ein Mitarbeiter der Credit Suisse, wehren sich gegen erschwerten Zugang zum deutschen Markt. Keystone

Der Schweizer Regierung will sich in Deutschland für einen freien Zugang von Schweizer Finanzdienstleistern auf dem dortigen Markt stark machen.

Die Gespräche haben zum Ziel, die von deutscher Seite verhängten Hindernisse gegen die Schweiz abzubauen.

In jüngster Zeit bereitet der nördliche Nachbar Deutschland der Schweiz einige Sorgen. Stichworte sind der Fluglärmstreit, die angekündigten Warenzölle für Re-Exporte in die EU sowie die verschärften Grenzkontrollen. Jetzt sieht sich die Schweiz einer neuen Massnahme Deutschlands gegenüber.

Schweizer Banken und Finanzdienstleister würden künftig eine Erlaubnis der deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht (BaFin)benötigen, wenn sie in Deutschland Geschäfte machen wollen, hatte das deutsche Finanzministerium im vergangenen Herbst angekündigt.

Gesetz noch 2004

Nun liess Barbara Hendricks, Staatssekretärin im deutschen Finanzministerium, verlauten, dass eine entsprechende gesetzliche Regelung noch in diesem Jahr ins deutsche Parlament komme. Weil die Schweiz weder zur Europäischen Union (EU) noch zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) gehöre, seien das Prinzip der einheitlichen Lizenz und die automatische gegenseitige Anerkennung der Herkunftsstaatsaufsicht nicht anwendbar. Dies erklärte Hendricks in Interviews, die am Wochenende in der Schweizer Presse veröffentlicht wurden.

Gegen eine solche Regelung will sich die Schweizer Regierung wehren und sich für einen möglichst uneingeschränkten Marktzutritt von Schweizer Banken in Deutschland einsetzen. Dies schrieb die Landesregierung in ihrer Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss des christlich-demokratischen Nationalrats Felix Walker. Walker ist ehemaliger Vorsitzender der Gruppe der Raiffeisen-Banken.

Argument Konsumentenschutz

Angekündigt hatte sich die Massnahme im vergangenem Herbst: Banken aus Nicht-EWR-Staaten würden neu eine Bewilligung brauchen, um in Deutschland Bankgeschäfte zu tätigen oder Finanzdienstleistungen zu erbringen, hielt das Finanzministerium in Berlin in einem Merkblatt fest.

Deutschland begründet die Restriktionen damit, dass bloss EU-Recht gegenüber Nichtmitgliedern angewendet werde. Ziel sei es, die deutschen Konsumenten vor unseriösen Anbietern zu schützen.

Wirksame Kontrollmechanismen

Der Bundesrat redet in seiner Antwort Klartext: Die Schweiz habe eine gut funktionierende Finanzplatzregulierung und -aufsicht, die höchsten internationalen Standards entspreche und international anerkannt sei. Ein spezielles Schutzbedürfnis deutscher Kunden wies der Bundesrat zurück.

Weiterer Punkt, den die Schweizer Regierung anführt: Die Bewilligungspflicht habe “eine erhebliche Rechtsunsicherheit für Schweizer Anbieter” zur Folge. Die Erbringung von Finanzdienstleistungen und der Marktzutritt aus der Schweiz nach Deutschland könne stark beeinträchtigt werden. Für gewisse Tätigkeiten könnte der Marktzutritt sogar unterbunden werden.

Freistellung möglich?

Barbara Hendricks hatte in den Interviews mit der Schweizer Presse dazu erklärt, dass für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, die gemäss den internationalen Standards beaufsichtigt würden, eine Freistellung von der Erlaubnispflicht möglich sei. Für Schweizer Unternehmen sei dies “zweifelsohne der Fall”.

Schweizerische Skepsis

Der Bundesrat zeigte sich aber skeptisch ob solcher Töne. “Trotz für die Schweiz grundsätzlich wohlwollenden Äusserungen seitens der deutschen Behörden sieht das veröffentlichte Merkblatt keine spezielle Lösung für Schweizer Anbieter vor”, hiess es in der Stellungnahme des Bundesrates.

Grosses Problem

Für die Schweizer Banken bedeute die Gesetzesänderung ein ernsthaftes Problem, sagte James Nason, Sprecher der Schweizer Bankiervereinigung, gegenüber swissinfo. “Deutschland ist ein wichtiger Markt, der neue Kunden für die Schweizer Finanzdienstleister bringt.”

Wenn Deutschland seine Bankkunden wirklich schützen wolle, sollte ein Unterschied zwischen Ländern mit einer guten und solchen mit einer schlechten Finanzmarkt-Aufsicht gemacht werden, fordert Nason. Dies ungeachtet, ob sie zu EU gehörten oder nicht.

“Die Schweizer verstehen nicht, wieso sie in den selben Topf geworfen werden wie einige Länder mit schwächerer Regulation”, so Nason. “Das hat einen leichten Beigeschmack von Protektionismus.”

Entspannung auf höchster Ebene angesagt

Wie am Mittwochabend aus dem Schweizer Aussenministeriums bekannt wurde, wollen die Schweiz und Deutschland ihr angespanntes Verhältnis mit einer Reihe von Gesprächen auf Ministerebene angehen.

Der Besuchsreigen wird nächsten Mittwoch mit einem Treffen zwischen dem deutschen Aussenminister Joschka Fischer und seiner Schweizer Amtskollegin Micheline Calmy-Rey in Bern eröffnet. Thema der Gespräche seien neben dem angespannten Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz auch die bilateralen Verhandlungen, hiess es.

swissinfo und Agenturen

Letzten Herbst kündete Deutschland an, dass Banken aus Ländern, die nicht der EU und dem EWR angehörten, eine Erlaubnis brauchen werden, um in Deutschland tätig sein zu können.

Damit sollen Kunden in Deutschland vor Banken geschützt werden, die in Ländern mit einer schwachen Aufsicht beheimatet sind.

Der Bundesrat will in Gesprächen mit Deutschland die Rücknahme der Gesetzesänderung erreichen.

Das Argument: Die Aufsicht über die Schweizer Banken sei eine der strengsten weltweit.

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