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Schweizer Hauptmann als IOK-Direktor

Urs Lacotte ist die neue Nummer 2 beim IOK in Lausanne. swissinfo.ch

Der Berner Urs Lacotte, Offizier der Schweizer Armee, ist seit Anfang November Direktor des Internationalen Olympischen Komitees (IOK).

Der Manager ist die neue rechte Hand von Jacques Rogge, dem belgischen IOK-Präsidenten.

“Bahnbillet einfach” von der Kasernenstrasse in Bern zum Château Vidy nach Lausanne, dem Hauptsitz des Internationalen Olympischen Komitees. Dies ist die Reise, für die sich Urs Lacotte entschied.

Der höhere Offizier der Schweizer Armee hat den Generalstab in Bern verlassen, um den Direktorensitz des IOK zu übernehmen, den der Waadtländer Rechtsanwalt François Carrard nach 40 Jahren frei machte.

Als bewährte Führungskraft und Diplomat gilt der Berner mit elsässischen Wurzeln gleichzeitig als Spezialist in Sachen Sport. swissinfo traf die rechte Hand des Belgiers Jacques Rogge, Präsident des IOK.

swissinfo: Sie läuten eine neue Ära ein beim IOK: Sie sind der erste Direktor mit Vollzeitstelle. Fühlen Sie sich dadurch unter Druck gesetzt?

Urs Lacotte: Ich spüre viel mehr Demut und Stolz. Veränderungen machen mir keine Angst; ich weiss was sie bedeuten. Mehrmals habe ich meine Berufs-Karriere neu ausgerichtet und zwischen dem öffentlichen Bereich und der Privatwirtschaft hin und her gewechselt.

Meine 100%-Anstellung als CEO muss man vor dem Hintergrund der Evolution des IOK sehen. In den letzten 20 Jahren war das Wachstum enorm.

Die Prüfungen vor zwei bis drei Jahren haben deutlich gezeigt, dass eine Vollzeit-Verwaltung auf der Stufe der Generaldirektion angebracht ist.

In Lausanne zum Beispiel hat die Zahl der Angestellten sich in den letzten zwanzig Jahren von 20 auf über 250 vervielfacht. Nur schon das Verwaltungs-Budget liegt bei 65 Mio. Dollar. Und das sind lediglich 8% des Budgets der gesamten Organisation, wenn wir alles Geld einbeziehen, das an die diversen Verbände und Organisations-Komitees geht.

swissinfo: Der IOK-Präsident Jaques Rogge hat sie zu seiner rechten Hand ernannt. Was werden Ihre Hauptaufgaben sein?

U.L.: Aus meiner Sicht gibt es mehrere grosse Herausforderungen. Die erste ist, das schnelle Wachstum zu konsolidieren, das wir von Präsident Samaranch geerbt haben.

Die zweite besteht darin, die Qualität der olympischen Spiele zu sichern. Dieses Treffen ist das Markenzeichen des IOK und sogar der Grund für dessen Bestehen. Aktuell heisst die grosse Herausforderung Athen 2004.

Die dritte Aufgabe wird darin bestehen, weiter die Qualität der Verwaltung zu verbessern indem sie wirksamer und transparenter gestaltet wird.

Schliesslich müssen wir alles mobilisieren im Kampf gegen Gewalt, Korruption und Doping.

swissinfo: Gegenwärtig rüttelt der Dopingskandal um das Steroid THG – Tetrahydrogestrinon – die Welt des Sports auf. Ist der Kampf gegen die Schummler nicht von Anfang an verloren?

U.L.: Sport ist ein Gesellschafts-Phänomen. Er ist nicht besser oder schlechter als unsere Gesellschaft. Er spiegelt gewissermassen die Gesellschaft und deren Probleme. Das beunruhigt uns und darum müssen wir uns engagieren.

Was das Doping betrifft, wäre die Alternative zur Bekämpfung die Liberalisierung! In diesem Fall würde es sich um eine Kapitulation handeln. Es wäre der Verzicht auf die grundlegendsten Werte, an die wir glauben.

swissinfo: Diese Werte werden insbesondere von der internationale Anti-Doping-Agentur (WADA) verteidigt. Aber einige Verbände wie der internationale Fussballverband FIFA melden Vorbehalte an.

U.L.: Der durch die WADA verordnete Kodex ist als solcher von Verbänden und Regierungen auf der ganzen Welt anerkannt und ein wichtiges Kampfwerkzeug gegen das Doping.

Er gibt einen Rahmen vor, eine einheitliche Doktrin. Aber das System muss sich als flexibel genug erweisen, um sich an die Eigenheiten der Sportarten anzupassen.

In diesem Sinne verstehe ich die Wünsche der Fussball- und Fahrrad-Verantwortlichen, die gemäss den Besonderheiten ihrer Disziplinen behandelt werden wollen.

swissinfo: Verschiedene Ereignisse wie der Bosman-Erlaß um Transfer-Regelungen oder der Fall des FC Sion zeigen, dass die Gesellschaft sich durch die Gerichte immer mehr in die sportliche Welt einmischt. Beunruhigt das Sie?

U.L.: Nein. Das Geschäft, die Handelsinteressen, werden immer
wichtiger. Die Gesellschaft entwickelt sich und das gleiche gilt
für den Sport. Man muss praktikable Lösungen finden um die
Probleme zu lösen.

Wir müssen uns anpassen, ebenso wie wir uns an die Klimaerwärmung anpassen müssen.

swissinfo: Viele Schweizer nehmen Direktionsplätze in internationalen Sport-Instanzen ein. Haben Sie dafür eine Erklärung, abgesehen davon, dass mehrere Hauptsitze sich in unserem Land befinden?

U.L.: Die Schweizer sind Schaffer. Das macht nicht notgedrungen
bessere Personen aus ihnen. Aber als Schweizer wird man sehr früh mit einer anderen Kultur konfrontiert. Man lernt andere zu achten, Kompromisse zu schliessen und diplomatisch zu Wirken.

swissinfo-Interview, Mathias Froidevaux
(Übertragen aus dem Französischen von Philippe Kropf)

Urs Lacotte hat seine Funktion als Nummer 2 des IOK am 1. November 2003 übernommen.

Der 49-jährige Berner wurde vom IOK-Präsidenten ausgewählt und im Juni von den IOK-Kommissionen bestätigt.

Er ist der erste IOK-Direktor mit einer 100%-Anstellung.

Er tritt die Nachfolge des Lausanner Anwalts François Carrard an.

Urs Lacotte wird am kommenden 25. Dezember 50 Jahre alt.

Er hält Abschlüsse der Universitäten Bern und Bayreuth und ein MBA der Universität St. Gallen.

Er ist Spezialist für die Bereiche Management, Sport-Verwaltung und Geografie.

Von Dezember 1982 bis Mai 1984 war er Direktions-Assistent des Schweizerischen Landesverbands für Sport (heute: Swiss Olympic).

Von 1984 bis 1990 arbeitete er für die Luftwaffe im Verteidigungs-Departement.

Anfangs der 90er-Jahr wechselte Lacotte in den Privatsektor und wurde Projektleiter bei der Elektrowatt Engineering in Südost-Asien. Darauf wechselte er zurück ins Verteidigungs-Departement VBS und arbeitete im Generalstab.

In all den Jahren blieb er technischer Delegierter für Swiss Ski.

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