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Sozialforum in Paris ein Erfolg

Zehntausende gingen zum Abschluss des zweiten europäischen Sozialforums auf die Pariser Strassen. Keystone

Zehntausende Gegner der kapitalistischen Globalisierung demonstrierten in Paris zum Abschluss des Europäischen Sozialforums (ESF). Während vier Tagen diskutierte die Zivilgesellschaft Alternativen.

Teilnehmende Schweizerinnen und Schweizer zeigten sich befriedigt.

“Für uns Schweizer war es ein Anlass mit riesigen Dimensionen”, sagte Christian Tirefort, Zentralpräsident der Mediengewerkschaft “Comedia” am Telefon aus Paris gegenüber swissinfo. “250 Seminare, 100 Workshops und 50 Plenar-Sitzungen – es war ein riesiges Laboratorium für Ideen.” Insgesamt nahmen laut dem ESF über 50’000 Personen an den Anlässen teil.

Gross fiel auch die Abschlusskundgebung vom Samstagnachmittag aus: Zehntausende – laut Polizei 40’000, gemäss den Organisatoren 100’000 – marschierten in festlicher, farbiger Atmosphäre durch den Ostteil der französischen Hauptstadt. Ihr Motto: “Für ein Europa der sozialen Rechte in einer Welt ohne Krieg.”

Unter den Teilnehmern der Demonstration waren vor allem Anhänger des Anti-Globalisierungs-Bündnisses Attac, Vertreter von Gewerkschaften und von linksgerichteten Parteien. Das beherrschende Symbol waren Fahnen in Regenbogenfarben mit der Aufschrift “Pace” – Frieden. Einzelne Gruppen forderten die Stationierung von Blauhelm-Truppen in den Palästinensergebieten.

Irak, Palästina und EU-Verfassung als drängende Punkte

“Der Krieg in Irak war sehr präsent. Aber als Hauptproblem wurde das Palästina-Problem betrachtet”, schätzt Tirefort die dominierenden Themen ein. “Es gab beispielsweise eine Veranstaltung mit israelischen Dienstverweigerern, die von über 2000 Personen besucht wurde.”

Auch über die geplante EU-Verfassung sei intensiv diskutiert worden. “Einige Schweizer nahmen an einer Veranstaltung über verschiedene Sozialmodelle teil. Man war sehr interessiert an unseren Erfahrungen mit dem liberalen Schweizer Sozialstaat: Wir konnten zeigen, dass er an seine Grenze kommen kann – beispielsweise bei den Krankenkassenprämien oder beim Rentenklau.”

Steuerflucht-Netzwerk festigt sich

“Wir hatten in Paris so etwas wie eine Generalversammlung der europäischen Steuerflucht-Gegner”, sagte Bruno Gurtner gegenüber swissinfo. Gurtner engagiert sich für die Schweizer Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke “Swisscoalition” in einem Netzwerk gegen Steueroasen. “Wir haben Gespräche mit Attac Frankreich und Gewerkschaften geführt und unsere Seminare stiessen auf grosses Interesse”, zeigt er sich zufrieden.

Gurtner sieht einen Prozess entstehen, der von Sozialforum zu Sozialforum reicht. “Wir haben in Paris unsere Arbeit weitergeführt, die wir am ersten europäischen Sozialforum in Florenz um am Weltsozialforum in Porto Alegre begonnen haben”, sagt er. “Wir haben darum auch beschlossen, am Weltsozialforum in Indien im Januar teilzunehmen.”

“Kitt für die Bewegung”

Auch der Gewerkschafter Tirefort sieht Fortschritte vom ersten ESF in Italien zu jenem im Frankreich. “Man merkt deutlich, dass die Positionierung der verschiedenen Bewegungen und politischen Kräfte immer präziser wird. Die Meinungen ändern sich, die Diskussionen untereinander sind viel toleranter geworden”, sagt er. “Der Boden dafür wurde am letzten ESF in Florenz vorbereitet.”

Es sei auch klar geworden, dass das ESF keine Organisation werden dürfe, die Macht besitze und ausübe, sondern ein Instrument, das Menschen ermögliche etwas “zu machen”.

Gurtner führt einen weiteren Punkt auf, warum Sozialforen hilfreich für die soziale Bewegung seien: “Es ist wichtig für unsere Arbeit, dass wir nicht nur per Mail und Telefon kommunizieren, sondern auch persönlich soziales Leben pflegen. Das hilft uns weiter. Das ist Kitt für die Bewegung.”

swissinfo, Philippe Kropf

Das erste Europäische Sozialforum (ESF) fand 2002 in Florenz statt. Die ursprünglich aus dem brasilianischen Porto Alegre stammenden Sozialforen verstehen sich als Gegenstück zu den Gipfeltreffen der Politiker. Das nächste Weltsozialforum (WSF) findet im kommenden Januar im indischen Mumbai statt. In Fribourg fand im letzten September das erste Schweizer Sozialforum statt.

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