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SVP: Blocher und Schmid, oder Opposition

SVP-Präsident Ueli Maurer sprach vor 520 Delegierten in der mit Kantons- und Schweizer Fahnen geschmückten Festhalle in Sempach. Keystone Archive

Entweder Samuel Schmid und Christoph Blocher in den Bundesrat, oder Opposition: Die SVP-Delegierten segnen Strategie der Parteispitze ab.

Die Delegierten der Sozialdemokratischen Partei wollen die Wahl Blochers mit allen Mitteln verhindern.

Zwar lehnten nicht wenige, die an der Delegiertenversammlung in Sempach LU das Wort ergriffen, den Gang in die Opposition ab oder warnten davor. Widerspruch gab es vor allem aus Graubünden und Bern. Vereinzelt wurde auch das Vorgehen der Parteileitung nach dem Wahlsieg kritisiert.

Dennoch zeichnete sich in der von über 30 Rednerinnen und Rednern benützten Diskussionsrunde der Sukkurs für die Entweder- oder-Strategie schon früh ab. Der Entscheid fiel mit 449 zu 7 Stimmen bei 57 Enthaltungen deutlich aus.

Demnach wird sich die Schweizerische Volkspartei aus dem Bundesrat zurückziehen, wenn nur einer der beiden offiziellen Kandidaten oder eine andere SVP-Person gewählt wird. Allfällige Gewählte, welche ihr Amt annehmen, würden aus der Fraktion ausgeschlossen.

Zweiter Sitz: Auf Kosten der CVP – oder der SP



Für die SVP ist auch klar, dass die CVP als kleinste Bundesratspartei auf einen Sitz verzichten muss. Allerdings steht die unmittelbar nach den Wahlen erhobene Forderung nicht mehr so absolut da. Allenfalls würde die SVP einen Sitz auf Kosten der SP akzeptieren.

Die Delegierten genehmigten nämlich mit 448 zu 13 Stimmen einen Zusatzantrag aus der Waadt. Demnach geht die SVP, falls nach dem vierten Wahlgang zwei CVP-Vertreter gewählt sind, gegen die SP vor und strebt eine bürgerliche Regierung an. Ein ähnlich lautender Antrag, der konkret auf Micheline Calmy-Rey zielte, wurde zurückgezogen.

Zum Auftakt der Versammlung zeigte sich SVP-Präsident Ueli Maurer überzeugt, dass am kommenden 10. Dezember die Glaubwürdigkeit der Partei auf dem Spiel stehe. Es sei glaubwürdiger, auf eine Vertretung im Bundesrat zu verzichten als deswegen Kompromisse bei den Wahlversprechen einzugehen.

Schmid hofft auf Wahl Blochers

Weniger klar als die Delegierten drückte sich Bundesrat Samuel Schmid aus. Er hoffe, dass Christoph Blocher in den Bundesrat gewählt wird, sagte er. Ob er weiter im Bundesrat bleibe, wenn Blochers Wahl scheitere, liess er offen. Er werde das “in eigener Verantwortung” entscheiden.

In nachfolgenden Interviews in der Sonntagspresse deutete Schmid an, dass er auch bei einem Gang der SVP in die Opposition im Bundesrat bleiben könnte. Denn eine Wahl durch das Parlament wäre eine Legitimation zur Ausübung des Amts.

Kandidat Blocher seinerseits freut sich auf die Zusammenarbeit mit Schmid im Bundesrat. Sollte die Wahl scheitern, bleibe nur der Gang in die Opposition: Nicht aus Vergnügen, sondern aus Verantwortung. Die Erwartungen an ihn seien gross, er werde aber nicht alle erfüllen können, gab Blocher zu bedenken.

Wenn nicht CVP, dann SP

Die angestrebte Strategie wurde von vier Nationalräten vertreten. Laut Caspar Baader (BL) und Toni Brunner (SG) ist die SVP für eine arithmetische Konkordanz. Mit anderen Worten, für einen zweiten Bundesratssitz zu Lasten der CVP. Allerdings nicht um jeden Preis. Wenn die Bundesversammlung die beiden vorgeschlagenen Kandidaten nicht wähle, bleibe nur der Weg in die Opposition.

Sollte die Attacke gegen der beiden CVP-Bundesräte scheitern, will die SVP auf eine bürgerliche Regierung hinarbeiten und den SP-Sitz von Micheline Calmy-Rey angreifen. Ein entsprechender Antrag aus der Waadt wurde mit 448 zu 13 Stimmen gutgeheissen.

Dahinter steht der Gedanke, dass eine Bestätigung der beiden CVP-Bundesräte einem Bruch der Konkordanz mit Hilfe der Sozialdemokratischen Partei (SP) gleichkäme.

Sozialdemokraten bekräftigen Anti-Blocher-Kurs

Auch die Sozialdemokratische Partei (SP) hielt am Samstag eine Delegiertenversammlung ab. Dabei sprach Fraktionschefin Hildegard Fässler erstmals Klartext: Die SP werde am 10. Dezember an den Bundesratswahlen geschlossen die CVP-Bundesräte Ruth Metzler und Joseph Deiss wieder wählen.

Damit bekräftigte die SP ihren Anti-Blocher-Kurs. Die Delegierten wollen die Wahl Blochers nicht einmal indirekt durch Leerstimmen fördern (damit vermindert sich das Quorum der Vereinigten Bundesversammlung und der Kandidat braucht weniger Stimmen für die absolute Mehrheit).

Fässler will verhindern, was Blocher als zweite Option anstrebt: Nämlich dass der Bundesrat von einem Vierer-Bürgerlichenblock dominiert werde. Deshalb ist die SP gegen das Szenario “zwei Rechtsfreisinnige und zwei SVP-Vertreter”.

Wunsch nach Fraktionsdisziplin

Falls die SVP mit ihrer Attacke gegen den SP-Bundesratssitz von Micheline Calmy-Rey Erfolg hätte, was Fässler als relativ unwahrscheinlich bezeichnet, “werden wir wahrscheinlich nicht mehr mitmachen”. Für sie mache es wenig Sinn, wenn die SP als Wahlsiegerin nur mit einem Sitz in der Regierung verbleibe. Diese Frage müsse jedoch noch in der Fraktion diskutiert werden.

Die Fraktionschefin hofft nun, dass sich alle Fraktionsmitglieder an diese Beschlüsse halten werden. Eine schweizerische Eigenart bei der Wahl der Regierung (des Bundesrats) durch das Parlament besteht darin, dass die Parlamentarier sich eben oft nicht an die Fraktionsdisziplin halten.

Die 200 Delegierten beschlossen am Samstag ausserdem, am 6. März einen ausserordentlichen Parteitag zur künftigen Ausrichtung der SP durchzuführen, die mehr in Richtung Opposition zielen soll. Es bestehe die Gefahr, dass die Linke nach der Bundesratswahl am 10. Dezember ihre Rolle neu finden und Konsequenzen ziehen müsse, wurde der Antrag begründet.

Dominanz der Rechten

SP-Präsidentin Christiane Brunner warnte in ihrer Wahlbilanz vor der Dominanz der Rechten, die überdies gespaltener sei denn je.

Einerseits müsse die SP ihr grosses Potenzial für Widerstand und Vorschläge im Parlament nutzen. Parallel dazu müsse sie mit den Mitteln der direkten Demokratie Opposition betreiben.

Dank der Unterstützung von Gewerkschaften und anderen sozialen Organisationen sei die SP gerüstet, um erfolgreich Referenden durchzuführen, so Brunner.

swissinfo und Agenturen

Die Delegierten der SVP stehen klar hinter dem Kurs der Parteispitze und Fraktion.

Falls Christoph Blocher und Samuel Schmid bei der Bundesrats-Wahl vom 10. Dezember nicht gewählt werden, soll die Partei in die Opposition.

Kritische Töne kamen vor allem aus Bern und Graubünden.

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