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Ton, Steine, Hackbrett – Soundtrack zum Durchstich

Klangerzeuger Norbert Möslang und seine Gerätschaften: Tiefster Auftritt als Karriere-Höhepunkt. Dani Fels

Erst die Klangmischung aus Stein, Hackbrett und Elektronik, danach der Lärm der Maschine zum Durchstich: Am grossen Tag im Gotthard-Basistunnel am 15. Oktober sorgt ein ungewöhnliches Trio mit Norbert Möslang für einen ungewöhnlichen Soundtrack.

Alte Kassettenrekorder, musikalisches Kinderspielzeug, Velolichter: Kaum ein zivilisatorisches Gut, mit dem Norbert Möslang keine Klänge erzeugt.

Der 58-jährige St. Galler gehört in der Schweiz zu den Pionieren des so genannten Hardware-Hackings oder des Knackens von Alltagselektronik, wie es auf gut deutsch heisst.

Am 15. Oktober wird der “Hardware-Hacker” Möslang zu einem Mineur in Sachen Tunneltonwerk.

Zusammen mit Arthur Schneiter, der durch Reiben und Klopfen Steine zum Klingen bringt, und dem Hackbrettspieler Töbi Tobler, führt Möslang den prominenten Gästen des Festakts eine Unter-Tages-Sinfonie auf.

Zu den einmaligen Klängen werden in der Kaverne, wo der Festakt stattfindet, Fotografien von besonderen Gesteinsschichten und Gesteinsformationen auf und aus dem Gotthard auf eine Betonwand projiziert.

Einzigartiger Auftritt

“Es ist ein sehr spezieller Anlass, an dem wir in einer sehr speziellen instrumentalen Zusammensetzung spielen”, sagt Norbert Möslang gegenüber swissinfo.ch.

Das Trio konzertiert tief im Berg drin, 27 Kilometer vom Nord- und 30 Kilometer vom Südportal entfernt, 2500 Meter unter dem Piz Vatgira, einem Fast-Dreitausender, der an der Passstrasse des Lukmaniers liegt.

“Mit den drei Klangquellen versuchen wir, gewisse Stimmungen zu erzeugen und aufzunehmen”, beschreibt er das Konzept. Die knapp einstündige Klang-Performance soll die eintreffenden Gäste mit Verkehrsminister Moritz Leuenberger an der Spitze auf die Feier tief im Berginnern einstimmen.

Zwar haben Möslang/Schneiter/Tobler die Felshalle im Vorfeld besichtigt. Einen Soundcheck aber können sie erst am Vortag machen. Nervös ist der Ostschweizer, der seit rund 40 Jahren auftritt, deswegen aber nicht. “Wir haben über Tag schon verschiedene Sachen ausgetestet, und es hat nicht schlecht funktioniert”, so Möslang.

Tunnel-Resonanz

Zudem stellt der Auftritt im Tunnel für ihn kein Novum dar. Bereits vor fünf Jahren war er bei der Feier zum Durchstich des Lötschberg-Basistunnel aufgetreten. “Damals waren die Musiker auf mehrere Standorte verteilt, die Beiträge ergaben einen Gesamtklang. Im Gotthard versuchen wir, eine Konzertsituation zu schaffen”, so Möslang.

Wenn er den Auftritt als “völlig anders” bezeichnet, meint Möslang aber nicht nur den Anlass und die Zusammensetzung des Trios. “Der Tunnel beschleunigt die Töne in eine Richtung”, beschreibt der Klangerzeuger die Resonanz.

Auch die Konzertvorbereitung wird ungewohnt sein. “Die Fahrt an den Spielort im Berginneren dauert rund eine Stunde, und der Aufbau der Geräte und Instrumente wird sicher aussergewöhnlich”, freut sich Möslang.

Das Blinken des Velolichts

Als wichtiges “Instrument” setzt er Velobeleuchtung ein. Die Diodenlichter mit ihren diversen Blinkmodi erzeugen Licht-Rhythmen, die Möslang mittels eines Infrarotempfängers in Klänge umwandelt. Die tiefen Bässe erzeugt er mit einem Sinustongenerator. Je weiter die Lichtquelle vom Umwandler entfernt ist, desto schwächer das Licht und desto tiefer die Töne.

Die Vorfreude auf den Auftritt ist gross. “Schade ist einzig, dass nicht mehr als rund 200 Menschen live dabei sein können”, bedauert Möslang.

Aber dank der Direktübertragung des Fernsehens der deutschen, französischen und italienischen Schweiz werden die drei, sonst nur beklatscht von einem kleinen Kreis von Liebhabern des Elektronik-Genres, für einmal im Rampenlicht einer grösseren TV-Öffentlichkeit stehen.

Danach werden Norbert Möslang, Arthur Schneiter und Töbi Tobler auf einen Auftritt-Höhepunkt verweisen können, der 2500 Meter tief unter dem Berg stattfand.

Zum Durchstich des Gotthard-Basistunnels finden am 15. Oktober mehrere Anlässe statt.

Der offizielle Festakt im Tunnel ist in ein kulturelles Programm eingebettet, das der Regisseur und Träger des Hans-Reinhardt-Rings Volker Hesse inszeniert.

Neben dem Trio Möslang/Schneiter/Tobler tritt auch Christian Zehnder auf. Der Stimmvirtuose wird den Tunnel mit seiner Mischung aus alpin angehauchten Melodien, Jodel und Obertongesang füllen.

Roman Signer führt am Ausgang des Schachts von Sedrun eine Sprengaktion durch.

Mineure, Projektbeteiligte und geladene Gäste feiern den historischen Hauptdurchschlag auf den Baustellen in Sedrun, Erstfeld und Faido sowie im KKL Luzern.

Feierlichkeiten gibt es auch für die Einwohner der Portalgemeinden Erstfeld, Bodio, Faido und Sedrun.

Die Feiern im Tunnel überträgt das Schweizer Fernsehen live.

Nach der Inbetriebnahme des 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunnels wird die Schweiz wieder über den längsten Eisenbahntunnel der Welt zu verfügen.

Aktuell steht die Röhre im japanischen Seikan (54 km) noch auf Platz Eins.

Der Gotthard-Basistunnel übertrifft auch andere wichtige Bauwerke wie den Eurotunnel zwischen Frankreich und England (53 km) oder den Strassentunnel Laerdal in Norwegen (25 km). Letzterer wurde 2000 eingeweiht und löste den Gotthardtunnel als längsten Strassentunnel der Welt ab.

Der Gotthard-Basistunnel wird auch die im Bau befindlichen Brennerbasistunnel (55km) und den Mont-Cenis-Basistunnel (53 km) übertreffen.

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