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Und plötzlich bist du in der Welt zu Hause

Herbert Schmid und Martin Wyss (rechts unten) swissinfo.ch

Hunderte von Schweizerinnen und Schweizern arbeiten im humanitären Bereich im Ausland. Sei das für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, IKRK, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA, für private Hilfswerke oder internationale Organisationen. Alle paar Jahre wechseln sie ihr Umfeld und müssen sich neu zurecht finden.

“Acht Jahre lang lebte ich in Moçambique. Das ist mir zur zweiten Heimat geworden. Mittlerweile arbeite ich seit über zwei Jahren auf dem Balkan. Müsste ich in ein anderes Balkanland gehen, würde ich mich immer noch ziemlich zu Hause fühlen”, sagt Martin Wyss.

Der 44-jährige Bieler ist seit 17 Jahren als “Internationaler” tätig. Er lebte auf den Philippinen, im Sudan, in Eritrea, Moçambique, Mali und Kroatien. Seit einem Jahr leitet er das Büro der IOM, der Internationalen Organisation für Migration in Skopje. Seine moçambikanische Frau und die Kinder leben in Genf.

Heimat

“Für mich gibt es ganz klar zwei Zuhause: Sicher die Schweiz: Es ist sehr wichtig, Kontakte und Freundschaften zur Schweiz zu behalten. Würde ich den Bezug zur Schweiz aufgeben, könnte es schwierig werden. Dann aber gibt es auch die neuen Heimaten, die man sich aufbauen kann.” Aus allen Ländern, in denen er gearbeitet habe, habe er auch Freundschaften mitgenommen, sagt Herbert Schmid.

Elf Jahre verbrachte der 49-jährige Herbert Schmid bislang im Ausland. Er arbeitete in Moçambique zwei Jahre für das Landwirtschaftsministerium, später als Koordinator für die DEZA zusammen mit dem obgenannten Martin Wyss, dann in Südafrika. Gegenwärtig amtet er als Leiter des “Kobüs”, des Koordinationsbüros der Schweizer Entwicklungs-Zusammenarbeit in Skopje.

Herbert Schmid hat immer die Vision gehabt, einmal international tätig zu sein und in anderen Kulturen zu arbeiten. Aus diesem Grund habe er Ökonomie studiert.

Martin Wyss fühlt sich in zwei Welten zu Hause – in Moçambique und Norditalien. “Auch wenn ich kein eigentliches Zuhause habe, so habe ich doch ein geistiges Zuhause. Dort, wo ich die meiste Zeit verbringe, bin ich fast ausschliesslich an die Arbeitswelt gebunden.”

Auch Martin Wyss hat diese Lebensart bewusst gewählt. Es habe ihn in die Ferne gezogen, in Länder, in denen die Menschen herzlicher und offener miteinander umgehen als in der Schweiz.

Elend als Broterwerb

Schon als Jung-Delegierter beim IKRK habe er sich beschwert, dass er zu viel verdiene, erklärt IOM-Leiter Wyss. Die Diskrepanz zwischen der armen Lokalbevölkerung und dem “unnatürlichen Reichtum der sogenannten expatriierten Community” beschäftige ihn zwar noch immer. Mehr zu denken gebe ihm aber, dass er sich, um es unverschämt auszudrücken, manchmal als nützlich empfinde, wenn er Menschen habe helfen können. So zum Beispiel während des Kosovo-Kriegs bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme. Es sei auch eine grosse Genugtuung, wenn man durch seine Arbeit politisch etwas bewirken könne.

Entwicklungs-Zusammenarbeit in ärmeren Ländern sei eine Herausforderung. “Natürlich ist man immer wieder mit schwierigen Situationen konfrontiert, man lebt in Ländern, die im Krieg sind”. Das sei nicht immer leicht. “Die Herausforderung, an solchen Entwicklungsprozessen zu arbeiten, entschädigt auf der anderen Seite aber für sehr vieles”, betont Herbert Schmid. Es sei eine Arbeit mit vielen kleinen Erfolgserlebnissen, angereichert durch Kontakte mit engagierten Menschen.

Ob unruhige Seelen, Abenteurer oder humanitäre Helfer…

“Man braucht eine gewisse Abenteuerlust, aber auch eine gewisse Sicherheit in sich selber. Man muss sich auf sich selber verlassen und schwierige und unvorhergesehene Entwicklungen aushalten können”, sagt Herbert Schmid, der sich als ruhigen Charakter bezeichnet.

Ein humanitäres Engagement sei klar da. Aber er habe immer auch eine grosse Abenteuerlust verspürt, meint Wyss: “Früher gingen die Gesellen auch auf Wanderschaft.”

Sesshaftigkeit ist kein Thema

Weder Martin Wyss noch Herbert Schmid denken im Moment an eine Änderung ihres Lebensstils. Beide wollen das Leben ausserhalb der Schweiz weiterführen. Herbert Schmid: “Meine Frau und ich können uns aber sehr gut vorstellen, uns im Alter in Moçambique niederzulassen.”

Er sei zwar noch ein bisschen jung, um ans Rentnerleben zu denken, meint Martin Wyss. Eines sei für ihn jedoch klar: “Ich brauche kein eigentliches Zuhause mehr in der Schweiz.”

Gaby Ochsenbein, Skopje

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