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UNO-Konferenz über Folgen der globalen Finanzkrise

Reuters

Die Auswirkungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Entwicklung steht im Zentrum einer UNO-Konferenz in New York. Die Schweizer UNO-Mission in New York warnt vor zu grossen Erwartungen.

Die weltweite Wirtschaftskrise, die auf die Finanzkrisen in den Industriestaaten zurückgeht, hat in den armen Ländern besonders ernste Folgen: Nach UNO-Angaben wird die Zahl der unterernährten Menschen bis Ende 2009 erstmals auf mehr als eine Milliarde ansteigen.

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hat schon vor sozialen Unruhen und dem Zusammenbruch ganzer Staaten als Folge der Finanzkrise gewarnt.

Bei der Konferenz geht es neben Unterstützung für die ärmsten Staaten der Welt auch um den Dialog über eine umfassende Reform der globalen Finanzarchitektur.
Alle Staaten sollen dabei über die Folgen der Krise sprechen und ihre Anliegen einbringen können.

Kontrapunkt zur G-20

Dies, um einen Kontrapunkt zu setzen zu den Beratungen der G-20-Staaten, die von verschiedener Seite als wenig transparent und nicht repräsentativ eingestuft wird. Vor allem die ärmsten Entwicklungsländer fühlen sich von der G-20 übergangen.

Für Alliance Sud, die Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke, ist es wichtig, dass es mindestens bei der Hilfe gegen die unmittelbaren Folgen der Krise in den ärmsten Ländern Fortschritte gibt. Diese Staaten, die am meisten unter der Krise litten, deren Ursache in den Industriestaaten liege, brauchten mehr Unterstützung.

“Die unabdingbare Hilfe an die ärmsten Länder ist bei den Beschlüssen der G-20 bisher auf der Strecke geblieben”, erklärt Mark Herkenrath von Alliance Sud gegenüber swissinfo.ch.

1% der Stimulus-Summen

Ein Ansatz, sagt Herkenrath, wäre die Einrichtung eines multilateralen Krisenfonds. Dieser Vorschlag von Weltbank-Präsident Robert Zoellick war von einer Expertengruppe um den Nobelpreisträger Joseph Stiglitz aufgenommen worden, die im UNO-Auftrag einen Bericht zur Finanz- und Wirtschaftskrise erstellte.

Gespiesen werden könnte dieser Fonds mit 1% der Stimulus-Summen, welche die Industriestaaten zur Stützung ihrer Wirtschaften gesprochen haben. Der Fonds sollte von einem paritätisch besetzten Gremium verwaltet werden, ausserhalb der Bretton-Woods-Institutionen.

Dass die Schweiz den IWF mit zusätzlich rund 10 Mrd. unterstützt, begrüsst Alliance Sud, wünscht sich aber, dass das Land auch die ganz armen Staaten stärker unterstützt. Unter dem Motto “Weniger nehmen” appellieren die Hilfswerke zudem an die Schweiz, mehr zu tun gegen Steuerflucht aus den ärmsten Staaten.

Langes Ringen um Konsens

Die Finanzkrisen-Konferenz war wegen anhaltender Verhandlungen über ein Grundlagenpapier um ein paar Wochen verschoben worden.

Erst kurz vor Konferenzbeginn konnten sich die Verhandlungs-Delegationen auf einen Text einigen. Dies gab Miguel d’Escoto Brockmann, der Präsident der UNO-Generalversammlung, der für die Organisation der Konferenz zuständig ist, am Dienstag bekannt.

Der Text muss noch vom Generalausschuss angenommen werden. Brockmann zeigte sich erfreut über die Einigung und vorsichtig optimistisch, dass der vorliegende Kompromiss im Konsens angenommen werden könne. Das Dokument soll die wichtigsten Anliegen der ärmsten Länder aufnehmen.

Der erste Entwurf hatte auf Empfehlungen der Stiglitz-Kommission beruht. Diese forderte unter anderem einen weitreichenden Umbau der globalen Finanzarchitektur. Vor allem den Industrieländern war der Entwurf zu weit gegangen.

Ein Knackpunkt war unter anderem die Reform der Stimmrechtverteilung beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank, die bislang vor allem von den USA und den europäischen Ländern dominiert werden. Von dieser Debatte ist auch die Schweiz betroffen, die bei einer Reform Stimmrechte verlieren dürfte.

Was erhofft sich die Schweiz?

Im Vorfeld der Konferenz sagte der Schweizer UNO-Botschafter Peter Maurer in New York gegenüber swissinfo.ch: “Es ist klar, dass Entscheide über neue Ansätze im globalen Finanzsystem und Auswege aus der Krise nicht nur von einem kleinen Kreis von Ländern wie der G-20 getroffen werden sollten, da muss die ganze Staatengemeinschaft einbezogen werden.”

Bei vielen Delegationen habe es Erwartungen gegeben, dass man sich stärker mit der globalen Finanzarchitektur befassen würde. Die Konferenz könne diesen Anspruch aber realistischerweise nicht erfüllen, sagte Maurer unter Hinweis darauf, dass die meisten Länder nicht von Staats- oder Regierungschefs vertreten sein werden.

“Das Maximum, das wir erwarten dürfen, ist eine angemessene Reflexion darüber, welche Politiken wir brauchen, um den Entwicklungsländern zu helfen, die Folgen der Krise möglichst gut abfedern zu können.”

Aber 2010 – 5 Jahre nach dem letzten UNO-Gipfel und 10 Jahre nach der Verabschiedung der Millenniumsdeklaration – biete sich eine Gelegenheit, all die wichtigen Fragen ins Zentrum einer Gipfelkonferenz zu stellen – mit einem breiteren Blick auf die UNO-Reform.

Rita Emch, swissinfo.ch, New York

An der dreitägigen Konferenz, die am 24. Juni (Mittwoch) beginnen soll, nehmen nur etwa zwei Drittel der UNO-Staaten teil, knapp 70 bleiben der Veranstaltung fern. Die Einberufung des Treffens war 2008 an der UNO-Konferenz über Entwicklungsfinanzierung in Doha beschlossen worden.

Nach UNO-Informationen vom Montag werden gut 20 Staats- und Regierungschefs, 3 Vize-Regierungschefs, 32 Minister und 27 Vizeminister zu der Konferenz erwartet.

Die Schweizer Delegation wird von Martin Dahinden geleitet, Chef der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza).

Der Präsident der UNO-Generalversammlung, Miguel d’Escoto Brockmann, hatte mehrfach an die Staatengemeinschaft appelliert, möglichst hochrangige Vertreter an die Konferenz zu entsenden, damit diese ihr ganzes Potential entfalten könne.

Zur Gruppe der 20 (G-20) gehören die stärksten Industrienationen und aufstrebenden Volkswirtschaften. Die G20 repräsentiert zwei Drittel der Weltbevölkerung, 85% der globalen Wirtschaftskraft und einen Grossteil des weltweiten Handels.

Die G-20 entstand 1999 nach den schweren Wirtschaftskrisen in Asien und Russland als Dialogplattform zwischen Industrie- und Schwellenländern.

Beim Treffen in Washington wurden im letzten Jahr die Weichen für die grösste Weltfinanzreform seit mehr als 60 Jahren gestellt.

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