Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

“Divided we stand” – Reise durch gespaltene USA

Das renommierte Schweizer Fotografenpaar Mathias Braschler und Monika Fischer präsentiert mit "Divided we stand" einen eindrücklichen fotografischen Querschnitt durch die USA. Wir haben uns mit Ihnen über die Reise, die Motivation und die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft unterhalten.

Als Donald Trump 2016 zum Präsidenten gewählt wurde, befand sich das Paar in New York. Schon damals war die Spaltung in der Bevölkerung durch die Wahl Trumps spürbar.

2019 begaben sich Braschler/Fischer auf einen viermonatigen Road Trip quer durch die USA und porträtierten verschiedene Menschen. Sie reisten durch 40 Bundesstaaten, fuhren durch Vororte und Slums, Grossstädte und Provinzen. Überall auf der Suche nach Charakterköpfen und Stimmen, die ihre Situation schilderten. Ihren Van hatten sie zum mobilen Fotostudio umgerüstet. Dieses wurde für jeden Porträtgast an Ort und Stelle aufgebaut. 

swissinfo.ch: Was hat Sie dazu bewogen, diese Reise durch die USA anzutreten?

Monika Fischer & Mathias Braschler: Die Vereinigten Staaten ziehen uns schon seit vielen Jahren in ihren Bann. Für unsere Arbeit reisen wir sehr viel, aber in keinem anderen Land haben wir mehr Zeit verbracht, abgesehen von unserer Heimat, der Schweiz. Als wir die Wahl von Donald Trump am 8. November 2016 in New York miterlebten, waren wir genauso überrascht wie viele Amerikaner auch.

Wie war es nur möglich, dass ein Mann wie Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt wurde? Was hatte so viele Menschen dazu bewogen, einen Populisten zu wählen, der nur sehr dürftige Qualifikationen für dieses hohe Amt vorzuweisen hatte? Wir wollten herausfinden, was die Leute zwischen New York und Los Angeles bewegt, was ihre Sorgen und ihre Hoffnungen sind. So reifte in uns der Entschluss, uns nochmals auf eine Entdeckungsreise durch das Land zu machen, um einen tieferen Einblick in die Seele der Vereinigten Staaten zu erhalten.  

Was zieht Sie in den Bann dieses Landes? Alleine die Schönheit? 

Die Natur sowie auch die Städte sind wirklich wunderschön! Die Faszination liegt auch in der Widersprüchlichkeit dieser Nation, den Extremen, der Weite, der Offenheit und der Spontanität der Menschen. Natürlich stimmt das schon lange nicht mehr, dass es das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist, doch wenn man etwas machen will, lässt man einen.

Wie haben Sie sich entschieden, welche Personen Sie anfragen möchten? Wie viele Porträts haben Sie insgesamt gemacht?

Wir haben nur ganz wenige Personen recherchiert. Das waren Leute vom Militär, der Marine oder im öffentlichen Dienst. Die anderen Porträts sind spontan auf der Reise entstanden. Natürlich haben wir auf eine Mischung der Regionen, der Hautfarbe, der Berufe, der sozialen Schichten geachtet. Insgesamt haben wir 115 Porträts gemacht.

War es schwierig, die Leute vor die Kamera und zum Reden zu bringen?  
Nein, gar nicht, wir haben praktisch keine Absagen erhalten. Sobald die Menschen merken, dass man sich ehrlich für sie interessiert, sind sie voll dabei. Einzelne haben bis zu drei Stunden von sich erzählt.

Haben / würden Sie auch mal so ein Projekt in der Schweiz machen?

das Paar
Monika Fischer und Mathias Braschler Braschler/Fischer

Ja, das haben wir. Wir haben ein Buch gemacht “Die Schweizer”.Externer Link Da planten wir auch einen Roadtrip, da stösst man jedoch ständig an eine Grenze. In der Schweiz ist das ganz anders, da ist die Scheu viel grösser und man muss den Terminkalender für ein Porträt zücken.

Sobald ein Termin abgemacht wird, hat es nicht mehr dieselbe Spontanität, da überlegt man sich, was man anziehen soll, denkt sich Aussagen aus. Speziell die Frauen in der Schweiz sind zurückhaltend. Es herrscht eine andere Bescheidenheit, “wieso fragt ihr gerade mich, es gibt doch viel spannendere Personen”. Das überlegen sich die Amerikaner gar nicht.

Zurück zu den USA. Sie haben sich entschieden, die Menschen im Fotostudio abzulichten. Wäre es nicht noch aussagekräftiger gewesen, die Menschen in ihrem realen Umfeld zu zeigen? Bei der Arbeit, im Haus, auf der Strasse?

Nein, genau das wollten wir nicht. Die Absicht war, die Menschen visuell zu demokratisieren. Sobald man sie in ihrem Umfeld sieht, zum Beispiel in einer kleinen unaufgeräumten Wohnung, entsteht sofort ein anders Bild. Es ging uns um die Reduktion, alle sollten gleich behandelt werden, damit man sich auf die Person konzentrieren kann.

Wie haben Sie auf Menschen reagiert, die anders denken als Sie, gar rassistische Aussagen machten, Ihnen besonders nahe kamen oder selber Hilfe benötigen?

Wir haben uns komplett zurückgenommen. Wir sind Zuschauerin und Zuhörer. Es geht in dieser Arbeit absolut nicht um unseren Standpunkt. Genau diese Extreme wollten wir einfangen und darstellen.

Welche gesellschaftlichen Themen sind aufgetaucht, als Sie mit den Leuten gesprochen haben?

Die tiefe Spaltung der Nation bedingt durch den Präsidenten beschäftigt die Menschen sehr. Beide Seiten, Trump-Gegner wie Befürworter, bedauern dies. Auch arbeiten die Menschen enorm viel und haben dennoch kleine Einkommen. Der amerikanische Traum weicht einer Hoffnungslosigkeit. Drogen sind ein riesiges Problem, das wird in Europa vollkommen unterschätzt. Opioide sind unheimlich verbreitet, je nach Region variieren sie, doch das Ausmass ist enorm. Auch hat die Obdachlosigkeit stark zugenommen.

Denken Sie, dass sich diese Spaltung noch vertiefen wird oder haben Sie Hoffnung, dass die Bereitschaft zum Gespräch wieder zunehmen könnte?

Mathias Braschler: Das hängt davon ab, was bei den Wahlen passiert. Wird Donald Trump wiedergewählt, wird sich diese Spaltung noch weiter vertiefen, da seine Politik darauf aufbaut, sich gegenseitig auszuspielen. Ich bin ziemlich sicher, dass Trump verlieren wird.

Er hat mit seiner Corona-Politik so viele Mitte-Wähler massiv verärgert. Wird Biden gewinnen, wird er daran arbeiten, diese Polarisierung aufzuweichen. Für mich ist Biden dafür der richtige Mann, gerade weil er etwas langweilig und moderat ist, hat er diese Chance.

Sie haben lange in New York und in der Schweiz gelebt. Nun haben Sie Ihre Wohnung in den USA aufgegeben. Fehlt Ihnen diese Stadt, das Land?

Monika Fischer: Wir mussten unsere Wohnung wegen Corona aufgeben. Im Moment hat niemand Lust, in New York zu leben und es ist ein gutes Jahr, um in der Schweiz zu sein. Mir und unserem Sohn Elias fehlt die Stadt, zum ersten Mal wohnen wir sehr ländlich. Auch wenn diese Option nur im Kopf bestehen würde, da wir nicht hinreisen können. Vorher wussten wir das gibt es noch das Appartement in New York.

Mathias Braschler: Jetzt gerade möchte ich nicht in New York wohnen. Einen Road Trip durch das Land würde ich sofort unternehmen. Diese Weite und Offenheit sind wunderschön!

“Divided we standExterner Link” wird bis am 19. November im Stapferhaus AarauExterner Link und bis am 22. November im MASILuganoExterner Link gezeigt.

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft