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Verhältnis Schweiz-EU

Das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU ist einmal mehr Anlass für eine Parlaments-Debatte. Keystone

Der Bundesrat soll das 1992 eingereichte EU-Beitrittsgesuch nicht zurückziehen. Ein Bericht zu den Leistungen der Schweiz für Europa soll zudem den Vorwurf der "Rosinenpickerei" entkräften.

Dies beschloss der Ständerat, die kleine Parlamentskammer, am Donnerstag.

Mit dem vom Ständerat überwiesenen Postulat erhält der Bundesrat den Auftrag, einen Bericht über die Leistungen der Schweiz für die Europäische Union (EU), deren Mitgliedstaaten und die zehn Beitrittskandidaten zu verfassen. Der Wert dieser Leistungen soll so gut wie möglich quantifiziert werden.

Mit dem Bericht soll laut Kommissions-Sprecher Maximilian Reimann dem Vorurteil entgegengewirkt werden, die Schweiz verhalte sich in den Beziehungen zur EU als “Rosinenpicker”. Die Schweiz leiste nämlich sehr viel für Europa. Als Beispiel nannte er die milliardenteure NEAT und die umfangreiche Osteuropa-Hilfe.

“Rosinenverteiler”?

“Wir wollen unser Licht ja nicht unbedingt unter den Scheffel stellen, und wir wollen auch nicht Bilanz auf Franken und Rappen ziehen, aber wir sollen unsere Leistungen auch nicht einfach unter den Teppich kehren, sondern angemessen auf die Vorwürfe reagieren”, sagte der SVP-Ständerat Reimann (Aargau) weiter. Und vielleicht entpuppe sich die Schweiz ja dann sogar als “Rosinenverteiler”.

Erst am vergangenen Sonntag hatte der deutsche Innenminister Otto Schily der Schweiz den Vorwurf des “Rosinenpickens” im Zusammenhang mit den bilateralen Verhandlungen gemacht.

Aussenministerin Micheline Calmy-Rey begrüsste das Postulat.

EU-Gesuch bleibt

Weiter lehnte der Ständerat eine Petition ab, die den Bundesrat und die Bundesversammlung aufforderte, das 1992 bei der Europäischen Union eingereichte Beitrittsgesuch zurückzuziehen. Der EU-Beitritt sei nicht das strategische Ziel, sagte Reimann.

Der momentan einzig praktikable Weg sei jener der bilateralen Verhandlungen. Ein Rückzug würde laut Reimann der Schweiz einen Imageschaden bei der EU und vor allem auch bei ihren neuen Mitgliedländern bringen.

Hinweis auf Legislaturplanung

Calmy-Rey erinnerte daran, dass der Nationalrat bereits im vergangenen Dezember eine Motion der SVP-Fraktion abgelehnt hatte, in der ebenfalls ein Rückzug des Beitrittsgesuchs verlangt worden war. Zudem habe der Bundesrat Anfang Jahr beschlossen, einen Beitritt in den nächsten Jahren nicht als Ziel anzugehen.

Kritische Töne kamen dagegen vom Appenzeller-Innerrhoder Carlo Schmid. Es gebe innenpolitisch keinen Grund, das Gesuch noch aufrecht zu erhalten. Auch gegen aussen hätte ein Rückzug laut Schmid eine klärende Wirkung. “Dann würde das Ausland wissen, dass der Bundesrat mit dem Volk wieder Frieden gemacht hat”, sagte Schmid.

Personenfreizügigkeit – offene Fragen bleiben

Gleichentags wie die Debatte im Ständerat fand eine neue Runde der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU um die Ausdehnung des Personenfreizügigkeits-Abkommens auf die neuen EU-Länder statt. Ob die Verhandlungen bis zur EU-Erweiterung am 1. Mai abgeschlossen werden kann, ist noch offen.

Inzwischen haben auch die neuen Beitritts-Staaten dem Grundsatz zugestimmt, dass die Schweiz gegenüber den zehn neuen Mitglied-Staaten wie die EU-Länder separate Übergangs-Fristen beanspruchen kann.

Details noch offen

Die Schweiz wird also die Möglichkeit erhalten, während sieben Jahren arbeitsmarktliche Beschränkungen wie den Inländer-Vorrang und Lohnkontrollen weiterzuführen. Die Öffnung des Arbeitsmarktes soll dabei schrittweise erfolgen und die Schweiz soll den Beitritts-Ländern aufsteigende Kontingente für Kurzaufenthalter und Jahres-Aufenthalter gewählen.

Die Detailregelungen stehen noch aus. Die nächste Runde der Verhandlungen findet am 7. April statt.

Das Zusatzprotokoll zum Freizügigkeits-Abkommen kann frühstens 2005 in Kraft treten. Es muss zuvor vom Parlament ratifiziert werden. Zudem kann gegen den Entscheid das Referendum ergriffen werden.

swissinfo und Agenturen

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