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Von Tal zu Berg

Blick auf das verbaute Reusstal. Keystone Archive

Die NEAT soll im Kanton Uri vollständig durch den Berg geführt werden. Der Urner Volksaufstand von vor zwei Jahren hat Wirkung gezeigt.

Die Schweizer Regierung hat am Mittwoch den Grundsatz-Entscheid gefällt, im Kanton Uri die Linie der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) in den Berg zu verlegen. Mit dem Bau dieser Variante “Berg lang geschlossen” soll im Jahr 2020 begonnen werden.

Es sei dem Bundesrat wichtig gewesen, die Lärm- und Umweltbelastungen im Kanton Uri zu reduzieren, argumentiert die Landesregierung. Mit der vollständigen Verlegung der NEAT in den Berg gingen die Zugsfrequenzen im Tal stark zurück.

Die ursprünglich geplante Talvariante sah vor, die NEAT zwischen Altdorf und Erstfeld durchs Tal zu führen. Stattdessen soll sie nun im Berg bleiben und im Norden und Süden mit der bereits bestehenden Stammlinie verbunden werden.

Längerer Tunnel – höhere Kosten

Mit der Linienführung durch den Berg verlängere sich der Gotthard-Basistunnel nun von 57 auf 80 Kilometer, erklärte Heinz Schöni vom Bundesamt für Verkehr (BAV). Gleichzeitig erhöhen sich die Gesamtkosten um eine auf insgesamt etwa 2,2 Mrd. Franken.

Hinzu kommen Vorinvestitionen in der Höhe von rund 100 Mio. Franken. Diese werden nötig, um die NEAT-Linie mit der so genannten Stammlinie zu verbinden.

Dazu sind zwei Verknüpfungen im Norden des Zentralschweizer Kantons bei Altdorf und im Süden bei Erstfeld vorgesehen. Die südliche Verknüpfung war schon in der Talvariante vorgesehen. Jene im Norden werde nötig, weil der NEAT-Tunnel vollständig in den Berg verlegt werde, so Schöni.

Fluchtweg offen halten

Die Gründe: Einerseits müsse aus Sicherheitsgründen gewährleistet sein, dass die Züge im Falle einer Störung den NEAT-Tunnel verlassen könnten. Andererseits müsse wie im Falle einer Autobahn die Verbindung zwischen der Stammlinie im Tal und der NEAT in beiden Fahrtrichtungen gewährleistet sein.

Der Bau des Gotthard-Basistunnels verzögert sich durch diese Anpassungen nicht. Er soll wie geplant Jahr 2013/2014 in Betrieb genommen werden. Mit dem Bau der NEAT-Variante “Berg lang geschlossen” soll im Jahr 2020 begonnen werden – die Zustimmung des Parlaments und eventuell des Volks vorausgesetzt.

Keine Unterquerung des Schächenbachs

Der Bundesrat verzichtet aber auf eine Unterquerung des Schächenbachs bei Altdorf. Weil die Lärm-Emissionen mit der Bergvariante stark zurückgingen, liessen sich die für eine Unterquerung nötigen 250 Mio. Franken an Mehrinvestitionen nicht rechtfertigen, begründet die Schweizer Regierung diesen Entscheid.

Zwingend nötig ist nach Ansicht des Bundesrats aber die geplante Überhol-Gleisanlage Rynächt. Diese ermögliche es die Kapazität des Gotthard-Basistunnels voll auszunutzen. Erst nach der Vollendung der NEAT-Bergvariante könne jedoch an eine Redimensionierung der Anlage gedacht werden.

Skepsis in Uri

Der bundesrätliche Entscheid für die Bergvariante wird im Kanton Uri zwar begrüsst, stösst aber auch auf Skepsis. Frau Landammann Gabi Huber wertet das Umschwenken auf die Bergvariante als Erfolg.

Der Weg zur Verwirklichung macht Huber aber nicht glücklich. Zu unverbindlich bleibe der Bundesrat, der Zeithorizont sei allzu weit gefasst. Ein Baubeginn 2012 statt 2020 sei wünschenswert.

Die überparteiliche Urner Allianz “Neat in den Berg” lobt, die Anliegen des Kantons würden endlich ernst genommen. Die bundesrätliche “Absichtserklärung” lasse aber die Sicherheit vermissen. Die Landesregierung müsse möglichst schnell einen Baukredit vorlegen.

Wie weiter

In einem ersten Schritt wird nun die AlpTransit Gotthard AG ein neues Auflageprojekt ausarbeiten. Voraussichtlich im nächsten Jahr wird der Bundesrat den Sachplan AlpTransit anpassen und einen entsprechenden Antrag stellen.

Eine entsprechende Botschaft ans Parlament muss ebenfalls ausgearbeitet werden, da die Variante “Berg lang geschlossen” mit der geltenden Beschlüssen nicht realisiert werden kann.

Was war

Bei der Planauflage im vergangenen Jahr war der Bundesrat noch davon ausgegangen, dass die Bergvariante unrealistisch sei. Weitere Abklärungen hätten dann aber deren Machbarkeit erwiesen, heisst es nun.

Im Juni 2000 nach dem Entscheid der Schweizer Regierung die NEAT offen durch das Reusstal zu führen, war ein Sturm der Entrüstung durch das Urnerland gefegt. Innert kürzerster Frist wurden Unterschriften gesammelt und einen Monat später hatte das BAV bereits über 900 Einsprachen gegen die Talvariante im Briefkasten.

Der Grund: Bereits heute wird der Talboden durch die Reuss, die Autobahn, eine Kantonsstrasse, die Gotthardbahn und drei parallele Hochspannungsleitungen zerschnitten. Die 40 Meter breite Schneise für die NEAT-Zufahrt hätte Kulturland zerstört.

swissinfo und Agenturen

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