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Wenn Kunst und Wirtschaft zusammentreffen

Das Werk der baskischen Künstlerin Ester Partegàs ist Teil der Wanderausstellung Art&Enterpreneurship. credit-suisse.com

Die Schweizer Bank Credit Suisse (CS) beschreitet neue Wege in der Kunstförderung. Junge Kunstschaffende aus 16 Ländern wurden aufgefordert, eine Arbeit zum Thema "Entrepreneurship" zu schaffen. Ende November werden die Werke in London versteigert.

New York – eine Strassenkreuzung irgendwo in Downtown. Im Gewühl auf dem Zebrastreifen klammern sich die Menschen an ihren Einkaufstüten fest. Mit Sprühfarbe sind ihre Köpfe unkenntlich gemacht.

Auf der grellen Farbfläche prangt ein einziger Satz: “Millions can’t relax tonight”, Millionen Menschen können sich heute Abend nicht zur Ruhe legen. Die derart manipulierte Fotografie der baskischen Künstlerin Ester Partegàs ist Teil der Internationalen Wanderausstellung “Art&Entrepreneurship”, die derzeit um den Globus reist.

Die Ausstellung präsentiert einen Querschnitt aktueller Strömungen in der zeitgenössischen Kunst, am Beispiel von 19 jungen Künstlern und Künstlerpaaren aus 16 Ländern, die in den Bereichen Videokunst, Gemälde, Skulptur und Fotografie arbeiten.

Nach Stationen in Dubai und New York macht die Ausstellung dieser Tage in Berlin Stopp, danach folgen Moskau, Genf, Mailand und schliesslich Ende November London, wo die 40 Werke versteigert werden sollen.

Bank als Mitproduzentin

Initiiert hat die Ausstellung die Credit Suisse (CS), die sich schon seit längerem einen Namen gemacht hat als Förderin im Kulturbereich. So sponsert die Schweizer Grossbank das Lucerne Festival und die Salzburger Festspiele.

Bei “Art&Entrepreneurship” indes beschreitet die CS einen neuen Weg der Kunstförderung. Sie finanziert nicht nur die Ausstellung als solche, sondern fungierte darüber hinaus als Auftraggeberin und Mitproduzentin. So forderte die Bank die Künstler auf, eigens für die Ausstellung Werke zum Thema “Entrepreneurship” zu schaffen.

In die Arbeiten einfliessen sollten dabei fünf unternehmerische Kernwerte, die die CS im Vorfeld des Projekts in einer weltweiten Kundenumfrage ermittelt hatte: Vision, Wissen, Vernetzung, Familie und soziale Verantwortung. Die Künstler konnten auf einen oder auf mehrere Werte eingehen und so viele Arbeiten vorlegen, wie sie wollten.

“Eine Kuratoriumsstrategie, bei der die Künstler über ein Thema nachdenken und es interpretieren, war bis weit ins 19. Jahrhundert hinein die gebräuchlichste Form der Kunstproduktion”, sagte die Kuratorin Michelle Nicol an der Ausstellungseröffnung in Berlin. Es sei spannend zu sehen, was eine engagierte Generation junger Künstler aus der Vorgabe gemacht habe, so die Schweizer Kunsthistorikerin.

Rosa Tische und ein zerwühltes Federbett

Ein Rundgang durch die Ausstellung zeigt, dass die Künstler ganz unterschiedliche Ansätze verfolgt haben, um den Auftrag der CS wahrzunehmen.

Ester Partegàs’ Herangehensweise zum Beispiel erschliesst sich dem Betrachter unmittelbar. Der Zusammenhang zwischen den Passanten mit den zahlreichen Einkaufstüten und dem Schlüsselwert soziale Verantwortung liegt auf der Hand.

Nicht alle Kunstschaffenden machen es einem so einfach – vielmehr haben die meisten den Spielraum, den ihnen die Auftragskunst bot, voll ausgelotet. So will der Mailänder Nicola Gobbetto mit seinen hellblauen und rosafarbenen Mini-Tischen Assoziationen an eine ins absurde übersteigerte Büroästhetik wecken.

Matthew Smith, der in London lebt, hat ein zerwühltes Federbett auf einen hölzernen Rahmen drapiert, so dass es aufrecht steht. Das sieht witzig aus, weil die Bettdecke so eine Persönlichkeit erhält. Von der Erklärung im Begleitheft, dass ein Unternehmer in der Lage sein sollte, Objekte auf neue Arten wahrzunehmen, mag man indes halten, was man will.

Kunst im Dienst der Wirtschaft

Dass ein Unternehmen nicht nur als Geldgeber für Kunstprojekte, sondern auch als “Mitproduzent” auftritt, ist unter Kunstexperten nicht unumstritten. “Das Projekt der CS hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck”, sagt etwa Philipp Schumann von der Internet-Galerie “Junge Kunst Berlin”.

Auf der einen Seite biete das Projekt dem Künstlernachwuchs ein Podium, um an die Öffentlichkeit zu gelangen, was zu begrüssen sei. Für junge Kunstschaffende sei es schwer, sich einem breiteren Publikum vorzustellen und sich gegen etablierte Künstler durchzusetzen.

Andererseits sollten Unternehmen den Prozess der Entstehung von Kunstwerken nicht beeinflussen oder gar Bedingungen diktieren, findet Schumann. “Sobald die Kunst im Dienst der Wirtschaft steht, ist eine Grenze überschritten.”

Immerhin tut die CS mit ihrem neuesten Coup auch Gutes: Der Erlös aus der Versteigerung kommt nur zur Hälfte den Künstlern zugute. Die andere Hälfte fliesst in die Unterstützung der gemeinnützigen Organisation “Room to Read”, die Kindern ländlicher Gebiete in Asien und Afrika den Zugang zu Bildung ermöglicht.

swissinfo, Paola Carega, Berlin

Ob Malerei, Fotografie oder Skulpturen: Die Online-Galerie “Junge Kunst Berlin” präsentiert aktuelle Positionen zeitgenössischer Kunst aus der Hauptstadt.

Ausgewählte Absolventen der Berliner Kunsthochschulen, Meisterschüler und Diplomanden zeigen auf den Internetseiten ihre Arbeiten und geben einen Einblick in ihr Schaffen und ihren Werdegang.

Die Online-Galerie ist seit Anfang dieses Jahrs im Netz, kooperiert mit verschiedenen Galerien in Berlin und organisiert auch regelmässig Ausstellungsprojekte.

“Das Internet stellt für junge Künstler eine ausgezeichnete Plattform dar, um ihre Werke einem breiten Publikum bekannt zu machen”, sagt Philipp Schumann, Gründer der Online-Galerie.

Ein weiterer Vorteil des Mediums sei, dass es zwischen Käufer und Künstler vermittle; durch die fortlaufende Aktualisierung der Seite könne zudem der Schaffensweg der Künstler verfolgt werden.

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