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Widersprüchliche Ausblicke

Die Entwicklung der Schweizer Wirtschaft bleibt ungewiss, Konjunktur-Forscher haben voneinander abweichende Meinungen. Keystone

Der Wirtschaftsmotor Schweiz stottert. Geht es nun mit der Wirtschaft aufwärts - oder doch nicht? Zwei neue Umfragen geben widersprüchlich Signale.

Schrumpfende Investitionen und gebremste Exporte veranlassten die Konjunktur-Auguren, die im Rahmen des Business Economists’ Consensus (BEC) befragt wurden, ihre Erwartungen vom Frühjahr nach unten zu korrigieren, wie die BEC am Freitag mitteilte.

Die Konjunktur-Forschungsstelle (KOF) der ETH Zürich hingegen zeigt sich weiterhin zuversichtlich über eine Erholung der Wirtschaft. Das Konjunktur-Barometer zeige für Mai eine Zunahme, die im Rahmen der letzten Monate liege.

Keine Euphorie für 2003

Im März hatten die im Rahmen des Business Economists’ Consensus (BEC) befragten 25 Ökonomen damit gerechnet, dass das Brutto-Inlandprodukt (BIP) in diesem Jahr um 1,19% wachsen werde. In der neusten Umfrage korrigierten die Experten nun ihre Erwartungen auf ein Wachstum von noch 1,07%, wie die BEC am Freitag in Zürich bekannt gab.

Auch für 2003 haben die Ökonomen ihre Erwartungen zum BIP-Wachstum zurückgeschraubt, und zwar auf 2,05%. Dies nachdem sie vor drei Monaten noch ein Plus von 2,18% vorausgesagt hatten. Die Abwärtskorrektur wurde laut BEC in erster Linie auf die schlechten Zahlen bei den Investitionen im ersten Quartal 2002 zurückgeführt.

Weniger Geld investiert

Die Investitionen in Bau und Ausrüstung dürften teuerungsbereinigt (real) im laufenden Jahr um 1,9% schrumpfen. Im März war noch ein Plus von 1,5% erwartet worden.

Allerdings gehen die Schätzungen der Ökonomen deutlich auseinander: Während die einen mit einem Einbruch von 8,5% rechnen, erwarten die anderen ein Wachstum von 1,5%. Im nächsten Jahr sollten die Investitionen mit 3,78% dann wieder zulegen (März-Schätzung: 3,37%).

Die negative Tendenz bestätigen die gleichentags veröffentlichten Zahlen des Schweizerischen Baumeisterverbandes (SBV). Das Baujahr 2002 habe wenig verheissungsvoll begonnen, beklagt sich der Verband. Im ersten Quartal seien sowohl von privater wie von öffentlicher Seite weniger Bauinvestitionen getätigt worden.

Auch die Exporte erhalten einen Dämpfer und werden nach Ansicht der Ökonomen 2002 lediglich noch um 0,5%. (März: 1,96) zulegen. Damit würden sie weniger als erwartet zum Aufschwung beitragen, hiess es weiter. Für 2003 wird mit einem Wachstum von 4,86% (4,99) gerechnet.

Mehr Arbeitslose

Im Einklang mit der schwächeren Konjunkturdynamik erwarten die Ökonomen auch mehr Arbeitslose. Die Quote dürfte im laufenden Jahr auf 2,44% (2,34) steigen. 2003 soll die Arbeitslosigkeit mit der anziehenden Wirtschaft wieder auf 2,19% (2,12) zurückgehen.

Etwas abnehmen dürfte dagegen die Teuerung, die für 2002 mit 0,83% (0,88) und für 2003 mit 1,32% (1,35) vorausgesagt wird. Damit liege die Inflation in beiden Jahren im Zielbereich der Schweizerischen Nationalbank (SNB), hiess es weiter.

KOF sieht Aufwärtstrend

Die Konjunktur-Forschungsstelle der ETH Zürich rechnet ihrerseits mit einer leichten Beschleunigung des Wirtschaftswachstums im zweiten Quartal, da das Konjunkturbarometer seit Ende letzten Jahres nach oben zeigt. Die seit dem letzten Sommer andauernde Wachstumsschwäche werde aber erst in der zweiten Jahreshälfte überwunden.

Die Auftriebstendenzen in der Industrie, so die KOF, hielten an und übertrügen sich auf das Konjunkturbarometer. Der Bestellungseingang habe sich im Mai weiter erholt, wie die monatliche Umfrage bei der Industrie gezeigt habe. Das Niveau des Vorjahres sei aber noch nicht erreicht.

Das KOF-Barometer weist in qualitativer Form auf die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung in rund sechs bis neun Monaten hin. Für Mai weist es einen Wert von minus 0,61 auf. In den Vormonaten April und März hatten die Werte bei minus 0,67 bzw. minus 0,75 gelegen.

Dollar-Sinkflug

Die BEC-Ökonomen befassten sich auch mit dem Dollar und dessen Sinkflug in den vergangenen Wochen. Bei den Wechselkurs-Aussichten berücksichtigten die 25 befragten Ökonomen von 17 Firmen und Institutionen die aktuelle Schwäche des Dollar.

Für Ende September erwarten sie einen Dollarkurs von 1,56, für Ende Juni nächsten Jahres einen Stand von 1,55 Franken pro Greenback. Im März waren die Auguren noch von 1,63 ausgegangen. Keinen grossen Veränderungen sollte der Wechselkurs zum Euro unterliegen: Die Gemeinschaftswährung dürfte sich zwischen 1,47 und 1,49 Fr. bewegen.

Hoffen auf bessere Zeiten

Für die Börse erwarten die Ökonomen wieder eine Erholung. Sie dürfte aber geringer ausfallen, als bei der letzten Einschätzung erwartet. Der Swiss Performance Index (SPI) dürfte den Erwartungen der Experten zufolge von derzeit 4063 Punkten bis in einem Jahr auf 4688 (4831) Zähler zulegen.

Auch die Analysten der Bank Pictet billigen der Schweizer Börse ein beträchtliches Aufwärts-Potenzial zu. Der Swiss Market Index (SMI) könnte ihrer Einschätzung nach in 12 Monaten auf 6500 Punkte klettern.

swissinfo und Agenturen

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