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Gemeinnützig und trotzdem unternehmerisch

1976: Personalrestaurant im Fahrtrainingszentrum Luzern. gosteli-foundation.ch

Aus dem 1914 gegründeten "Schweizer Verband Soldatenwohl" ist mit den Jahren das grösste Catering-Unternehmen der Schweiz, die SV Group, entstanden. An dessen Spitze wirkt Susy Brüschweiler, eine der raren Topmanagerinnen im Land.

Der Name SV Group ist wenig bekannt, obwohl die Aktiengesellschaft über 8000 Mitarbeitende beschäftigt und in Hunderten von Betrieben in der Schweiz, aber auch in Deutschland und Österreich, Personalrestaurants und Kantinen betreibt.

Weit bekannter dürften die “Soldatenstuben” sein, welche es insbesondere in den Kriegsjahren, aber noch bis weit in die 1990er-Jahre hinein gab. Dort sorgten die so genannten “Soldatenmütter” für das Wohl der jungen Männer.

Von der Soldatenstube zur AG

Das vor kurzem erschienene Buch “Ein Leben lang” erzählt anhand von Bildern und Porträts die Geschichte des SV und den Wandel, den das Unternehmen in den letzten knapp hundert Jahren durchlief.

Seit 1995 schwingt die gelernte Krankenschwester und ehemalige Kaderfrau in der Krankenpflege, Susy Brüschweiler, den Kochlöffel der Nummer 1 in der Catering-Branche.

Sie war es denn auch, welche die Herausforderung der Zeit anpackte und sich für eine Umwandelung des Vereins in eine Aktiengesellschaft einsetzte. Seit 1999 amtet sie als CEO der SV Group.

Der Philosophie der Gründerin Else Züblin-Spiller verpflichtet, versucht sie, soziales Engagement und unternehmerisches Denken in Einklang zu halten. “Der Mensch steht für mich stets im Vordergrund.”

Orte der Begegnung

Als Schwerpunkte in diesem Bereich nennt Brüschweiler die Mitarbeiterförderung und die Sozialberatung für das Personal, aber auch das Weiterbildungsangebot, das seit 1940 existiert. “Sozial ist aber auch, wenn man ein Unternehmen führt, das nachhaltig Gewinn erwirtschaftet. Denn ohne Gewinn kann man keine Mitarbeitenden beschäftigen”, betont die Topmanagerin.

Der Sinn der Soldatenstuben, welche die Pionierin Else Züblin-Spiller im Ersten Weltkrieg ins Leben rief, war, den Männern im Dienst einen Ort der Begegnung zur Verfügung zu stellen. “Dieser Ort der Begegnung ist auch heute noch gegeben. Wie schon vor 100 Jahren ist das nach wie vor die Vision des SV”, so Brüschweiler.

“In den Personalrestaurants sollen die Kunden Kolleginnen und Kollegen treffen oder mit dem Chef ein informelles Gespräch führen können.” Und dies bei guter und gesunder Ernährung, die sich auf das “Gemüt und Wohlbefinden der Leute auswirkt”.

Unter gesunder Ernährung versteht sie, “was einem schmeckt und Freude macht”. Das dürfe auch mal ein Schnitzel mit Pommes Frites sein. “Wichtig ist, dass die Leute ihren Körper genug spüren und ihre mentale Einstellung zum Essen kennen.”

Im Dienste der Gesellschaft

Brüschweiler spricht mit Bewunderung von der Weitsicht der Gründermutter Züblin-Spiller. “Sie sah den Sinn des Unternehmens nicht im Wohl der Männer, sondern im Wohl der Gesellschaft. Denn sie hatte festgestellt, dass Männer mit Alkoholproblemen eine negative Auswirkung auf Familie und Gesellschaft hatten.”

Parallelen zwischen sich und der Gründerin des Unternehmens will die Westschweizerin keine sehen. “Das wäre anmassend und arrogant.” Aber auch sie habe immer gerne Visionen entwickelt, etwa: Wie führt man diesen Konzern in einer modernen und globalisierten Welt, ohne das zu negieren, was die Gründerin als Basis gegeben hat?

Unter Brüschweilers Leitung setzte der SV seine 1992 gestartete Expansion nach Deutschland fort und wurde neu auch in Österreich aktiv. “Das waren strategische Überlegungen, denn in der Schweiz ist das Kerngeschäft, das wir seit 1918 betreiben, gesättigt.”

Managerin mit Herz

Susy Brüschweiler musste während ihrer CEO-Karriere auch schon Entscheide durchsetzen, die vielleicht nicht für alle nachvollziehbar waren. ” Wenn man überzeugt ist, dass das für die Existenzsicherung und Weiterentwicklung des Unternehmens nötig ist, muss das manchmal so sein.”

So geschehen in den Jahren 1996-98 während der Reorganisation des SV. “Wir hatten früher 1400 Lieferanten für unsere kleine Unternehmung mit 300 Betrieben. Eine Lieferanten-Konzentration war unabdingbar.”

Grundsätzlich sei sie aber keine harte Managerin. “Ich glaube, ich habe das Menschliche immer in den Vordergrund gestellt. Meine Türe ist immer offen. Die Leute wissen, dass sie kommen können, ob sie jetzt glücklich, böse oder frustriert sind – es hat keine Konsequenzen.”

Langsamer Rückzug

Nach 15 Jahren im Dienste der SV Group gibt Susy Brüschweiler per Ende April im Alter von 62 Jahren den CEO-Löffel weiter. Sie hinterlässt ein gesundes Unternehmen, das die Wirtschaftskrise nur mässig spürt, in Deutschland etwas mehr als in der Schweiz oder in Österreich.

Und da ihr das Wohl des Unternehmens nach wie vor am Herzen liegt, übernimmt sie im Juli den Vorsitz der SV-Stiftung. So wird sie, wenn auch nicht “Ein Leben lang”, weiter Ideen und Visionen entwickeln und wohl als weitere starke Frau in die SV-Geschichte eingehen.

Gaby Ochsenbein, Dübendorf, swissinfo.ch

Das Buch “Ein Leben lang” ist im Kontrast Verlag erschienen und erzählt die Geschichte des SV.

1914: Else Züblin-Spiller gründet die Non-Profit-Organisation “Schweizer Verband Soldatenwohl”.

1918: Entsteht erstes Personalrestaurant.

1920: Umbenennung in “Schweizer Verband Volksdienst”.

1939: Es werden während des Krieges vermehrt Soldatenstuben geführt.

1973: Umbenennung in “SV-Service”.

1992: Expansion nach Deutschland und Einstieg ins Care Catering.

1996: Einstieg in Care Catering (Spitäler, Pflegeheime) und Event Catering in der Schweiz.

1998: Expansion nach Österreich.

1999: Umwandlung des Vereins in die AG “SV Group”. SV-Stiftung ist Mehrheitsaktionärin.

Seit 2003 hat die SV Group eine Holding-Struktur mit den fünf Geschäftsbereichen: Business, Event, Care, Hotel und Restaurant.

Ende 2008:

8129 Mitarbeitende

65% Frauenanteil

625 Mio. Fr. Umsatz

7 Mio. Fr. Gewinn

520 Betriebe, 320 davon in der Schweiz

97,7 Mio. Konsumationen

42 davon Mahlzeiten

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