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Wolken über dem Chemie-Standort Schweiz

Trotz allem bietet der Chemiestandort Basel viele Vorteile. Novartis

Hohe Kosten, sinkende Wettbewerbsfähigkeit und aggressive Konkurrenz aus Asien: Für die europäische Chemieindustrie sieht die Zukunft alles andere als rosig aus.

Die Angst vor Arbeitsplatz-Abbau und Produktions-Verlagerung hat auch Basel erfasst – die Hauptstadt der Schweizer Chemieindustrie.

Europa läuft immer mehr Gefahr, als Produktions-Standort an Bedeutung zu verlieren: Diese Perspektive wird im jüngsten Bericht des europäischen Rates für die Chemieindustrie (CEFIC) beschrieben.

Demnach könnte die Chemieindustrie innerhalb der nächsten 10 Jahre um jährlich 0,6% schrumpfen. Der Anteil Europas am Weltmarkt chemischer Erzeugnisse würde sich von 32 (1994) auf 16% im Jahr 2015 halbieren.

Mit dieser Entwicklung dürfte eine Verlagerung vieler Arbeitsplätze in Billiglohnländer verbunden sein, insbesondere nach Asien. Dort sind häufig auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Entwicklung und Forschung weniger streng als in Europa.

Basel primär betroffen

Die Produktions-Verlagerung betrifft zusehends auch die chemische Industrie, die sich in der Schweiz in Basel konzentriert. In der Rheinstadt haben sechs multinationale Chemie-Unternehmen ihre Niederlassungen: Novartis, Roche, Syngenta, Ciba, Clariant und Lonza.

Einige Alarmglocken haben bereits geläutet: Die niederländische Gruppe DSM wird einen Viertel ihrer 3000 Stellen in der Region Basel abbauen. Ciba und Syngenta reduzieren ihrerseits je 200 Arbeitsplätze.

Und Clariant will im Rahmen einer weltweiten Restrukturierung einige Produktions-Bereiche in wachsende Marktregionen verlagern. Die Rede ist von China.

Schweizer Vorteile

Die Sorge um den Chemiestandort Basel hält sich gleichwohl in Grenzen. “Wir entwickeln hier hochspezialisierte Spitzenprodukte mit hoher Wertschöpfung”, betont Novartis-Manager und FDP-Nationalrat Johannes Randegger. Dazu kommen Forschung und wissenschaftliche Produktionstest.

Laut Randegger ist für die Arbeit am Chemiestandort Basel neben technologischen Investitionen, Qualitätskontrolle und Umweltschutz ein extremes Know-how nötig. Dies könne nicht einfach in ein Billiglohnland ausgelagert werden.



Der Basler SP-Nationalrat Rudolf Rechsteiner weist noch auf weitere Vorteile der Produktion in der Schweiz hin: Politische, wirtschaftliche und soziale Stabilität, ein gutes Ausbildungs-Niveau sowie die Verfügbarkeit von Spitzentechnologien.

Eher skeptisch zeigt sich Johannes Randegger in Sachen Ausbildung. Seiner Meinung nach herrscht in der Schweiz ein Mangel an qualifizierten Wissenschaftern. Viele Unternehmen müssten im Ausland auf Suche nach geeigneten Fachkräften gehen.

Und der Umweltschutz?

Zweifellos gehört die chemische Industrie zu jenen Sparten, die in einer konfliktreichen Beziehung zur Umwelt stehen. Der Unfall im Jahr 1986 von Sandoz in Schweizerhalle hat dies besonders deutlich gemacht. Damals gelangten mehr als 1000 Tonnen Chemikalien in den Rhein. Der Fluss war bis Rotterdam verschmutzt.



Seither sind das Bewusstsein für Chemieunfälle und die möglichen Risiken für Natur und Umwelt markant gestiegen. Trotz der steigenden internationalen Konkurrenz wird der Umwelt-Standard in Basel von der örtlichen Kontrollstelle für Chemie- und Biosicherheit (KCB) als zufrieden stellend bezeichnet.

“Der Druck auf die Unternehmen ist gestiegen”, meint KCB-Leiter Urs Vögeli. Er habe den Eindruck, dass die Firmen nach wie vor grosse Anstrengungen unternähmen, um die Risiken möglichst klein zu halten.

swissinfo, Marzio Pescia
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Der europäische Rat der chemischen Industrie (Cefic) erwartet für die eigenen Branche nach einem schwierigen Jahr 2003 einen leichten Aufwärtstrend.

CEFIC hat erstmals eine Studie veröffentlicht, welche die Langzeitperspektive für die chemische Industrie in Europa unter die Lupe nimmt.

Demnach wird die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie vor allem durch erdölfördernde Staaten im Nahen Osten sowie einige asiatische Länder bedroht, vorab China.

Der Anteil der europäischen Chemieindustrie am Weltmarkt dürfte bis 2015 markant sinken.

CEFIC kritisiert die ihrer Meinung nach überreglementierte und widersprüchliche Gesetzgebung für die chemisch-pharmazeutische Branche in Europa. Die Einführung neuer Produkte auf dem Markt sei in Europa zehn Mal teurer als in den USA.

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