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WTO: Schweiz verurteilt Verhandlungs-Blockade

Luzius Wasescha schliesst ein Veto der G10 nicht aus. Keystone

Der Schweizer Chefunterhändler bei der Welthandelsorganisation hat die Forderungen der Agrarexportländer als unrealistisch kritisiert.

Luzius Wasescha erklärte, die G10-Länder, zu denen auch die Schweiz gehört, würden sich aus den Agrarverhandlungen zurückziehen, wenn sich die Situation nicht bessere.

Am Mittwoch und am Donnerstag haben die Handelsminister der USA, der EU, Australiens, Indiens und Brasiliens (G5) ihre Beratungen über die laufende Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation (WTO) fortgeführt. Überschattet wurde das Treffen vom Streit über den Abbau von Agrarsubventionen.

Diese gelten als Haupthindernis für einen Erfolg der WTO-Ministerkonferenz vom 13. bis 18. Dezember in Hongkong, an der die 148 Mitgliedstaaten zwei Drittel der 2001 begonnenen Verhandlungsrunde abschliessen wollen. Die so genannte Doha-Runde setzt sich eine weitere Liberalisierung des Welthandels zum Ziel und soll bis Ende 2006 beendet werden.

Die Gespräche der exportierenden Länder (G5) über den Abbau von Agrarsubventionen von letzter Woche führten zu keinen neuen Zugeständnissen. Das Agrardossier der Verhandlungsrunde bleibt blockiert.

Wenig Hoffnung

Die Unnachgiebigkeit der exportierenden Länder in der Doha-Runde seien “ein Witz” und könnten jede Hoffnung auf eine Einigung an der entscheidenden WTO-Konferenz in Hongkong zum Scheitern bringen, sagte Luziuzs Wasescha am Freitag in Genf.

“Wenn man bedenkt, was für das System, die Mitglieder – vor allem die schwächeren – auf dem Spiel steht, ist diese Haltung nicht sehr verantwortungsbewusst”, sagte der Schweizer Chefunterhändler bei der WTO weiter.

Veto nicht ausgeschlossen

Dränge man die Agrarimportländer (G10) in eine Ecke, würden sie zu einer Veto-Gruppe, und das wollten sie nicht sein. Die Agrarexportländer – darunter die USA und Australien – wollten eine breite Marktöffnung durchsetzen ohne Rücksicht auf verschiedene Landwirtschaftsarten.

“Für die Agrarexportländer ist das ein Traum, für uns ein Albtraum”, sagte Wasescha. Der Schlüssel für die festgefahrenen Verhandlungen hält für ihn derzeit Brüssel in der Hand. Die EU sagte zu, bis Ende kommender Woche einen Vorschlag zur Marktöffnung für Agrarprodukte vorzulegen.

Die Schweiz unterstütze zusammen mit den andern G10-Ländern die Meinung von EU-Handelskommissar Peter Mandelson, dass alle Dossiers gleichzeitig verhandelt werden müssten und nicht zuerst das Agrardossier gelöst werden könne, sagte Wasescha.

Verzicht auf Maximalzölle

Er begrüsste einen am Freitag vorgelegten Vorschlag der 81 AKP-Staaten (Asien, Karibik, Pazifik), die unter anderem auf eine Maximalzollregelung verzichten wollen und für sensible Produkte einen Sonderstatus vorsehen. Diese zwei Anliegen sind für die G10 wichtig.

Sie gehen davon aus, dass bei den WTO-Agrarverhandlungen bereits eine gestufte Formel für den Zollabbau beschlossen wurde, bei der höhere Zölle stärker gesenkt werden. Die Maximalzollregelung bedeutet für sie daher zusätzliche Zugeständnisse.

“Diktatorische” Haltung

Wasescha betonte im Namen der G10, indem die Agrarimportländer beispielsweise ihre Exportsubventionen abschafften, ermöglichten sie andern Ländern bereits einen grösseren Marktzugang. Das müsse berücksichtigt werden.

Wasescha nannte die Haltung der G5 (USA, EU, Australien, Brasilien und Indien), die sich am Mittwoch und Donnerstag in Genf trafen, als “diktatorisch”.

Die Schweiz hatte zusammen mit den übrigen G10-Länder wiederholt gefordert, dass bei Verhandlungen im kleineren Rahmen alle Interessen vertreten sein müssten, auch jene der Agrarimport-Länder.

“Entweder ist die WTO fähig, alle Standpunkte anzuhören oder sie wird von einer Diktatur der Elefanten dominiert”, sagte Wasescha.

Pattsituation

Wegen des blockierten Agrardossiers könnte die aktuelle WTO-Verhandlungsrunde scheitern. In der Doha-Runde 2001 hatten sich die 148 WTO-Mitgliedsländer zum Ziel gesetzt, die globale Wirtschaft mit tieferen Handelshemmnissen zu beleben und Bauern in Entwicklungsländern zu unterstützen.

Er sei hoffnungsvoll, dass es zu einer Einigung komme, erklärte vor zehn Tagen der Schweizer Wirtschaftsminister, Joseph Deiss. Wasescha aber zeigte sich am Freitag gegenüber swissinfo skeptisch, die Aussichten seien düster, sagte er.

“Entweder präsentieren die exportierenden Länder nächste Woche einen realistischen Vorschlag, dann werden wir in Hongkong ein Abkommen haben, oder sie halten an ihren Erwartungen fest und wir scheitern”, sagte er.

Laut Wasescha werden die USA, EU, Brasilien, Australien und Indien die Situation nächste Woche an einer Telefonkonferenz besprechen.

swissinfo und Agenturen

Die im November 2001 gestartete Doha-Runde von Handelsgesprächen hätte letztes Jahr beendet sein sollen.

Die Verhandlungen scheiterten jedoch im September 2003 an der Minister-Konferenz in Cancun, Mexiko.

Letzte Woche trafen sich die führenden exportierenden WTO-Länder (G5) zu Beratungen über die laufende Liberalisierungsrunde.

Das Treffen wurde vom Streit über den Abbau von Agrarsubventionen überschattet.

WTO-Chef Pascal Lamy drängte die EU und die USA zu Eingeständnissen, um die Blockade des Agrardossiers zu lösen.

Die 148 WTO-Mitgliedstaaten versuchen sich bis Ende Jahr auf einen Vertragsentwurf zu einigen.

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