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Zart wie ein Hauch, süss wie die Sünde

33 Millionen Fasnachtsküchli verkaufen allein die Grossverteiler pro Saison. swissinfo.ch

Fasnachtsküechli, Eieröhrli, Merveilles, Chnöiblätze - das Hauchdünne gehört zur Fasnacht wie der Esel zum St. Nikolaus. Das Gebäck wurde ursprünglich in den Tagen vor Aschermittwoch gegessen. Heute erfreut es naschfreudige Herzen bereits ab Weihnachten - zusammen mit Zigerkrapfen, Schenkeli und Berlinern.

Es ist hauchdünn, zuckersüss und verleitet zur Sünde. Letzteres tat es zumindest im Jahre 1527: Damals wurde das Gebäck von der Obrigkeit nämlich verboten. Walter Boesch, Direktor der Schweizerischen Bäckerei und Konditorei-Fachschule Richemont in Luzern kennt die Geschichte. Es war Brauch, dass junge Burschen ihre Mädchen nach dem Tanz nach Hause begleiteten und ihnen dort Fasnachtsküechli überreichten, im Gegenzug aber dann Gelüste ganz anderer Art stillen wollten. Dieses Treiben passte insbesondere der Kirche nicht: “Sie verbot das Fasnachtsküechli wegen Sittenverstoss, betroffen davon waren die Ostschweiz, Zürich und Basel”, erzählt Walter Boesch. Glücklicherweise wurde das Verbot später wieder aufgehoben. Ob das Küechli nicht auch heute noch zu Sünden verleitet, sei dahingestellt.

Keine Chance gegen Grossverteiler

Ein Fasnachtsküechli ist im Idealfall 0,5 Milimeter dick, 30 Gramm schwer und hat einen Durchmesser von 20 Centimetern. Die handwerkliche Herstellung ist aufwendig. Es erstaunt deshalb kaum, dass die Grossverteiler, die die Küchli industriell herstellen, bei den Verkaufszahlen die Nase vorn haben. Laut Walter Boesch beherrschen Migros und Coop über 80 Prozent des Fasnachtsküechli-Marktes der Schweiz. Boesch sagt selber, dass das Produkt der Grossverteiler gut sei. Und günstig: “100 Gramm industriell produzierte Fasnachtsküechli kosten 1.30 Franken”. Das sei halb so teuer wie die gleiche Menge, die handwerklich hergestellt werde. Es gebe deshalb Bäckereien, die das Fasnachtsküechli aus dem Sortiment gestrichen hätten.

Fasnachtsküchli zum Silvester

Kaum einem Bäcker käme es in den Sinn, kurz vor der Jahreswende bereits Fasnachtsküchli zu backen. Ganz anders bei Migros und Coop: ab dem 26. Dezember läuft in den Grossbäckereien die Produktion der Fasnachtsküechli auf Hochtouren. Die vier Anlagen in der Midor in Meilen laufen im 24-Stunden-betrieb, die beiden Anlagen der Coop Bäckerei Panafina in Wallisellen werden in drei Schichten rund um die Uhr betreut. Schliesslich sollen die Kunden vor Silvester ihre ersten Küchli kaufen können.

Grossverteiler verkaufen 33 Millionen Küchli pro Saison

21 Millionen Fasnachtsküchli vertreibt die Migros pro Saison in der Schweiz, das entspricht 3,5 Millionen Packungen. 280 Tonnen Mehl, 120 Tonnen Zucker, 100 Tonnen Eier und 2,2 Tonnen Joghurt werden bei der Grossbäckerei der Migros in Meilen in der Fasnachtssaison jedes Jahr verküchelt. Bestäubt werden sie mit 25 Tonnen Puderzucker.

Coop verkauft rund halb so viele Küchli: 10 bis 12 Millionen Hauchdünne stellt der Grossverteiler her, wie Felix Ruckstuhl, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Coop-Bäckerei Panafina in Wallisellen weiss.

Und dann ist Stillstand

Die Saison dauert in den meisten Filialen bis Aschermittwoch. In der Romandie und in Basel geht sie etwas länger. Wenn die Fasnachtszeit zu Ende geht, stehen die Anlagen still. “Sie werden enorm gewartet”, sagt Helmut Lehmann, Leiter Marketing von Midor in Meilen. Er vergleicht die Anlagen gar mit einem “Heiligtum”. Bei Coop wird im Herbst noch ein “Chilbichüechli” frittiert, sonst stehen die beiden Anlagen ebenfalls still. Bis die nächste Weihnacht vorüber ist.

Kathrin Boss Brawand


Rezept für 20 bis 22 Fasnachtsküechli (von Walter Boesch)

400 g Weissmehl; 3 Eier; 1 Teelöffel Salz; 2 Esslöffel Zucker; 3 Esslöffel flüssiger Rahm; 50 g Butter, der flüssig beigegeben wird. Nach dem Backen: mit Staubzucker überstäuben. Fürs Backen: Erdnussöl verwenden. Nach Belieben den Teig mit 20 g Kirsch, Zitronenschale oder einer Prise Salz anreichern.

Herstellung: Eier, Rahm und flüssige Butter mischen und dann mit dem Mehl zu einem Teig verarbeiten, bis er sehr geschmeidig ist. Teig hauchdünn ausrollen, so dass man durchsehen kann. Jetzt das Küchlein im siedenden Öl backen.

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